Ausgabe 1 >2020
1 | 2020 Esslinger Gesundheitsmagazin 25 Am Klinikum Esslingen nehmen daher viele Patienten, die älter als 80 sind, an einem sogenannten Geriatrischen Frührehabilitativen Komplexprogramm teil. Bei jüngeren Patienten wird individuell geprüft, ob die Behandlung notwendig ist. Zu Beginn der Therapie kommt ein interdisziplinäres Team aus Neurologen und Geriatern, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten, speziell geschul- ten Pflegekräften, Psychologen und Sozialarbeitern zusammen. „Gemeinsam nehmen wir eine Einschätzung der bestehenden Gesundheitsprobleme vor und legen für jeden Patienten individu- elle Behandlungsziele und einen Behandlungsplan fest. Während der Behandlungsphase bespricht sich das Team regelmäßig“, berich- tet Dr. Wortha-Weiß. Das vierzehntägige Programm umfasst mehr als 20 Therapieeinheiten und beginnt möglichst zeitnah nach der Aufnahme ins Krankenhaus oder nach einer Operation. Entlassmanagement Wie geht es nach dem Krankenhausaufenthalt weiter? Kann der Patient sich zuhause weiterhin selbstständig versorgen, gibt es Angehörige, die sich kümmern oder muss eine Unterbringung im Heim organisiert werden? Viele Fragen. „Bei geriatrischen Kran- kenhauspatienten beginnt die Entlassplanung bereits mit der Aufnahme“, sagt Dr. Wortha-Weiß. Die Geriaterin, die in Esslin- gen bestens vernetzt ist, übernimmt dabei eine koordinierende Rolle. Sie sieht sich als Schnittstelle zwischen Patienten, Ange- hörigen, Sozialdienst, ambulanten Einrichtungen und lokalen Hilfsangeboten. Darüber hinaus ist es ihr ein Anliegen, die Patienten auch psychisch zu unterstützen: „Ein Krankenhaus- aufenthalt bedeutet für betagte Patienten oft einen schweren Einschnitt. Wenn jemand aus seinem Haus ausziehen muss oder durch einen Unfall dauerhaft an Mobilität einbüßt, hilft es aber nichts, rosarote Wolken vor zu malen. Stattdessen versuche ich, sachlich zu beraten, Mut zu machen und aufzuzeigen: Die Situation ist nicht ausweglos.“ lj Rechtzeitig vorbeugen: Postoperatives Delir Das Geriatrie-Screening kann zum Beispiel Hinweise auf ein erhöhtes Delir-Risiko liefern. Ein Delir ist ein Verwirrtheitszu- stand, der nach einem operativen Eingriff auftreten kann. Ältere Patienten sind davon häufiger betroffen als jüngere, liegen bereits kognitive Einschränkungen vor, steigt der Risikofaktor. Auch Infekte, Dehydrierung, Schlafprobleme, Schmerzen oder bestimmte Medikamente haben einen negativen Einfluss. Normalerweise ist ein Delir ein vorübergehender Zustand, doch können insbesondere bei älteren Patienten Komplikationen oder bleibende Einschränkungen eintreten. Die gute Nachricht: Bereits vor der Operation gibt es Möglich keiten gegenzusteuern und das Risiko für ein Delir zu senken – zum Beispiel indem bestimmte Medikamente abgesetzt werden. „Auch zu wenig Nahrung und Flüssigkeit können ein Delir begünstigen. Wir achten bei Risikokandidaten daher darauf, die Zeit, in der der Patient nüchtern ist, möglichst kurz zu halten. Außerdem setzen wir auf schonende Narkose- und OP-Verfahren“, so Dr. Wortha- Weiß. Nach der Operation helfen schnelle Reorientierungsmaß- nahmen: Die Brille und das Hörgerät direkt nach dem Aufwachen bereitzuhalten oder einen Kalender und eine Uhr im Zimmer kön- nen hilfreich sein. „Wichtig ist, dass alle beteiligten Ärzte und Pflegefachkräfte sensibilisiert sind. Das erreichen wir mit speziel- len Schulungen zum Thema Delir“, so Dr. Wortha-Weiß. Negativspiralen verhindern: Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung Ob Schlaganfall oder Oberschenkelhalsbruch: Schwere Akut ereignisse können bei älteren Menschen gesundheitliche Ketten- reaktionen in Gang setzen. Denn wer für längere Zeit bettlägerig ist, baut Muskeln und Knochen ab. Man wird „wackelig“ auf den Beinen und schränkt, aus Unsicherheit, die Bewegung auf ein Mindestmaß ein. Gangunsicherheiten verfestigen sich dadurch, es droht ein Verlust an Alltagskompetenz und Selbstständigkeit. „Je früher wir mobilisieren und mit rehabilitativen Maßnahmen wie Ergotherapie, Physiotherapie oder aktivierender Pflege beginnen, desto besser können wir solche Negativspiralen durch brechen“, so Dr. Wortha-Weiß. Dr. Sieglind Zehnle Dr. Ulrike Wortha-Weiß „ Je früher wir mobilisieren und mit rehabilitativen Maßnahmen oder aktivierender Pflege beginnen, desto besser können wir Negativ spiralen durchbrechen.“ >>>
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