Ausgabe 1 >2025

ESSLINGER GESUNDHEITSMAGAZIN 1 > 2025 Klinikum Esslingen in Kooperation mit der Kreisärzteschaft Esslingen Abgemildert Mit Parkinson leben Abgestellt Schmerzen bei Endometriose Abgestimmt Therapie chronischer Darmerkrankungen Mobilisiert Möglichkeiten der Orthopädie am Klinikum Esslingen

04 Meldungen 09 Infoveranstaltungen Endoprothetik Gelenkersatz an Knie und Hüfte 10 Handchirurgie Kleine Schnitte – große Wirkung 13 Veranstaltungsreihe 15 Jahre KE im Dialog – Medizin verständlich erklärt 14 Was hilft bei Endometriose? 18 Bluthochdruck: Zu viel Druck ist schädlich 21 Förderverein Herzklopfen 21 Impressum 22 Lungenkrebszentrum: Gemeinsam stark gegen Lungenkrebs 24 Com-Center Navigation zum Krankenbett 26 Autoimmunerkrankung Ein Leben mit Parkinson 29 ES-Kids Wütend wie ein Wirbelwind 34 Patientengeschichte „Ich habe gelernt, mit Morbus Crohn zu leben.“ 36 Mensch und Technik im Blick: die ATAs 40 Interview Pflegeausbildung „Ich werde an die Hand genommen.“ 41 Förderverein proklinikum 42 Das Ethikkomitee hilft, Wege und Lösungen zu finden 44 Update zur Pflegeausbildung in den Städtischen Pflegeheimen Esslingen 48 Neubau des Klinikum Esslingen: Fortschritt bei der Ringtrasse 49 Veranstaltungen 50 Adressen Selbsthilfegruppen, Ambulante Dienste und mehr 10 36 42 Inhalt 30 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen 38 V on Auszubildenden betreut – integrierter Ausbildungsbereich 06 Wirbelsäulenchirurgie: OP als letzte Möglichkeit www.gesundheitsmagazin-esslingen.de

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 3 Matthias Ziegler, Geschäftsführer des Klinikum Esslingen Fast ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland leidet an Rückenschmerzen und ist in seiner Lebensqualität eingeschränkt. Umso wichtiger ist es, dass Patientinnen und Patienten eine individuelle Therapie erhalten – wie in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Esslingen. Ob Rücken, Hüfte, Knie, Hand – egal in welcher Körperregion Beschwerden an Muskeln, Gelenken oder Knochen auftreten – unser erfahrenes Team ist für Sie da. Lesen Sie in unserem Schwerpunktthema, welche Therapiemöglichkeiten es am Klinikum Esslingen für die Wirbelsäule gibt, warum kleine Schnitte bei Handverletzungen oft große Wirkung haben und wo Sie Informationen über GelenkersatzOperationen erhalten. Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe wünscht Ihr Matthias Ziegler Ein starkes Rückgrat Vorwort Wie oft begegnet uns im Alltag der einfache Tipp: tief durchatmen! Sei es, um Stress abzubauen, um sich zu konzentrieren, um innezuhalten. Was aber, wenn selbst das vermeintlich einfache Durchatmen zur Herausforderung wird – zum Beispiel für Menschen, die an Lungenkrebs erkrankt sind? Glücklicherweise finden Betroffene im „Lungenkrebszentrum – Esslingen Göppingen Ludwigsburg“ ein hochkompetentes, kommunal getragenes Behandlungsumfeld in der Region. Erst kürzlich wurde es von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert, was für eine wohnortnahe Behandlung auf höchstem Niveau spricht. Das Zentrum bündelt die Kompetenzen des Klinikum Esslingen, der Alb-Fils-Kliniken Göppingen und des RKH Klinikum Ludwigsburg und ist beispielhaft für eine standortübergreifende Zusammenarbeit, die gerade in Zeiten der Finanzierungskrise kommunaler Kliniken wichtiger denn je ist. Mehr über diese und weitere Kompetenzen des Klinikum Esslingen erfahren Sie in dieser Ausgabe. Ihr Matthias Klopfer Luft holen! Matthias Klopfer, Oberbürgermeister der Stadt Esslingen a. N. Diese Ausgabe hält viele spannende Themen für Sie bereit. Auf den Beitrag zum Thema Endometriose möchte ich besonders hinweisen. Denn sehr viele Frauen – schätzungsweise 5 bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter – sind von dieser Erkrankung betroffen. Endometriose wird auch als das „Chamäleon der Gynäkologie“ bezeichnet, da sie vielfältige Beschwerden verursacht und die Symptome und deren Intensität von Frau zu Frau stark variieren. Sie äußern sich je nach befallenen Organen, neben der Gebärmutter sind das zum Beispiel Eierstöcke, Eileiter oder das Becken, durch starke Schmerzen bei der Periode, beim Geschlechtsverkehr, beim Stuhlgang oder Wasserlassen und auch durch Unfruchtbarkeit. Eine interessante und anregende Lektüre bei diesem (Seite 14) und allen anderen Themen dieser Ausgabe wünscht Ihnen Ihre Annette Oppermann Das „Chamäleon der Gynäkologie“ Annette Oppermann, stellvertretende Vorsitzende der Kreisärzteschaft Esslingen

