Ausgabe 1 >2020

10 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2020 Der jahrelange Leidensweg von Nurka Mihic ist typisch für Patientinnen mit Endometriose. Vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung vergehen im Durchschnitt sechs Jahre, bei Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch sind es etwa drei Jahre, bei Schmerzpatientinnen bis zu zehn Jahre, so die Einschätzung der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. Endometriose wird häufig auch als Chamäleon bezeichnet: Die Symptome können nicht eindeutig zugeordnet werden. „Hinzu kommt, dass die Diagnosestellung nicht einfach ist. Eine Ultraschalluntersuchung reicht meist nicht aus“, sagt Professor Dr. Thorsten Kühn, Chefarzt der Klinik für Frauen- heilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Esslingen. Häufig bringt erst eine Bauchspiegelung die Gewissheit. Für viele Patientinnen und Ärzte ist die Bauchspiegelung als operativer Eingriff eine Hemmschwelle, wodurch sich die Diagnosestel- lung zusätzlich in die Länge ziehen kann. Häufig wird die Erkrankung erst im Zusammenhang mit einer ungewollten Kinderlosigkeit festgestellt. Ursache noch unbekannt Endometriose ist eine chronisch-fortschreitende Erkrankung, die eine sogenannte hormonelle Exposition hat, das heißt die Schleimhautherde wachsen abhängig vom Hormonzyklus der Frau. Sie wirkt sich auch auf das Immunsystem aus, weshalb Endometriose auch als systemische Erkrankung bezeichnet wird. „Die Endometriose ist solange aktiv, bis die Frau in die Wech- seljahre kommt“, sagt Dr. Vollmer. Die Schleimhautherde führen zu andauernden Entzündungsprozessen im Unterleib, wodurch auch die Beschwerden unabhängig von der Periode zu erklären sind. Die Schleimhautherde können in Organe wie Darm und Blase hineinwachsen. „Das beeinträchtigt stark die normale Organtätigkeit und führt zu zahlreichen Komplika­ tionen“, sagt Dr. Vollmer. Die Ursache der Erkrankung ist unklar. Es gibt zunehmend Forschung und man geht von einem multifaktoriellen Grund aus. „Immer wichtiger werden die genetischen Analysen, um die Ursache von Endometriose festzustellen“, sagt Professor Kühn. Bereits jetzt weiß man, dass es zu familiären Häufig- keiten kommt; das bedeutet aber nicht, dass die Tochter einer betroffenen Frau zwangsläufig an Endometriose leiden wird. Interdisziplinäre Behandlung „Dass sich die Erkrankung bei jeder Patientin anders äußert, macht auch die Therapie komplex und schwierig. Auf Stan- dards kann man da nicht zurückgreifen“, betonen sowohl Professor Kühn wie auch Dr. Vollmer. So ist eine starke Aus- prägung der Endometrioseherde nicht gleichbedeutend mit belastenden Symptomen. Interdisziplinär erstellen Dr. Vollmer und Professor Kühn gemeinsam mit Kollegen aus der Chirurgie, Radiologie und Urologie einen Behandlungsplan. Im Vordergrund steht die aktuelle Lebensphase der Patientin. Besteht ein Kinder- wunsch oder geht es primär um die Symptomkontrolle? Zur Therapie stehen verschiedene Optionen zur Verfügung, die individuell an die Frauen angepasst werden. Da die Schleim- hautherde abhängig vom weiblichen Geschlechtshormon Dr. Miriam Vollmer (links) im Gespräch mit Nurka Mihic >>>

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