Ausgabe 1 >2022

1 | 2022 Esslinger Gesundheitsmagazin 19 Der Großteil der Rückenleiden, die die Chirurgen Dr. Arndt Pussert und Dr. Gergely Bodon am Klinikum Esslingen sehen, sind auf degenerative Veränderungen, also alterungsbedingte Abnutzungserscheinungen zurückzuführen. „50 Prozent unseres Körpergewichts drücken auf den letzten Lendenwirbel und das Kreuzbein, also die letzte Bandscheibe – eine enorme Belastung“, klärt Dr. Bodon auf. Je mehr man wiegt, desto stärker ist der Rücken belastet. Nun könnte man meinen, dass vorzeitige Abnutzung durch möglichst viel Schonung im Sitzen vermieden werden könnte. Sitzen ist nur leider überhaupt nicht rückenschonend, so Dr. Bodon. Auch die Sitzposition sei wichtig: „Dem Lendenbereich tut eine gesunde Krümmung gut, die auch im Sitzen erhalten bleiben sollte.“ Die Krümmung sollte so verlaufen, dass sich das Gesäß etwas nach hinten schiebt. Rückenmuskeln sind gefragt Bevor es zu Dr. Bodon und Dr. Pussert in die Klinik geht, kommen Patienten mit Rückenschmerzen in der Regel erstmal zum niedergelassenen Orthopäden, etwa zu Dr. Heiko Braun in Esslingen. Hier kann den Allermeisten bereits geholfen werden, nur die Wenigsten müssen in die Klinik. Dr. Braun, der in seinem Praxisalltag den breiten Querschnitt aller Rückengeplagten vor sich hat, sagt: „Viele Rückenleiden sind auf muskuläres Ungleichgewicht zurückzuführen.“ Hexenschuss, eine schmerzhafte Verkrampfung der Rückenmuskulatur, sehe er sehr häufig: „70 bis 80 Prozent aller Menschen suchen einmal im Laufe des Lebens den Arzt deswegen auf“, sagt Dr. Braun. „Die Spannung in der Rückenmuskulatur ist bereits erhöht, wovon man allerdings nicht merkt, dann die falsche Bewegung, oder Zugluft und die Muskulatur verkrampft sich, verursacht Schmerzen und diese Schmerzen führen zu noch mehr Verkrampfung.“ Dr. Braun empfiehlt seinen Rückenpatienten viele Lagewechsel zwischen Sitzen, Stehen und Laufen: „Stehpult, höhenverstellbarer Schreibtisch, Telefonat im Stehen, Treppe nehmen, Spazieren in der Mittagspause, Ausgleichsport – die Wirbelsäule will bewegt, aber nicht belastet werden. Mit Ausgleichsport meine ich also nicht, fünf Stunden im Garten zu schuften, sondern Schwimmen oder Nordic Walking.“ Verklebte Faszien Bewegung empfiehlt auch Friederike Hardinghaus, Leiterin der Therapieabteilung am Klinikum Esslingen. „Sehr oft sind Faszien-Verklebungen die Ursache für Rückenschmerzen“, sagt sie. Faszien sind Bindegewebe, die nahezu alles in unserem Körper über- oder durchziehen. Sie umhüllen Muskelfasern, Faserbündel, Muskeln und betten Organe ein. Sie bleiben durch viel Bewegung geschmeidig. Durch falsche Belastung verkleben sie, beispielsweise durch eine andauernde ungünstige Sitzposition. Ein Rückenleiden kann den ganzen Bewegungsapparat in Mitleidenschaft ziehen, denn „Rücken und Hüfte sind Schaltstelle im Körper, über die Bewegungen nach oben und unten gesteuert werden“, so Hardinghaus. Wer rechtzeitig an Schwachstellen arbeitet, könne sich oft eine anstrengende, lange Behandlung sparen. Die meisten Patienten kommen leider erst, wenn es zu spät ist: „Wenn die Verklebungen der Faszien und die Abnutzung der Gelenke und umliegenden Strukturen so weit fortgeschritten sind, dass sie starke Schmerzen verursachen“, erklärt Hardinghaus. „Daraus entwickeln sich oft weitere Fehlstellungen.“ Sie empfiehlt, beispielsweise beim Tag der offenen Tür der Klinik zum PhysioCheck zu kommen. „Ich schaue mir den ganzen Körper an und ermittle, was schief steht und woran der Patient arbeiten kann.“ Operation – ja oder nein? Wer am Rücken operiert werden muss, könne sich im Klinikum Esslingen gut aufgehoben fühlen, so Dr. Bodon: „Wir sind eines der wenigen Häuser in Deutschland, das das komplette wirbelsäulenchirurgische Spektrum abdeckt – das betrifft die kleinen neurochirurgischen Operationen, die großen Tumoroperationen, oder Deformitäten-Operationen.“ Wann bei Rückenschmerzen operiert werden muss, sei klar definiert, so Dr. Bodon: „Bei neurologischen Schäden, also bei Lähmungserscheinungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Außerdem bei Instabilität, wenn sich die Wirbelsäule etwa nach einem Bruch nicht mehr aufrecht halten kann.“ Dritter Grund für eine OP seien unerträglich starke Schmerzen – bei einem Bandscheibenvorfall seien das tatsächlich vor allem Beinschmerzen. „Können die Patienten nicht länger als drei Minuten stehen und daher ihren Alltag nicht mehr bewältigen, Dr. Gergely Bodon Dr. Arndt Pussert Friederike Hardinghaus Dr. Heiko Braun 50% unseres Körpergewichts drückt auf den letzten Lendenwirbel und das Kreuzbein. >>>

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