Ausgabe 1 >2020

1 | 2020 Esslinger Gesundheitsmagazin 45 Seit 25 Jahren gehört Joggen zum Leben von Claudia Benditt. Doch ihre Krebserkrankung und die Nebenwirkungen der Behand- lung erlauben es ihr nicht mehr, durch die Wiesen und Weinberge in Esslingen zu laufen. „Ich habe immer viel Sport gemacht und wollte auch während der Behandlung nicht komplett darauf ver- zichten“, sagt sie. Und so fängt sie an, spazieren zu gehen und steigert das Tempo von Mal zu Mal bis zum Walking. Claudia Benditt spürt, wie die Bewegung ihr gut tut. Durch die Chemo- therapie fühlt sie sich müde und abgeschlagen und leidet unter starken Gliederschmerzen. „Während dem Walken und danach habe ich mich gut gefühlt und die Nebenwirkungen der Chemo- therapie sind viel schneller abgeklungen. Und auch emotional und psychisch kam ich dadurch gut durch diese Lebensphase“, sagt sie heute. Rückendeckung für ihr Sportprogramm hat sie sich von ihrem behandelnden Arzt Professor Dr. Thorsten Kühn geholt. Professor Kühn ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und ein Experte für die Behandlung von gynäkolo- gischen Krebserkrankungen. „Sport hilft den Patientinnen besser durch die Erkrankung zu kommen und weiterhin im Leben zu blei- ben“, sagt er. In immer mehr Studien erforschen Mediziner die Wirkung von Sport und Entspannung bei Krebspatienten. Unter anderem hat man herausgefunden, dass die Rückfallquoten von Brustkrebspatientinnen durch Bewegung sinken. Im Rahmen der Initiative EUBREAST, einem Zusammenschluss von europäischen Brustkrebsexperten, erforscht Professor Kühn zurzeit, ob Brust- tumore besser auf die Chemotherapie ansprechen, wenn die Frauen während der Therapie sportlich aktiv sind. Wie die Erfahrungen vieler seiner Brustkrebspatientinnen und internationale Studien zeigen, hilft die Bewegung gegen das sogenannte Fatigue-Syndrom und depressive Verstimmungen. Die Patientinnen fühlen sich müde, schlapp und kraftlos – häu- fig eine Nebenwirkung der medikamentösen Behandlung. Akti- vität, am besten in der Gruppe, gibt Kraft und erzeugt ein gutes Gefühl. „Die Frauen tauschen sich aus und haben gemeinsam Spaß. Wichtige Bausteine im Kampf gegen den Krebs“, sagt er. Gestärkt durch das Wissen, dass die positive Wirkung von Bewe- gung bei Krebs belegt ist, reift in Claudia Benditt das Bedürfnis, ihre positiven Erfahrungen mit Walking und Nordic-Walking an andere Krebspatientinnen weiterzugeben. Sie erlernt die Tech- niken des Nordic-Walking und nimmt an einem Kurs teil, in dem sie sich zur Onko-Walking-Kursleiterin weiterbilden lässt. Entspannung durch Yoga Krebspatientinnen auf ihrem Genesungsweg zu unterstützen ist auch Claudia Groninger ein Anliegen. Sie hat während ihrer eigenen Tumortherapie die positive Wirkung des Yoga für sich genutzt. Die Diagnose Brustkrebs löste in ihr, wie bei den meis- ten Patientinnen, zunächst große Angst und Unruhe aus. „Meine Gedanken begannen zu kreisen, um all die Dinge, die diese Dia- gnose noch mit sich bringen könnte und wieviel Lebenszeit mir dann noch bleibt.“ Nachdem Yoga schon viele Jahre als Ausgleich zu Beruf und Familie Teil ihres Lebens geworden ist, versucht sie nun auf diesem Weg das Gedankenkarussell zu stoppen und wieder in eine innere Balance zu kommen. Dabei lässt sie sich von erfahrenen Yogalehrenden begleiten. Durch die Bewegun- gen und die Atemübungen schafft sie es, wieder mehr Distanz und Gelassenheit zu gewinnen sowie in ein optimistisches Lebensgefühl zurückzufinden. „Yoga hat mir geholfen, mich selbst zu regulieren. Ich kann zu jedem Zeitpunkt entscheiden, welchen Gedanken ich Raum geben möchte.“ Und auch ihrem Körper haben die Bewegungsabläufe, im Yoga „Asanas“ genannt, gutgetan. Durch die Antihormontherapie war ihr Körper steif und unbeweglich geworden. Die harmonisierende und entspannende Wirkung der aus Indien stammenden philosophischen Lehre des Yoga gibt Claudia Gro- ninger gerne an andere Krebspatienten weiter und dies nicht nur aufgrund ihrer eigenen positiven Erfahrung. Denn zahleiche Stu- dien belegen heute die gute Wirkung von Yoga auf Körper und Psyche gerade auch als begleitende Maßnahme bereits während der Chemotherapie und Bestrahlung. Claudia Groninger absol- viert eine Ausbildung im tibetischen Heilyoga sowie im Hatha Yoga und intensiviert ihr Wissen in einer Fortbildung zum Thema „Yoga und Krebs“. Hier lernt sie, wie sich aktuelle medizinische Erkenntnisse mit dem ganzheitlichen Gesundheitssystem des Yoga zum Nutzen von Krebspatienten verbinden lassen. Angebot „Bewegt Gesund“ Sein Wissen und die Erfahrung seiner Patientinnen kanalisiert Professor Kühn im Sommer 2019 im Angebot „Bewegt Gesund“. „Es soll ein ganzheitliches Therapieangebot sein und wir wollen die betroffenen Frauen zusammenbringen.“ Der Chefarzt spricht seine ehemaligen Patientinnen Claudia Benditt und Claudia Groninger an und gründet eine Arbeitsgruppe. Mitglied der Arbeitsgruppe ist auch Sigrid Fiala. Sie organisiert seit Jahren das Esslinger Lauffieber, welches in diesem Jahr zum neunten Mal stattfindet. Seit 2018 kommt der Spendenerlös des Laufes dem Brustkrebszentrum am Klinikum Esslingen unter der Lei- tung von Professor Kühn zugute. „Beim Lauffieber stehen Spaß und Freude im Vordergrund“, sagt Professor Kühn. „So soll es auch bei unseren Angeboten für Krebspatientinnen sein.“ Beim Lauffieber 2020 wird Professor Kühn gemeinsam mit seinen Kollegen von EUBREAST laufen und so Spenden für die Behand- lung von Brustkrebspatientinnen sammeln. >>> Professor Dr. Thorsten Kühn Dr. Bettina Braun

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