Ausgabe 1 >2020

1 | 2020 Esslinger Gesundheitsmagazin 49 Kontakt Dr. Arndt Pussert Dr. Gergely Bodon eingebracht, die durch Längsstäbe ver- bunden sind. Als Ersatz für verschlissene Bandscheiben bekommt der Patient oft sogenannte Cages eingesetzt, abstüt- zende Implantate aus Metall oder Kunst- stoff. Dr. Pussert erklärt: „Unser Ziel ist es, für jeden Patienten die individuell pas- sende Behandlung zu finden – manchmal kann das eine Versteifung sein, manchmal eine andere Therapieform.“ „Zu einer Spondylodese raten wir nur, wenn die Destabilisierung der Lendenwir- belsäule sehr weit fortgeschritten ist. Ein Beispiel: Die Bandscheiben haben schon so viel an Höhe verloren, dass Wirbel auf Wirbel reibt“, sagt Dr. Gergely Bodon, der gemeinsammit Dr. Pussert die Wirbelsäu- lenchirurgie am Klinikum Esslingen leitet. Eine Spondylodese ist nicht umkehrbar und schränkt die Beweglichkeit der Wir- belsäule dauerhaft ein. Dr. Bodon will keine falschen Hoffnungen wecken: Die OP kann nicht den „Originalzustand“ der Wirbelsäule wiederherstellen. Dement- sprechend sei die postoperative Unzufrie- denheitsrate der Patienten nach einer Spondylodese im Vergleich zu anderen Operationen – wie zum Beispiel Hüftpro- thesen – relativ hoch, so Dr. Bodon. Jedoch müsse man für die Therapie- Empfehlung immer die Gesamtsituation bewerten: „Eine Patientin, die aufgrund chronischer Beinschmerzen keine 100 Meter mehr am Stück gehen kann, gewinnt durch die Versteifung und die damit einhergehende Schmerzreduzie- rung insgesamt gesehen wieder an Mobi- lität und Lebensqualität. Einige Patienten können bereits wenige Wochen nach der OP eine halbe Stunde bis Stunde spazie- ren gehen.“ Minimalinvasives OP-Verfahren und neue Implantate Für Patienten, die sich für die Spondylo- dese entscheiden, gibt es eine gute Nach- richt: Dank moderner OP-Verfahren ist der Eingriff heute viel schonender als frü- her. Dr. Pussert und Dr. Bodon wenden am Klinikum Esslingen seit Herbst 2019 das sogenannte „X360“-Verfahren mit einer neuen OP-Technik und neuen Implantaten an: „Diese Methode wird in den USA seit zwei, drei Jahren angewandt und wurde dort im Jahr 2019 insgesamt 6.800 Mal durchgeführt. Die postoperative Zufrie- denheitsrate bei den Patienten fiel im Schnitt besser aus als bei einer konven­ tionellen Spondylodese-OP“, berichtet Dr. Bodon. Das Klinikum Esslingen bietet die OP- Technik als zweites Krankenhaus in Deutschland an. Die Operateure setzen auf die neue Methode, da sie mit ihr mini- malinvasiv statt offen operieren können. „Früher mussten wir, um einen Zugang zur Wirbelsäule zu erhalten, die Rückenmus- kulatur vom Knochen ablösen und zur Seite schieben, was natürlich ein großes Muskeltrauma bedeutet. Mit dem neuen minimalinvasiven Verfahren ist das Weichteiltrauma wesentlich geringer“, erklärt Dr. Bodon und fügt hinzu: „Mini- malinvasive Operationen führen insge- samt zu besseren postoperativen Ergeb- nissen: Die Wunden sind kleiner, es kommt zu weniger Weichteilverletzungen, Nervenschädigungen und Muskeltrau- mata. Außerdem wird der Blutverlust deutlich gesenkt – bei konventionellen Methoden lag dieser bei einer Spondylo- dese bei bis zu einem Liter, mit der neuen Methode ist er um bis zu 90 Prozent nied- riger. Das alles führt auch dazu, dass der Heilungsprozess in der Regel schneller und unkomplizierter verläuft als bei offe- nen Operationsmethoden.“ Mit der neuen Methode verkürzt sich außerdem die OP-Dauer bei einer Verstei- fung der unteren Bandscheiben von rund zweieinhalb Stunden auf eineinhalb Stunden – was für den Patienten ebenfalls eine geringere Belastung bedeutet. „Wir führen in einer Sitzung drei Schritte durch: Wir tragen die verschlissenen Bandscheiben ab, setzen Cages als Platz- halter ein und verschrauben Wirbelkörper miteinander. Der Patient wird dabei im Verlauf der OP nicht mehr wie früher umgelagert, sondern liegt die ganze Zeit fix auf der Seite.“ Dr. Pussert fügt hinzu: „Wir haben über den seitlichen Zugang außerdem ein großes Fenster, um zwi- schen den Wirbeln zu operieren und kön- nen so spezielle, besonders große Titan- Cages einsetzen.“ Bis zu 60 Millimeter messen diese Cages, die – einer echten Bandscheibe nachempfunden – vorne höher sind als hinten, damit ein normales und gesundes Wirbelsäulenprofil wieder- hergestellt werden kann. Dank ihrer gro- ßen Oberfläche und einzigartigen Form bieten sie extrem hohe Stabilität. „Das Risiko, dass später an der operierten Stelle etwas verrutscht oder ein Cage einbricht sinkt dadurch“, so Dr. Pussert. Nach der OP Nach der Operation sollen die Patienten möglichst schnell wieder aufstehen, müs- sen sich anfangs jedoch noch vorsichtig bewegen. „Die meisten Patienten verlas- sen am Tag nach der OP das Bett, dabei werden sie physiotherapeutisch beglei- tet“, so Dr. Bodon. Die Physiotherapie ist ein wichtiger Baustein der Nachbehand- lung. Ziel ist, dass der Patient lernt, sich rückenschonend zu bewegen. „Die ersten drei Monate nach der OP sind aber Schonzeit, erst danach setzt die intensive Physiotherapie-Phase ein“, sagt Dr. Bodon. „Später können die Patienten sich, je nach allgemeinemGesundheitszustand, wieder normal bewegen und auch Sport machen. Tabu sind allerdings Sportarten, die viel Stop-and-Go oder starke Rota­ tionsbewegungen erfordern, wie zum Beispiel Tennis oder Golf.“ lj Klinikum Esslingen, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Chefarzt Professor Dr. Jürgen Degreif Dr. Gergely Bodon und Dr. Arndt Pussert g.bodon@klinikum-esslingen.de a.pussert@klinikum-esslingen.de

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQxOTA=