Ausgabe 1 >2021
Im Heimalltag gibt es neben dem Beispiel Corona-Impfung noch viele weitere Situationen, in denen die gesetzlichen Vertreter eingebunden werden müssen. Eine gute Kommu- nikation sei dabei sehr wichtig, so Naujoks: „Unsere Fach- kräfte kennen jeden Bewohner gut. Wenn Entscheidungen anstehen, besprechen wir unsere Eindrücke aus dem Heimalltag mit den gesetzlichen Vertretern. So können diese noch besser einschät zen, was dem Menschen wichtig ist und dies bei der Entscheidungsfindung berück- sichtigen.“ Wichtiges schriftlich festhalten Neben der rechtzeitigen Auseinandersetzung mit der Ver- tretungsfrage ist für Menschen mit Demenz auch eine schriftliche Patientenverfügung sinnvoll. Mit dieser kann jeder vorsorglich festlegen, welche medizinischen Maßnah- men durchzuführen oder zu unterlassen sind, wenn man nicht mehr selbst entscheiden kann. Um insbesondere die letzte Lebensphase den Wünschen der Bewohner entsprechend zu gestalten, bieten die Städ- tischen Pflegeheime außerdem seit knapp zwei Jahren das Beratungsangebot „Versorgungsplanung am Lebensende“ an. In Einzelgesprächen werden Fragen rund um das Ster- ben geklärt: Wie soll mit Schmerzen umgegangen werden? Möchte ich Medikamente gegen Angst und Unruhe bekom- men? Möchte ich Begleitung durch einen Seelsorger in Anspruch nehmen? Das Beratungsangebot ist freiwillig und wird von der Krankenkasse finanziert. Es richtet sich aus- drücklich auch an Menschen mit einer dementiellen Erkrankung. Die speziell geschulten Beraterinnen passen das Gespräch an die individuellen Fähigkeiten der Bewoh- ner an. Das Gespräch wird in einem Ergebnisprotokoll fixiert und dem Hausarzt zur Unterschrift vorgelegt. Das gibt den Bewohnern die Sicherheit, dass ihren Wünschen entsprochen wird, stärkt aber auch die Position der Pflege kräfte: Sie wissen, was sich der Bewohner wünscht und können dies gegenüber Angehörigen, Betreuern oder Ärzten kommunizieren. Ob am Lebensende oder im Alltag – Thilo Naujoks und seine Mitarbeiter wollen sich dafür einsetzen, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner mit Demenz gehört werden: „Wir verstehen uns da als Vermittler, mitunter auch als eine Art Anwalt unserer Bewohner.“ lj >>> 38 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2021 Genau hinhören und hinschauen: Kommunikation mit Demenzkranken Kaffee mit Milch oder Zucker? Roter oder gelber Pullover? Nicht nur wenn es um die medizinische Versorgung geht, sondern auch bei den kleinen Dingen des Alltags stellt sich die Frage: Wie finden Bezugspersonen heraus, was ein Demenz- kranker möchte, wenn derjenige seinen Willen nicht mehr mit Worten zum Ausdruck bringen kann? Durch einen sensiblen, aufmerksamen Umgang: „Man lernt, die Zeichen zu lesen, die das Gegenüber sendet: Mimik, ein Kopfschütteln, Körpersprache, und so weiter“, erklären Pflege koordinator Silvio Schuster und Franziska Vogel, Koordinatorin der Sozialdienste in den Städischen Pflegeheimen Esslingen. Um einen Bewohner in konkreten Entscheidungssituationen zu unter- stützen, sei es wichtig, die Kommunikation an das Gegenüber anzupassen: „Wenn wir einem Men- schen mit Demenz die Corona-Impfung erklären, kommt man mit medizinischer Fachsimpelei nicht weiter. Stattdessen verwenden wir leichte Spra- che und arbeiten mit Beispielen oder nutzen Hilfsmittel wie Karten mit Symbolbildern.“ Um zu erfahren, welche Vorlieben ein Bewohner hat, suchen die Heimmitarbeiter außerdem das Gespräch mit den Angehörigen. „ Wir wollen Demenz kranken ihre Autonomie nicht absprechen.“
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