Ausgabe 1 >2019

1 2019 Esslinger Gesundheitsmagazin 43 Die letzten 60 Jahre haben gezeigt, dass die anfängliche Skepsis unbegründet war. 2,5 Millionen Menschen in Deutschland tragen einen Herzschrittmacher unter der Haut. Am Klinikum Esslingen ist für die Implantation von Schrittmachern Dr. Armin Wöhrle, gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Andre Schneider, Leiter der Herzkatheterlabore im Klinikum Esslingen, zuständig. Dr. Wöhrle ist Oberarzt auf der Intensivstation und leitet die Schrittmacher- ambulanz an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumo- logie unter Chefarzt Professor Dr. Matthias Leschke. Hohe Expertise bei der Implantation „Die heutigen Schrittmacher haben je nach Modell einen Durch- messer zwischen drei bis fünf Zentimetern. Die Höhe beträgt circa einen halben Zentimeter“, sagt Dr. Wöhrle. Im Herzkatheterlabor setzt er mit Hilfe einer Pflegekraft aus dem Herzkatheterlabor die Herzschrittmacher ein. Die Patienten erhalten anfänglich eine ört- liche Betäubung und danach wird ein kleiner Schnitt zwischen Brustmuskel und Schulter gesetzt. Unter Röntgenkontrolle schiebt er von dort aus, nach Präparation der Vena cephalica, ein Gefäß im Oberarm- und Schulterbereich, die Elektroden über die Vene an ihren vorbestimmten Platz im Herzen. „Dies alles geschieht unter Röntgenkontrolle. Auf großen Bildschirmen kann ich genau sehen, wo sich die Elektroden im Gefäß befinden“, sagt er. Die Elektroden können an verschiedenen Bereichen des Herzens ange- bracht werden, je nachdem wo die Ursache für die Herzrhythmus- störungen liegt und je nachdem welches Schrittmachersystem implantiert werden soll. Nachdem die Elektroden im Herzmuskel verankert wurden, werden sie mit Hilfe eines kleinen Drehmoment- schlüssels an das Schrittmacheraggregat angeschlossen. Das Aggregat wird anschließend unter die Haut geschoben und die Wunde durch Nähte wieder verschlossen. Die Batterie ist von außen tastbar und manchmal als Vorwölbung auch erkennbar. Die Implantation im Herzkatheterlabor dauert je nach System zwischen 15 und 30 Minuten. Ein bis zwei Nächte werden die Patienten im Anschluss noch stationär aufgenommen. „Der Ein- satz der besonderen sogenannten Dreikammer-Schrittmacher dagegen ist sehr viel aufwendiger und kann auch mal ein oder zwei Stunden dauern“, sagt er. Obwohl die OP im Vergleich zum offenen chirurgischen Eingriff in den Anfangszeiten der Schritt- macherimplantationen deutlich risikoärmer geworden ist, gibt es dennoch Risiken. Bei der Punktion der venösen Gefäße kann es in seltenen Fällen zu einer Verletzung des Rippenfells kommen, in dessen Folge es zu einem Pneumothorax kommen kann. Diese Komplikation muss man dann meist mit einer Thoraxdrainage beheben. Durch die Einlage der Elektroden in die Venen kann es zu Thrombosen im Oberarmbereich kommen, so dass gelegentlich dann Blutverdünnungsmedikamente verabreicht werden. Als seltenste Komplikation kann der Herzmuskel verletzt werden und dabei kann ein Herzbeutelerguss entstehen, der dann wiederum mit einer Herzbeuteldrainage behandelt werden muss. Individuelle Einstellungen für jeden Patienten Jeder Schrittmacher wird anschließend individuell programmiert. „Über 3.000 Parameter können wir einstellen“, sagt Dr. Wöhrle. Die Einstellung der elektronischen Impulse ist abhängig von der Erkrankung sowie dem Alter und dem Gesundheitszustand und der zu Grunde liegenden Herzrhythmusstörung. Hinzu kommen weitere Anforderungen an die Programmierung. „Mit einem Herz- schrittmacher kann man heutzutage sehr gut Sport machen. Denn die heutigen Schrittmacher erhöhen unter Bewegung die Frequenz und passen sich an die körperlichen Leistungen an“, sagt Profes- sor Dr. Matthias Leschke. In den Elektroden befinden sich Piezo- Kristalle als Sensoren, die auf Bewegung reagieren. Professor Leschke behandelt Patienten, die mit einem Herzschrittmacher weiterhin Marathon laufen können. Die Implantation und Pro- grammierung ist sehr anspruchsvoll und benötigt viel Erfahrung. Dr. Wöhrle und sein Kollege Dr. Schneider nehmen jährlich 400 invasive Eingriffe vor und führen circa 2.500 Schrittmacher- Kontrollen durch. Grundsätzlich kann jeder Patient einen Schrittmacher erhalten. Die Leitlinien der kardiologischen Gesellschaft besagen, dass der Patient jedoch eine Lebenserwartung von mindestens einem Jahr haben soll. „Selbstverständlich besprechen wir jeden Fall indi­ viduell und beziehen die Bedürfnisse des Patienten eng in die Empfehlung und Entscheidung zur Implantation mit ein“, sagt Professor Leschke. Alle sechs Monate sollte die Funktion des Herzschrittmachers kontrolliert werden: Wie ist die Batterieleistung, sitzen die Elek- troden noch an der richtigen Stelle und müssen die Frequenzen neu eingestellt werden, gab es Rhythmusstörungen? „Heutzutage halten die Batterien der Schrittmacher zwischen sechs bis zwölf Jahre, abhängig von der Häufigkeitsstimulation und der Energie- stärke, die nötig ist, um eine Herzaktion auszulösen. Wenn wir bei den Kontrollen erkennen, dass die Batterieenergie zu Ende geht, dann tauschen wir das komplette Schrittmacheraggregat, in dem die Batterie verbaut ist, aus. Die Elektroden, die Kabel zum Herzen, haben dagegen eine Lebenszeit von bis zu zwanzig Jah- ren oder mehr“, sagt Dr. Wöhrle. >>> „Mit einem Herzschritt- macher kann man heutzutage sehr gut Sport machen. Denn die heutigen Schrittmacher erhöhen unter Bewegung die Frequenz und passen sich an die körperlichen Leistungen an.“ Dr. Armin Wöhrle Professor Dr. Matthias Leschke

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