4 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 Meldungen In der aktuellen Folge von „Deine GesundZEIT“ spricht die Psychoonkologin Dr. Eva Rapp über die wichtige Rolle der psychischen Unterstützung für Krebspatientinnen und Krebspatienten und ihre Angehörigen. Im Gespräch erklärt sie, wie Psychoonkologie helfen kann: Sie gibt emotionale Stabilität in schwierigen Zeiten und lässt Handlungsspielräume trotz Hilflosigkeit erkennen. Austausch innerhalb der Familie und der Zugang zu Fachleuten können dabei helfen, in einer herausfordernden Lebenssituation wieder Halt und Hoffnung zu finden. Haben Sie Fragen und Anregungen rund um das Esslinger Gesundheitsmagazin? Kontaktieren Sie uns: dialog@klinikum-esslingen.de Ihre Gesundheitsthemen sind gefragt! Hans-Werner Zorn (vorne rechts) wurde von Chefarzt Prof. Serdar Demirel (vorne links) und den Oberärzten Fahed Kiswani und Ahmed Mahmud (hinten von links) behandelt. Neue Podcast-Folge: Psychoonkologie und emotionale Unterstützung Anschalten! Der Podcast „Deine GesundZEIT“ erscheint unter https://deinegesundzeit. podigee.io/ Alle Folgen sind auf Spotify, Apple Podcast und allen gängigen Plattformen zu finden. Meilenstein in der Gefäßchirurgie Das Team rund um Chefarzt Professor Dr. Serdar Demirel, Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie, hat einen bahnbrechenden Eingriff durchgeführt: Dem Team ist es erstmals am Klinikum Esslingen gelungen, in einem minimal- invasiven Eingriff eine komplette Aorta im Brust- und Bauchraum durch StentProthesen zu ersetzen. Bei Hans-Werner Zorn (77) war vor einigen Jahren per Zufall ein thorako-abdominelles Aorten-Aneurysma entdeckt worden, eine sich ausdehnende Erweiterung der Hauptschlagader des Brust- und Bauchraums. Nun war eine Operation nötig, um ein Platzen des Aneurysmas zu vermeiden. Ein Eingriff dieser Größenordnung ist eine enorme Herausforderung – doch dank modernster Technik und interdisziplinärer Zusammenarbeit konnte die Behandlung in drei Operationen verteilt über mehrere Monate erfolgreich durchgeführt werden. Diese Operationen werden nur in wenigen spezialisierten Zentren durchgeführt. Möglich sind sie durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Beteiligten: von der Administration über die Reinigungskräfte und engagierten Pflegekräfte bis zu den medizinischen Expertenteams aus Gefäßchirurgie, Anästhesie, Kardiologie, Radiologie und Intensivmedizin.

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 5 Meldungen Mit steigender Lebenserwartung nimmt auch die Zahl älterer Unfallpatientinnen und -patienten zu. Viele leiden zusätzlich an chronischen oder akuten Begleiterkrankungen. In der Alterstraumatologie wird das unfallchirurgische und das geriatrische Fachwissen auf optimale Weise zusammengeführt. Das nun erste zertifizierte Zentrum für Alterstraumatologie im Landkreis Esslingen bietet seinen Patientinnen und Patienten ein umfassendes Behandlungskonzept. Neben der chirurgischen Behandlung, ist hier die interdisziplinäre Behandlung ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Unfallchirurgische Fachärztinnen und Fachärzte, eine Geriaterin, Therapeuten aus verschiedenen Fachrichtungen, Pflegekräfte und der Sozialdienst arbeiten Hand in Hand, um eine optimale Behandlung und eine individuell abgestimmte Rehabilitation zu ermöglichen. Die Auszeichnung durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) bestätigt die hohe Qualität der medizinischen Versorgung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Klinikum Esslingen. „Die erfolgreiche Zertifizierung bestätigt unsere sehr gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Berufsgruppen – immer im Sinne unserer Patientinnen und Patienten“, so Professor Dr. Peter Richter und Dr. Ulrike Wortha-Weiß. Klinikum Esslingen als „AltersTraumaZentrum DGU“ zertifiziert Prof. Dr. Peter Richter, Dr. Ulrike Wortha-Weiß, Teamleitung Pflege Manuela Merx, Physiotherapeut Pascal Wirsing Seit Anfang Februar begrüßt das Team des Ambulanten Therapiezentrums (ATZ) alle Patientinnen und Patienten am neuen Standort im Haus 5, im 1. Obergeschoss. Das ATZ ist nur über den seitlichen Eingang von Haus 5 erreichbar. Im Ambulanten Therapiezentrum werden onkologische Patientinnen und Patienten, Ambulantes Therapiezentrum in neuen Räumlichkeiten Im Therapieraum werden die Medikamente an die Patientinnen und Patienten verabreicht. Esslinger Sehenswürdigkeiten schmücken die Flure des ATZ. die zur Verabreichung einer Therapie ins Klinikum Esslingen kommen, von einem engagierten Team aus spezialisierten Pflegekräften betreut. „Die hellen und modern gestalteten Räume bieten unseren Patientinnen und Patienten eine optimale Umgebung für die ambulante Therapie“, sagt Liebetraut Paprotta, Teamleiterin des ATZ.

