Ausgabe 1 >2020

Ausgangslage: Bereits in den letzten Jahren hat sich die Bevölkerungsstruktur in Deutschland verändert. Die Lebenserwartung steigt an, gleichzeitig kommen weniger Kinder zur Welt. Durchschnittlich bekommt eine Frau in Deutschland 1,57 Kinder. Obwohl dieser Wert in den letzten Jahren gestiegen ist und wieder mehr Kin- der geboren werden, wird die Gesellschaft in Deutschland älter. Jede zweite Person in Deutschland ist heute älter als 45 und jede fünfte älter als 65 Jahre, so das Statistische Bundesamt. Die Anzahl der Menschen über 70 Jahre ist zwischen 1990 und 2018 von acht auf 13 Millionen gestiegen. Neugeborene Mäd- chen haben aktuell eine Lebenserwartung von 83,3 Jahren und neugeborene Jungen von 78,5 Jahren, so die Statistiker des Bundesamtes weiter. Der Anstieg der Lebenserwartung in Deutschland ist auf ver- schiedene Gründe zurückzuführen, dazu zählen die bessere Gesundheitsversorgung, der medizinische Fortschritt, ver- änderte und verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie Frieden. Viele der älteren Menschen in Deutschland sind auf Hilfe und Pflege angewiesen. Während in den vergangenen Jahrzehnten die Pflege und Betreuung vielfach durch – vor allem – weibliche Angehörige übernommen wurde, zeigt sich bereits jetzt die Ten- denz zur professionellen Pflege und Betreuung der älteren Men- schen. 2017 waren 3,3 Millionen Frauen und Männer auf Pflege angewiesen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos rechnet damit, dass es 2045 fünf Millionen Menschen sein werden. Aber bereits aktuell fehlt es an Pflegekräften. 2018 waren in Deutschland 1,6 Millionen Pflegekräfte in der Kranken- und Altenpflege sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Beschäftigung ist weitergewachsen. Aber: 183 Tage brauchen Altenheime, um eine freie Stelle in der Pflege zu besetzen, wie die Bundesagentur für Arbeit ermittelt hat. Und durch die erwar- tete Zunahme an pflegebedürftigen Menschen wird sich die Lage weiter zuspitzen. Nach einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) könnten im Jahr 2035 in den Pflege- und Gesundheitsberufen rund 270.000 Fachkräfte fehlen. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung rechnet sogar mit einer Lücke von 500.000 Vollzeit- kräften, wenn sich die Zahl der Pflegebedürftigen wie prognos- tiziert erhöht. Entgegensteuern will die Bundesregierung unter anderem mit der Rekrutierung von Pflegepersonal aus dem Ausland. Mit dem Programm „Triple Win“ wirbt die Bundesagentur für Arbeit in Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammen- arbeit (GIZ) Pflegekräfte aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, den Philippinen und Tunesien an. Das Projekt läuft seit 2013. Das Bundesfamilienministerium, das Bundesarbeitsministerium und das Bundesgesundheitsministeriumwerben in einer gemein- samen Kampagne „Konzentrierte Aktion Pflege“ für eine Aus- bildung im Pflegebereich. Zudem hat die Bundesregierung das Pflegepersonalstärkungsgesetz verabschiedet, um die Arbeits- bedingungen in der Pflege zu verbessern. Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz: Die Bundesregierung hat das sogenannte Pflegepersonal- Stärkungsgesetz als Sofortprogramm zur Verbesserung des Alltags von Pflegekräften in Krankenhäusern und in der Alten- pflege verabschiedet. Durch eine verbesserte Personalausstat- tung und Arbeitsbedingungen soll die Betreuung von Patienten und Pflegebedürftigen weiter verbessert und die Fachkräfte entlastet werden. „Jede vollstationäre Altenpflegeeinrichtung in Deutschland soll im Rahmen des Sofortprogramms profi­ tieren“, heißt es in einer Gesetzeszusammenfassung des Bundesgesundheitsministeriums. Das Gesetz sieht folgendes vor: Einrichtungen mit bis zu 40 Bewohnern erhalten eine halbe Pflegestelle, Einrichtungen mit 41 bis 80 Bewohnern eine Pfle- gestelle. Eineinhalb Pflegestellen bekommen Einrichtungen mit 81 bis 120 Bewohnern finanziert und Einrichtungen mit mehr als 120 Bewohnern erhalten zwei Stellen zusätzlich. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass auch Teilzeitstellen aufgestockt werden können. Denn viele Pflegekräfte arbeiten in Teilzeit. So sollen 13.000 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Ziel des Gesetzes ist es, insbesondere den Aufwand für die medizinische Behandlungspflege teilweise abzudecken und so die Pflegekräfte zu entlasten. Finanziert werden die Stellen durch einen Betrag, den der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) an den Aus- gleichsfonds der Pflegeversicherung zahlt. Die GKV erhebt dazu bei Krankenkassen eine Umlage pro Versicherten. Die private Pflegeversicherung beteiligt sich anteilig entsprechend der Anzahl der pflegedürftigen Menschen an der Finanzierung, so das Bundesgesundheitsministerium. Die Pflegedürftigen werden nicht finanziell belastet. Für die stationären Pflegeeinrichtungen soll das Verfahren zur Beantragung der zusätzlichen Stellen unbürokratisch und schnell ablaufen, heißt es vom zuständigen Ministerium. Thilo Naujoks >>> 1 | 2020 Esslinger Gesundheitsmagazin 37 „Wir legen den höchsten Personal- schlüssel zugrunde, denn nur dann können wir gute Pflege garantieren.“

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