Ausgabe 1 >2020

Christian Philipp Jüttner 1 | 2020 Esslinger Gesundheitsmagazin 29 Auf den ersten Blick unterscheiden sich die öffentlichen Apotheken und die Krankenhausapotheke am Klinikum Esslingen erstmal nicht. In großen Regalreihen werden viele verschiedene Medikamente gelagert. Doch wenn man genauer hinschaut, dann erfährt man, dass die Aufgaben einer Kran- kenhausapotheke sich stark von denen einer öffentlichen Apotheke unterscheiden. „Einer der Unterschiede ist, dass wir per Gesetz ausschließlich die Patienten des Klinikum Esslingen versorgen dürfen“, sagt Christian Philipp Jüttner. Er ist seit November 2019 Leiter der Krankenhausapotheke. Zudem variieren dieMengen an bestimm- ten Medikamenten, aber auch die Art. In der Krankenhaus­ apotheke sind zum Beispiel andere Antibiotika sowie Viren- und Pilzmittel vorrätig und es werden spezielle Infusionslösungen gelagert. „In einem besonders gesicherten Raummit Tresor liegen die Betäubungsmittel, die für Patienten gedacht sind, die eine intravenöse Schmerztherapie erhalten“, sagt der Apotheker. Zu diesen Betäubungsmitteln gehört unter anderem Morphium. Der Durchschnittsbedarf aller wichtigen Medikamente ist für 14 Tage immer vorrätig – das ist eine Richtlinie des Katastro- phenschutzes und steht zudem im Gesetz. Die Versorgung der Stationen mit Medikamenten wird auch als pharmazeutische Logistik bezeichnet. Herstellung von individuellen Medikamenten In der Krankenhausapotheke im Klinikum Esslingen werden in einem speziellen Reinraum unter hohen Sicherheits- und Hygi- enevorkehrungen von den Mitarbeitern auch Medikamente für die Therapie von Krebspatienten hergestellt. Diese sogenannten Zytostatika werden für jeden Patienten nach individuellen Vor- gaben, angepasst an die Art der Krebserkrankung, produziert. Der Reinraum ist steril und die Pharmazeutisch-Technischen- Assistentinnen, kurz PTA, tragen bei der Herstellung Reinraum- kleidung. Fast 12.000 Zytostatika- und Infusionslösungen wurden 2019 so hergestellt. Ändert sich das Blutbild des Krebspatienten, bekommt er Fieber oder ist die Nierenfunktion beeinträchtigt, kann durch die Herstellung in der hauseigenen Apotheke die Dosierung des Medikaments schnell an die Gesundheitssituation des Patienten angepasst werden. Auch die Nahrung für die Frühchen, die im Perinatalzentrum Level I des Klinikum Esslingen behandelt werden, stellt die Krankenhaus- apotheke individuell her. Diese Spezialnahrung, auch Parente- rale Ernährung genannt, wird zunächst als Defektur, also als Großbestellung mit bis zu 100 Beuteln, vorbereitet und dann an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst. Die Frühchen und Kinder erhalten über diese Infusionen alle wichtigen Nährstoffe, das heißt Kohlenhydrate, Proteine, Fette, Vitamine, Mineralien, Spurenelemente und Wasser. „Für die Kinderklinik werden weitere Medikamente speziell produziert“, sagt Jüttner. Dazu gehören Kapseln, Salben und Lösungen. Denn viele Medika- mente sind für Kinder nicht zugelassen und Dosierung und Dar- reichungsformmüssen für die kleinen Patienten erstellt werden. Die Apotheke erhält von den Kliniken eine ärztlich freigegebene Liste der zu produzierenden Medikamente. „Wir Apotheker über- prüfen die Plausibilität, das heißt die Zusammensetzung und Dosierung der Inhaltsstoffe“, sagt Jüttner. Und auch nach der Herstellung wird alles noch einmal kontrolliert, bevor die bestell- ten Medikamente an die Stationen geliefert werden. So werden Qualität und Patientensicherheit durch die Apotheke garantiert. Neben der Herstellung von speziellen Medikamenten kümmert sich die Apotheke auch um die tägliche Arzneimittelversorgung für die Stationen. Bestellungen erfolgen im Voraus und werden von den PTAs zusammengestellt. Bevor die Lieferung an die jeweilige Station geschickt wird, kontrolliert ein Apotheker, ob Bestellliste und Lieferung übereinstimmen. Standardbestellun- gen werden innerhalb eines Tages, Sonderbestellungen so schnell wie möglich bearbeitet. Zu den Sonderbestellungen zählen zum Beispiel spezielle Antibiotika oder Augentherapeutika. Auch an der Durchführung von klinischen Studien, anhand derer neue Therapieverfahren für die Behandlung von Krebs­ patienten erforscht werden, arbeitet die Krankenhausapotheke mit. Denn die Zusammensetzung der intravenösen Medika- mente, die als neue Therapien getestet werden sollen, können nicht beim Großhändler bestellt werden, sondern müssen indi- viduell von den Mitarbeitern der Krankenhausapotheke herge- stellt werden. „Zurzeit sind wir an 30 klinischen Studien betei- ligt“, sagt Apotheker Jüttner. Beratung bei der Medikation Alle Apothekerinnen und Apotheker absolvieren die dreijährige Weiterbildung zum „Fachapotheker für Klinische Pharmazie“, um komplexe Krankheitsbilder besser beurteilen und die >>> Die Krankenhausapotheke: Zahlen, Daten, Fakten › › 13 Mitarbeiter: 5 Apothekerinnen und Apotheker 5 Pharmazeutisch-technische-Assistenten (PTA) 2 Pharmazeutisch-kaufmännische- Assistenten (PKA) 1 Lagerist in Ausbildung › › Medikamentenvorrat für 14 Tage › › 2.850 Lagerartikel › › ca. 12.000 Zubereitungen an Medikamenten › › ca. 2.000 Defekturen (Großbestellungen) › › Medikamente werden bei 25 Grad Raum­ temperatur gelagert, Insulin, Impfstoffe und sehr teure Medikamente (Antikörper) in speziellen Kühlschränken bei 2 bis 8 Grad

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