Ausgabe 1 >2019

Kann ich mich vor einer MS-Erkrankung schützen? Eine wirkliche Vorbeugung gegen die Erkrankung gibt es noch nicht. Das nicht zuletzt auch deshalb, weil der oder die Krankheitsauslöser nicht hinreichend bekannt sind. Auch hier wird eine genetische Komponente ver- mutet. So steigt das Risiko an MS zu erkranken, wenn beide Elternteile an der Erkrankung leiden deutlich an. Ja, und auch für MS gilt natürlich das Rauchen als Risi- kofaktor. Eine gesunde Lebensweise und Ernährung (reich an Antioxidantien, Einhaltung eines normalen Vitamin-D Spiegels) gilt als gewisse Vorbeugung. Der Umzug näher an den Äquator könnte auch vorbeugen, müsste dann aber wohl schon in ganz jungen Jahren erfolgen. Denn je näher am Äquator, desto geringer ist die Rate der MS-Erkrankungen. 8 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 2019 >>> Kommt es doch zu einem Krankheitsschub, ist Kortison das gängi- ge Mittel. Als akute Schubtherapie erhalten die Patienten über drei bis fünf Tage ein hochdosiertes Kortison-Präparat, das die akute Entzündung bekämpft. Manchmal ist dazu dann auch ein stati- onärer Klinikaufenthalt nötig. Reicht die Kortisontherapie nicht aus, kann bei einem schweren Schub eine Plasmapherese in der Klinik angewandt werden. Dabei werden entzündungsfördernde Antikörper aus dem Blutplasma ausgefiltert. Der Verlust wird an- schließend durch fremdes Plasma ergänzt. Bei hochaktiven Verlaufsformen der MS mit häufigen Krankheits- schüben stehen seit gut zehn Jahren neue, hochwirksame MS- Medikamente zur Prophylaxe zur Verfügung. Diese werden meist als Infusion im Abstand von Wochen oder Monaten verabreicht und beeinflussen das Immunsystem im Bereich des Nervensys- tems oder darüber hinausgehend. Die Verträglichkeit dieser stark wirksamen Substanzen ist im Vergleich zur hohen Wirksamkeit immer noch gut, jedoch sind Nebenwirkungen wie z.B. die Reakti- vierung stummer Virus-Infektionen des Gehirns in seltenen Fällen möglich. Für die Zukunft erwartet Professor Reinhard auch bei der Multiplen Sklerose mehr individualisierte Therapiemöglichkeiten. Dann, so die Hoffnung, muss weniger ausprobiert werden, bis eine Therapie die bestmögliche Wirkung zeigt. Alternative Therapien Zusätzlich zu den wissenschaftlich geprüften Therapien existie- ren zahlreiche alternative Behandlungen. Die beiden Neurologen halten wenig von wissenschaftlich bislang nicht geprüften Thera- pieangeboten, die auch bei MS allenthalben kursieren, wie etwa die „Ultrahochdosis-Vitamin-D-Behandlung“ nach dem Coimbra- Protokoll. Neben der medikamentösen Therapie und regelmäßiger Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie könne die zusätzli- che Vitamin D-Gabe aber durchaus hilfreich sein, insbesondere wenn ein niedrig normaler oder reduzierter Vitamin D-Spiegel im Blut vorliegt. Dass Vitamin D, das der Körper auch selbst durch das Sonnenlicht bildet, für die MS-Behandlung eingesetzt wird, liegt an Beobachtungen zur regionalen Verteilung der Krankheits- häufigkeit. Je näher Menschen nämlich am Äquator leben, desto seltener erkranken sie an Multipler Sklerose. Andererseits ist das MS-Risiko in Skandinavien besonders hoch. Die meisten MS- Erkrankungen bezogen auf die Einwohnerzahl gibt es im Norden Schottlands. Ähnlich urteilen Professor Reinhard und Dr. Ahlert auch über extreme Diäten, die manchmal empfohlen werden. Eine ausgewogene, gesunde „mediterrane“ Ernährung dagegen könne die Erkrankung positiv beeinflussen. Auch ist ein entzündungs- hemmender Effekt auf die MS durch das Nahrungsergänzungs- mittels Propionsäure, welches das Darm-Immunsystem positiv beeinflusst, derzeit Gegenstand der Forschung. MS-Patienten sind meist selbst sehr rührig, in starken Selbst- hilfegruppen, wie der AMSEL, organisiert und „Experten ihrer Erkrankung“. Sie tauschen sich aus und suchen oft auch selbst nach neuen Behandlungsoptionen. Bei allen immer besseren Be- handlungsmöglichkeiten gehen jedoch auch nicht alle Krankheits- schübe glimpflich aus. Oft leiden die Betroffenen anschließend unter neurologischen Ausfällen und sind in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Denn die meisten MS-Verläufe sind anfänglich schubförmig, seltener primär chronisch progredient. Aber auch der anfänglich schubförmige Verlauf kann, muss aber nicht in eine sekundär chronisch progrediente Form übergehen. Ein pro- gredienter, also fortschreitender Verlauf heißt für den Patienten, dass beispielsweise die Gehfähigkeit schleichend schlechter wird, weil mit jedem Schub mehr Neuronenhüllen und schließlich auch die Neuronen, also die Nervenbahnen selbst, zerstört werden. Re- gelmäßig ergänzen daher Reha-Maßnahmen die MS-Behandlung, in der die Ausfälle und die Einschränkungen der Beweglichkeit mit gezielter Physiotherapie, mit Logopädie und Ergotherapie behan- delt werden. so Klinikum Esslingen Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie Chefarzt Professor Dr. Matthias Reinhard Telefon 0711 3103-2551, -2550 neurologie@klinikum-esslingen.de Kontakt MVZ Neurologie Dr. Tino Ahlert Facharzt für Neurologie Telefon 0711 3103-2907 Telefax 0711 3103-2913 neurologie@mvz-ke.de

RkJQdWJsaXNoZXIy MTU2Njg=