Ausgabe 1 >2019

Die Leitlinien für die Behandlung von Brust- krebs werden jährlich überarbeitet und aktualisiert. Professor Kühn ist Mitglied der deutschen Leitliniengruppe. Während die meisten Frauen brusterhal- tend operiert werden, ist bei Frauen mit Krebs aufgrund einer Genmutation ein anderes, radikaleres Vorgehen von Nöten. Fünf Prozent aller Brustkrebspatientinnen leiden an einer Genmutation, die zur Ent- stehung von Tumoren an Brust und Eier- stöcken führen kann. Häufig treten im engen Familienkreis mehrere Krebsfälle auf. „Das Risiko für eine Erkrankung liegt bei 60 bis 80 Prozent“, sagt Professor Kühn. In einer speziellen Beratungssprechstunde identifizieren die Ärzte systematisch, ob ein erhöhtes Risiko besteht. Um die Gen- Mutation eindeutig festzustellen, arbeitet das Klinikum Esslingen mit dem human- genetischen Labor der Universitätsklinik Tübingen zusammen. Auf der Grundlage der Laborergebnisse besprechen die Ärzte mit den Frauen das weitere Vorgehen: ent- weder eine Masketomie mit anschließender Rekonstruktion der Brüste oder eine inten- sive Früherkennung. „Nur im Fall einer ein- deutig identifizierten Gen-Mutation ist die radikale Entfernung beider Brüste sinnvoll“, betont Professor Kühn. Für jede der rund 280 neuen Brustkrebspa- tientinnen, die jährlich am Klinikum Esslin- gen behandelt wird, erstellen die Mediziner der Frauenklinik in einer Tumorkonferenz gemeinsammit Strahlentherapeuten, Onko- logen, Pathologen und Chirurgen einen individuellen Therapieplan. Neben der intensiven medizinischen Betreuung durch die behandelnden Ärzte werden die Pati- entinnen am Klinikum Esslingen von Psy- choonkologen und Breast Care Nurses unterstützt. Breast Care Nurses sind spe- ziell ausgebildete Gesundheits- und Kran- kenpflegerinnen, die mit hoher Kompetenz die Frauen in der Behandlung und Nach- sorge unterstützen. „Für unsere Patientin- nen sind die Breast Care Nurses wichtige Ansprechpartner. Sie leisten einen sehr wichtigen Beitrag in der kontinuierlichen Versorgung unserer Patientinnen“, sagt Professor Kühn. Zudem sind Selbsthilfe- gruppen eng eingebunden. Medikamentöse Therapie Neben einer Operation und der anschlie- ßenden Bestrahlung ist die medikamentöse Therapie ein wichtiger Baustein. Detaillierte feingewebliche Untersuchungen der gene- tischen Anlagen des Tumors geben Auf- schluss, auf welche Art von Medikamenten der Tumor anspricht. So gibt es zum Beispiel Tumore, die gar nicht auf eine Chemothe- rapie ansprechen, dafür aber auf eine Hor- montherapie. Die Identifikation der spezi- fischen Rezeptoren an der Tumorzelle bildet die Grundlage für die Therapie. Die Analyse der Beschaffenheit des Tumors geht aber noch weiter: Die Experten können mit soge- nannten Biomarkern genau analysieren, wie gut oder schlecht der Tumor auf das verab- reichte Medikament reagiert. Die Dosis des Medikaments kann daraufhin angepasst werden oder die Gynäkologen können ein anderes, besser zum Tumor passendes Medikament, verabreichen. „Der große Vor- teil ist, dass wir nicht mehr im Gießkannen- prinzip Chemotherapie geben müssen, son- dern sehr gezielt vorgehen. So lassen sich auch die Nebenwirkungen reduzieren“, sagt der Experte. Die Entwicklung neuer Krebs- medikamente ist rasant. Allein 2018 wurden drei neue Substanzen zugelassen. Der Ein- satz dieser neuen Medikamente und das Abwägen der Vor- und Nachteile benötigt viel Expertise und Erfahrung. „Das wird immer komplexer und erfordert einen intensiven Austausch zwischen uns Brust- krebsexperten“, sagt er. International vernetzt Sehr aktiv ist das Esslinger Brustzentrum auch bei der Teilnahme an internationalen Studien. Fast die Hälfte aller Patientinnen werden im Rahmen von Studien behandelt. Bei der Insema-Studie, einer Studie zur wei- teren Verringerung der Lymphknotenope- ration, steht das Klinikum Esslingen auf Platz fünf der über 100 rekrutierenden Kli- niken in Deutschland und Österreich. Um die Techniken der schonenden operati- ven Eingriffe weiter zu verbessern und das Wohl der Patientinnen zu steigern, hat sich Professor Kühn mit internationalen Kolle- gen zusammengeschlossen. Auf seine Idee hin wurde im Herbst 2018 die Non-Profit- Organisation EUBREAST gegründet. Füh- rende europäische Brustkrebs-Chirurgen möchten sanftere Wege in der Brustkrebs- chirurgie erforschen und die Lebensqualität betroffener Frauen verbessern. Hierzu soll die europäische Zusammenarbeit in der Brustkrebsforschung verbessert, Aktivitä- ten abgestimmt und Kräfte gebündelt wer- den. Erster Vorsitzender von EUBREAST ist Professor Kühn. aw 1 2019 Esslinger Gesundheitsmagazin 15 Äthiopienprojekt der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) Während in Deutschland die Versorgung von Krebspatientinnen ausgezeichnet ist, sieht es in Äthiopien ganz anders aus. Bis vor kurzem gab es im ganzen Land keinen einzigen gynäkologischen Onkologen – es erkranken aber jährlich 70.000 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Um die Situation der betroffenen Frauen zu verbessern und die lokalen Ärzte in Operationstechniken zu schulen, reist Professor Thorsten Kühn regelmäßig nach Äthiopien. Unterstützt wird der dabei von weiteren Kollegen aus Deutsch- land. Unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologi- sche Onkologie (AGO) e.V. wurde ein Netzwerk mit den medizini- schen Hochschulen in Äthiopien aufgebaut, um einheimischen Gynäkologen/innen eine Spezialausbildung in der gynäko- logischen Tumortherapie zu ermöglichen. Die Geschäftsfüh- rung des Klinikums unterstützt das Projekt indem es regelmäßige Hospitationen äthiopischer Ärzte an der Frauenklinik ermöglicht. Spendenkonto Stadtsparkasse München IBAN DE56701500000012257051 Stichwort: „Projekt Äthiopien“ Klinikum Esslingen Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Chefarzt Professor Dr. Thorsten Kühn Telefon 0711 3103-3051 t.kuehn@klinikum-esslingen.de

RkJQdWJsaXNoZXIy MTU2Njg=