Ausgabe 1 >2021

1 | 2021 Esslinger Gesundheitsmagazin 25 „ Ein Sechser im Lotto“ Nicht nur in seiner Praxis in Nellingen, auch als Vorsitzender der Kreisärzteschaft engagiert sich Dr. Rainer Graneis für die medizinische Versorgung im Landkreis. Daneben stellt er dem Esslinger Gesundheitsmagazin seine Expertise in der medizinisch-wissenschaftlichen Leitung zur Verfügung. Bevor er sich nun in den verdienten Ruhestand verabschiedet, haben wir noch einmal mit ihm über seinen Beruf gesprochen. Herr Dr. Graneis, Sie sind seit 39 Jahren als Mediziner tätig, davon 31 als Hausarzt. Lieben Sie Ihren Beruf? Für mich stand schon als Grundschüler fest: Ich werde Priester, Krankenwagenfahrer oder Arzt. Spätestens nach meinem ersten Klinikaufenthalt als Zehnjähriger – eine Blinddarm-OP im Esslin- ger Krankenhaus – war die Entscheidung gefallen. Nach dem Abi- tur bekam ich über die Bundeswehr einen Studienplatz für Medi- zin und fühlte mich, als hätte ich einen Sechser im Lotto. Genauso fühlt es sich heute noch an! Als Hausarzt kann man einen sehr direkten Draht zu seinen Patienten aufbauen, sie oft ein Leben begleiten. Wenn Patienten mir Vertrauen entgegenbringen und ich helfen kann, die richtige Diagnose zu stellen und eine erfolg- reiche Behandlung einzuleiten, gibt mir das ein gutes Gefühl. Was macht einen guten Arzt aus? Empathie und Fachwissen. Eine weitere Fähigkeit, die mit den Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist Organisationsvermögen. Warum ist Organisationsvermögen heute so wichtig? Weil die Vernetzung zwischen den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens enorm zugenommen hat. Die Liegezeiten im Krankenhaus haben sich verkürzt, vieles, was früher stationär ablief, wird heute von ambulanten Fachleuten abgedeckt. Damit der Patient rundum gut versorgt ist, muss ich mich mit Fachärz- ten, Kliniken, Reha-Einrichtungen und weiteren Akteuren eng abstimmen. Als Vorstand der Kreisärzteschaft fördern Sie die Zusammen- arbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken. Was braucht es, damit die Kooperation klappt? Zum einen die entsprechende IT-Infrastruktur. Computer und digitale Vernetzung erleichtern den Informationsaustausch bereits heute enorm, allerdings hapert die schnelle Kommuni- kation zwischen Kliniken und Praxen noch am Fehlen einheit- licher digitaler Schnittstellen. Da muss es in Deutschland noch weiter vorangehen – natürlich unter Berücksichtigung der Datensicherheit. Neben der Technik entscheidet die mensch­ liche Komponente über eine gelungene Zusammenarbeit. Eine gute Kommunikationskultur ist wichtig. Wenn ich weiß, ich kann jederzeit zum Telefon greifen und Rückfragen mit dem behandelnden Arzt in der Klinik klären, dann profitiert der Patient. Im Kreis Esslingen klappt das sehr gut. Was ist aus Ihrer Sicht wichtig, damit dieses Netzwerk weiterhin gut funktioniert? Um eine gute Basisversorgung zu gewährleisten, ist es wichtig, die Hausarztpraxen zu erhalten. Es gilt, intelligente Modelle zu finden, die es für junge Kollegen attraktiv machen, sich nieder- zulassen. Das finanzielle Risiko einer Praxis soll stemmbar sein. Teilzeitarbeit kommt insbesondere jungen Frauen zugute. An solchen Themen sind wir jetzt schon intensiv dran. Ich würde mir auch wünschen, dass Ärzte in Zukunft noch mehr Wertschätzung und Unterstützung von Seiten der Politik erfahren. Nicht nur jetzt in der Corona-Zeit, auch im Alltag bringen wir ständig ganzen Einsatz für die Patienten. Im April gehen Sie in Rente. Planen Sie einen Ruhe- oder einen Unruhestand? 31 Jahre als Hausarzt waren schön, trotzdem freue ich mich jetzt auf Zeit mit meiner Familie und für meine Hobbys. Ich werde weiterhin Aufgaben für die Ärzteschaft, zum Beispiel im Rahmen der Corona-Bekämpfung, wahrnehmen. Den Vorsitz der Kreisärzte­ schaft übernimmt mein Stellvertreter Dr. Marc A. Meinikheim – bis Mai kommissarisch, dann finden Neuwahlen statt. Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Graneis. Das Team des Esslinger Gesundheitsmagazins wünscht Ihnen alles Gute. Wir bedanken uns herzlich für die gute Zusammenarbeit!

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