Ausgabe 1 >2019
1 2019 Esslinger Gesundheitsmagazin 17 Klinikum Esslingen Cancer Center Esslingen – CCE Leiter Professor Dr. Michael Geißler Telefon 0711 3103-2452 cancercenter@ klinikum-esslingen.de Hämatoonkologisches Zentrum (HZE) Leitender Oberarzt PD Dr. Swen Weßendorf s.wessendorf@ klinikum-esslingen.de Kontakt PD Dr. Swen Weßendorf Professor Dr. Michael Geißler duellen Gene, des Tumorgenoms des Pati- enten, unterstützt. „Das Tumorgenom ist inzwischen in fast 60 Prozent der Fälle der Schlüssel für die richtige Behandlung“, sagt Dr. Weßendorf. Je nach Art der erkannten Genmutation lassen sich Aussagen darüber treffen, ob eine bestimmte Chemotherapie oder ein bestimmtes neues Medikament Erfolg verspricht und wie die Prognose für den Krankheitsverlauf aussieht. Bei der Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL) können spezielle Antikörper beispielsweise die Oberfläche von Krebszellen erkennen und sie so gezielt zerstören, ohne andere Körperzellen zu beeinträchtigen. Unter- stützt wird diese Therapie durch spezielle Medikamente, sogenannte „Small Molecu- les“, die gezielt die „Wachstumsschalter“ der Krebszelle blockieren. „Der Trend geht damit eindeutig weg von der für die Pati- enten belastenden Chemotherapie.“ Denn die modernen Therapien, die gezielt beson- dere Krebsmechanismen behandeln, sind oftmals weniger aggressiv und weniger gif- tig für den Körper. „Allerdings wissen wir nicht immer so ganz genau, welche Schal- ter die Medikamente möglicherweise an gesunden Körperzellen umlegen.“ So kön- nen selten auch ungewöhnliche Nebenwir- kungen auftreten. Reduzierung der Chemotherapie Bei den Hodgkin-Lymphomen sind die Mediziner ebenfalls einen Schritt weiter. Die Chemotherapiezyklen werden dabei inman- chen Fällen von sechs auf vier reduziert. Möglich macht das der Einsatz eines spe- ziellen Bildgebungsverfahrens, des PET-CTs. „Etwa 90 Prozent der Patienten können danach auch bei fortgeschrittenen Stadien als geheilt entlassen werden.“ Chefarzt Pro- fessor Geißler ergänzt: „Auch bei aggressi- ven B-Zell Lymphomen ohne Risikofaktoren kann bei jüngeren Patienten aufgrund von Studien der Deutschen Lymphomgruppe, an denen wir teilgenommen haben, die Zahl der Chemotherapiezyklen ohne Nachteil von sechs auf vier reduziert werden.“ Auch hier zeigt sich, dass die wissenschaftliche Aus- richtung der Krebsmediziner am Klinikum Esslingen zur Weiterentwicklung der Krebs- medizin führt und für betroffene Patienten konkrete Vorteile mit sich bringt. Bei den Patienten mit akuter Leukämie sind die Erfolge noch nicht ganz so hoch. Zwar gelten auch hier viele Patienten nach der belastenden wochenlangen Therapie in der Klinik als geheilt. Die Erkrankung kann aber durchaus bei einem Teil der Patienten auch wieder aufflammen. Regelmäßige Kontroll- untersuchungen sind deshalb Standard. Rettung Knochenmarkspende Wird dann ein sogenanntes Rezidiv, also das Wiederauftreten der Leukämie erkannt, ist es mit erneuter Chemotherapie meist nicht getan. Dann steht für die Patienten als Alternative eine Knochenmarkstrans- plantation an. „Dazu arbeiten wir eng mit dem Universitätsklinikum Tübingen sowie der Universitätsklinik Ulm zusammen, wo die Patienten transplantiert und dann anschließend wohnortnah bei uns weiter- versorgt werden,“ erklärt Dr. Weßendorf. Einen Fremd- oder Familienspender dafür zu finden, ist imGegensatz zu einemOrgan- spender heute oftmals relativ einfach. In der bundesweiten Knochenmarkspenderdatei der DKMS sind acht Millionen potentielle Spender registriert. Zwar müssen auf der Suche nach einem Fremdspender eine Vielzahl von Gewebemerkmalen auf Über- einstimmung geprüft werden, dennoch findet sich oft die „Nadel im Heuhaufen“. Für die Patienten bietet die Knochenmark- spende die Chance auf Heilung. Die Trans- plantation aber ist wiederum vor allem nach Abschluss der Behandlung mit einer ganzen Reihe von Nebenwirkungen verbunden. Vor der Transplantation wird das eigene Immun- systemmit einer hochdosierten Chemothe- rapie zerstört. Dann erst kann das Knochen- mark des Spenders auf den Empfänger übertragen werden. Aber auch wenn die Übereinstimmungen zwischen Spender und Empfänger sehr hoch ist, bekämpft das fremde Knochenmark auch den Körper des Empfängers, wie die Haut, den Darm oder die Weichteile. Das wird als „Transplantat- gegen-Wirt-Reaktion“ bezeichnet oder mit der medizinischen Abkürzung GvHD (Graft- versus-Host-Disease). Die übertragenen Spenderzellen richten dabei ihre Immun- abwehr gegen den Organismus des Emp- fängers. Die aufwendige Nachbetreuung stammzeltransplantierter Patienten ist deshalb integraler Bestandteil des Häma- toonkologischen Zentrums des neu gegrün- deten Cancer Centers Esslingen. Etwa ein Drittel der Patienten leidet nach der Transplantation unter schweren Kom- plikationen, schätzt Dr. Weßendorf. Einem weiteren Drittel geht es einigermaßen gut, sie müssen noch lange viele Medikamente nehmen, die die Nebenwirkungen lindern und die Immunantwort auf das fremde Knochenmark unterdrücken. Und dann gibt es „das glückliche Drittel“, Patienten, die ganz geheilt ohne viele Medikamente ein weitgehend normales Leben führen. Murat Genc, der Patient, der auf den folgenden Seiten von seinem Kampf gegen die Leuk- ämie mit vielen Tiefschlägen berichtet, gehört zu diesem glücklichen Drittel. so
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