Ausgabe 1 >2021

46 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2021 Bei den meisten Patienten löst sie Unbehagen aus: Die Vorstel- lung während eines operativen Eingriffs künstlich beatmet zu werden und damit die lebenswichtige Sauerstoffversorgung einer Maschine zu überlassen. Noch viel unbehaglicher ist jedoch die Vorstellung, während einer großen Operation, wie beispielsweise einer Lungenoperation, nicht unter Vollnarkose zu stehen. Dass genau das jedoch viel schonender für den Patienten ist, zeigen nicht nur zahlreiche Studien, sondern auch die Erfah- rungen von Dr. Rainer Sätzler, dem Leitenden Oberarzt der Gefäß- und Thoraxchirurgie. Er hat mit seinem Kollegen Dr. Guido Johannes Marquardt, Leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, zirka zehn dieser sogenannten NIVATS (non-intubated-video-assisted thoracoscopy) am Klinikum Esslingen durchgeführt und ist von den Ergebnissen begeistert:„Wir haben letztes Jahr mit kleinen Lungeneingriffen begonnen und uns zunehmend an größere Operationen herangetastet. Im Dezember 2020 haben wir unsere erste Entfernung eines kompletten Lungenlappens bei einem Bronchialkarzinom ohne Intubation durchgeführt, inzwischen zwei weitere. Die Patienten wachten aus der Sedierung auf, waren nicht desorientiert und konnten direkt nach dem Eingriff die Atemtherapie, die extrem wichtig für frisch operierte Lungenpatienten ist, aktiv durchführen. Die Eine Lungen-OP ohne Vollnarkose? Für Laien klingt das unheimlich. Vom Fachmann erklärt entpuppt sich die NIVATS-Operation als eine der schonendsten Operationsmethoden, die Patienten auf diesem Gebiet derzeit erhalten können. Bisher bieten nur wenige Spezialisten das Verfahren an. Am Esslinger Krankenhaus wird es seit über einem Jahr mit großem Erfolg praktiziert. Neues Verfahren: Lungenoperation ohne Vollnarkose Dauer der Krankenhausaufenthalte konnte um die Hälfte redu- ziert werden. Ich habe so eine Entwicklung in meiner lang­ jährigen Laufbahn noch nicht erlebt“, erzählt Dr. Sätzler. Minimalinvasive Operation optimieren Im Bereich der Lungenchirurgie wird, sooft es möglich ist, minimalinvasiv, also gewebeschonend operiert. Über kleine Schnitte führt der Chirurg die Operationsinstrumente und eine Kamera in den Brustkorb ein. Im Gegensatz zur offenen Operation, die mit einer Eröffnung des Brustkorbs über einen 20–25 cm großen Schnitt samt Durchtrennen und Spreizen der Rippen einhergeht, müssen bei der minimal-invasiven Chirurgie keine Rippen durchtrennt oder gespreizt werden. Die Methode ist also deutlich schonender für die Patienten und verkürzt den Heilungsprozess. Rund 60 Prozent aller Lungenoperationen führen die Chirurgen am Esslinger Lun- genkrebszentrum minimal-invasiv durch, bei den Patienten mit einem frühen Lungentumorstadium ist die Quote sogar höher. „Wir haben uns gefragt, ob wir diese minimal- invasiven Eingriffe noch schonender ausführen können, damit die Betroffenen noch weniger belastet werden. Das NIVATS-Verfahren hat uns überzeugt. Wir haben uns diese Vorgehensweise im Rahmen eines Workshops angeschaut, übernommen und speziell für unser Zentrum modifiziert,“ erläutert Dr. Sätzler.

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