1 | 2024 Esslinger Gesundheitsmagazin 45 Ein behütetes Sterben Um die letzte Lebensphase entsprechend den Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner gestalten zu können, bieten die Städtischen Pflegeheime bereits seit ein paar Jahren das Beratungsangebot „Versorgungsplanung am Lebensende“. In Einzelgesprächen klären geschulte Beraterinnen wie Jasmina Hasan mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Fragen rund um das Sterben: Möchte ich Medikamente gegen Angst und Unruhe bekommen? Möchte ich Begleitung durch einen Seelsorger in Anspruch nehmen? „Mithilfe einer Wertanamnese versuche ich herauszufinden, was der jeweiligen Person wichtig ist und mache dementsprechende Angebote. Um Ängste aufzufangen ist es auch wichtig, Dinge abzuklopfen, die für die Person besonders belastend wären. Hat zum Beispiel jemand große Angst vor Schmerzen, zeigen wir auf, welche Möglichkeiten die moderne Schmerztherapie bietet – da sind wir heutzutage sehr gut aufgestellt.“ Kontakt Städtische Pflegeheime Esslingen Hindenburgstraße 8–10 73728 Esslingen Telefon 0711 35172-0 www.pflegeheime-esslingen.de In schwierigen Zeiten begleiten „Ein Nein zur Suizidassistenz bedeutet für uns im Heim keinesfalls, dass wir den Tod tabuisieren oder weghören, wenn jemand sagt, er wolle sterben. Im Gegenteil, wir wollen gerade in schwierigen Zeiten verlässliche Begleiter sein“, sagt Jasmina Hasan. Zusätzlich zu ihrer Pflegeausbildung hat sie eine Weiterbildung in Palliative Care und eine Zusatzausbildung zur Gerontopsychiatrischen Fachkraft absolviert. Fachlich ist sie damit also optimal gerüstet für die Betreuung schwerkranker und sterbender Menschen. Wie reagiert sie, wenn jemand ihr gegenüber einen Sterbewunsch äußert? „Wichtig ist, nachzufragen: Warum möchten Sie nicht mehr leben? Die Möglichkeit, über die eigenen Sorgen zu reden, hilft. Und auch wenn wir nicht alles Leid lösen können, sind wir doch in der Lage Alternativen aufzeigen.“ Der richtige Umgang mit suizidgefährdeten Menschen ist nicht einfach. „Wir wollen unsere Mitarbeiter damit nicht alleine lassen. Deswegen haben wir in jedem unserer fünf Häuser ein Ethikberatungsteam als erste Anlaufstelle eingerichtet. Das Team berät im Einzelfall über das beste Vorgehen. Wenn nötig ziehen wir auch externe Experten wie Ärzte, Psychologen, Mitarbeiter des Hospizes oder der Seelsorge hinzu“, erklärt Thilo Naujoks. Eine gute Palliativversorgung als Prävention Bewohner in seelischen Notlagen aufzufangen sei wichtig, fügt Naujoks hinzu. Doch man müsse bereits vorher ansetzen. „Eine gute Begleitung in der Eingewöhnungsphase ist da sehr wichtig. Im Heimalltag kommt es darauf an, Angebote zu machen, die den Menschen so viel Selbstständigkeit und Teilhabe wie möglich ermöglichen. Eine ganz zentrale Rolle spielt auch eine gute Palliativversorgung. Denn wenn wir es schaffen, unseren Bewohnern ein selbstbestimmtes, würdiges Leben bis zum Schluss zu ermöglichen, wird Suizidassistenz oft gar nicht erst zum Thema.“ lj Bei den Mitarbeitern stieß diese Haltung auf Zustimmung: „Bevor wir Führungskräfte das Papier verabschiedet haben, haben wir alle Kollegen gefragt: Könnt ihr unsere Position so mittragen? Viele sagten, sie seien dankbar, dass es jetzt eine Regelung gibt“, erzählt Silvio Schuster. Als kommunale Einrichtung wolle man das Positionspapier nun noch dem Gemeinderat vorlegen, berichtet Naujoks: „Ein offizieller Beschluss der Stadt zum Umgang mit Suizidassistenz in den eigenen Pflegheimen hätte eine wichtige Signalwirkung. Pflege wird ja seit Jahren in der Öffentlichkeit leider nur noch problemgeladen diskutiert, es geht viel um hohe Kosten und knappe Ressourcen. Die gesetzliche Legitimation der Suizidassistenz birgt da aus meiner Sicht eine große Gefahr – nämlich die, dass alte Menschen das Gefühl vermittelt bekommen: Ich muss mein Leben beenden, bevor ich zu einer Last für die Gesellschaft werde.“
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