Aber nicht nur der Faktor Zeit spielt eine Rolle: „Dass es feste Ansprechpartner gibt, erleichtert den Informationsaustausch ungemein“, findet Pflegekoordinator Silvio Schuster. „Pflege und Therapie sind nach zwei Jahren Kooperation als Team eng zusammengewachsen. Wir arbeiten sehr gut und vertrauensvoll miteinander“, bestätigt Therapeutin Susanne Heinl-Baumann. Auch bei den Bewohnern kommen die festen Bezugspersonen und Terminpläne gut an: „Die Leute können sich besser auf die Therapie einstellen und freuen sich auf ihren Termin“, berichtet Schuster. Gleichzeitig betont er: „Selbstverständlich ist das Angebot freiwillig. Unser Haus bleibt auch weiterhin für Therapeuten aus anderen Praxen offen. Jeder Bewohner darf frei über die Wahl seines Therapeuten entscheiden.“ Kommunikation als Erfolgsfaktor Warum es den Bewohnern ungemein hilft, wenn die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen so hervorragend klappt wie im Obertor, erläutert Susanne Heinl-Baumann an Beispielen der Essensaufnahme: Ein Bewohner hat nach einem Schlaganfall eine armbetonte Halbseitenlähmung. Die Ergotherapeutin übt mit ihm, seine Hand im Alltag wieder einzusetzen: Das Besteck greifen, ein Brot selbstständig schmieren. Ein anderer Bewohner leidet aufgrund seiner Demenz an einer Schluckstörung. Die sichere Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme wird dadurch beeinträchtigt. Die Logopädin analysiert, wo genau das Problem begründet ist. Je nachdem, was die Anamnese ergibt, können verschiedene Methoden dem demenzkranken Bewohner das Essen und Trinken erleichtern. So kann es zielführend sein, die Körper- und Kopfhaltung beim Essen anzupassen. Oft hilft eine bestimmte Anpassung der Ernährung. „Die Pflegefachkräfte unterstützen sowohl den Schlaganfallpatienten wie auch den Demenzkranken tagtäglich bei der Nahrungsaufnahme. Deswegen ist es sehr wichtig, sie eng in die Ergotherapie beziehungsweise Logopädie mit einzubinden“, so Susanne Heinl-Baumann. Die beiden Pflegeprofis Silvio Schuster und Paul Rockel bestätigen das. Sie freuen sich jedes Mal, wenn durch die Zusammenarbeit von Logopäden und Pflegekräften einem Bewohner eine Ernährungssonde erspart bleibt. „Schließlich geht es beim Essen nicht nur um Kalorienzufuhr, sondern auch ums Schmecken. Wenn das wieder funktioniert, ist das ein großer Zugewinn an Lebensqualität“, so Schuster. Ein Gewinn sei die Zusammenarbeit auch für das Personal im Haus Obertor. „Wir Pflegeexperten bekommen von den Therapieexperten viele neue Impulse und erweitern unser Wissensspektrum“, sagt Schuster. „Das motiviert, macht Mut und gibt mehr Sicherheit.“ Unterschiedliche Expertisen und Blickwinkel ergänzen sich So tauschen Pflegekräfte und Therapeuten sich zum Beispiel in interdisziplinären Fallbesprechungen regelmäßig zu den Bewohnern aus. Dabei bringt jeder sein Fachwissen, aber auch seinen speziellen Blickwinkel ein: Die Pflegekräfte erleben die Bewohner Tag für Tag und können den Therapeuten Veränderungen und Entwicklungen im Alltag schildern. Die Therapiesitzung kann so optimal auf den Bewohner und seine aktuelle Situation zugeschnitten werden. Die Therapeuten wiederum schauen mit ihrem „Therapieauge“ auf den Bewohner und geben wichtige Impulse für die Pflege. So bekommt jeder am Ende genau die Unterstützung, die er benötigt. So wie zum Beispiel die alte Dame, von der Paul Rockel zum Abschluss erzählt: „Die Bewohnerin ist geistig noch sehr fit. Aber sie leidet an einer Apraxie, einer neurologischen Störung, welche die Unfähigkeit bezeichnet, zielgerichtete Bewegungen und Handlungen sinnvoll und geordnet auszuführen. Als sie ins Heim einzog, war es für sie sehr schwer, Anschluss zu finden. Sie zog sich sehr in sich zurück. Die Logopädin hat dann ein speziell für Menschen mit Apraxie entwickeltes Bilderbuch ins Spiel gebracht. Dieses Hilfsmittel erlaubt es der Dame, zu kommunizieren. Auch wir Pflegekräfte benutzen das Bilderbuch, um uns mit ihr zu verständigen. Dadurch, dass sie sich endlich wieder mitteilen kann, ist sie richtig aufgeblüht!“ lj >>> 46 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2022 „ Beim Essen geht es nicht nur um Kalorienzufuhr, sondern auch ums Schmecken. Wenn das wieder funktioniert, ist das ein großer Zugewinn an Lebensqualität.“
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