6 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 Rückenprobleme sind weit verbreitet und treffen häufig auch junge Menschen. Manchmal hilft nur eine Operation. Am Klinikum Esslingen ist das Spektrum möglicher Eingriffe groß. Dr. Gergely Bodon und sein Team versuchen für jeden Patienten die optimale Lösung zu finden. Wirbelsäulenchirurgie: OP als letzte Möglichkeit

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 7 Dr. Gergely Bodon Ferdinando Biscotti ist ein sportlicher Mann. Fußball ist seine große Leidenschaft. Beim VfB Obertürkheim hat er schon auf allen Positionen gespielt. Das wöchentliche Training und am Wochenende ein Spiel sind für ihn Pflicht. Doch immer wieder gab es im Leben des 35- Jährigen Phasen, in denen er gezwungen war, auf seinen geliebten Sport zu verzichten: Starke Rückenschmerzen, die bis ins Bein und den Fuß ausstrahlten, quälten den jungen Mann. „Bereits mit Anfang 20 hatte ich immer wieder Rückenschmerzen“, erzählt der Hedelfinger. 2014 waren die Schmerzen dann unerträglich geworden. Die Ärzte diagnostizierten einen Bandscheibenvorfall an einem Lendenwirbel und empfahlen eine Operation. Er wurde im Olgahospital operiert. Die OP war ein voller Erfolg. Zehn Jahre lang hatte Ferdinando Biscotti danach Ruhe. Doch 2024 hatte er einen erneuten Bandscheibenvorfall. „Ich hatte Taubheitsgefühle bis in den Fuß“, beschreibt er seine Situation. Eine erneute OP in einer Stuttgarter Klinik zeigte nur kurzzeitigen Erfolg. „Nach zwei Wochen waren Schmerzen und Taubheitsgefühle wieder da“, erzählt der Hobbyfußballer. Das ist nicht ungewöhnlich nach einer zweiten OP. Die Stuttgarter Medizinerinnen und Mediziner sahen nur eine Möglichkeit: Die Versteifung des betroffenen Wirbels. Doch das hätte bedeutet, dass der Patient danach in der Beweglichkeit sehr eingeschränkt ist. Für den Sportler Ferdinando Biscotti keine gute Perspektive. Zweite Meinung gefragt Er entschloss sich eine zweite Meinung einzuholen. „Man hat mir Dr. Bodon am Klinikum Esslingen empfohlen“, sagt er. Der Hedelfinger kontaktierte den Spezialisten per Mail. Dieser befand sich damals gerade auf einer Konferenz in London. „Er hat mir gesagt, ich solle ihm meine Röntgenbilder schicken. Er würde sich diese in einer Konferenzpause anschauen“, berichtet Ferdinando Biscotti. Der Anruf die Beweglichkeit des Patienten kaum eingeschränkt und Sport weiterhin möglich. Für Ferdinando Biscotti war das die perfekte Lösung. Kurz vor Weihnachten wurde er operiert. Knapp zwei Stunden dauerte die OP, die Dr. Bodon selbst ausführte. „Als ich dann im Aufwachraum zu mir kam, war auch Dr. Bodon da und erklärte mir, dass alles gut verlaufen sei“, berichtet der Patient. Nur wenige Stunden nach dem Eingriff konnte er bereits aufstehen. „Die Schmerzen und das Taubheitsgefühl im Bein waren weg“, sagt er. Und das halte bis heute an. Bereits zwei Tage nach der OP konnte er nach Hause und schmerzfrei Weihnachten feiern. Für die Zeit nach einem solchen Eingriff empfiehlt Dr. Bodon leichte Spaziergänge. Auch Schwimmen sei erlaubt. „Bewegung ist wichtig. Sport jedoch muss noch warten.“ Dabei setzt der Chirurg am liebsten auf Prothesen, die einen beweglichen Kern haben. Wichtig ist dem Arzt, für jeden Patienten und jede Patientin die passende Lösung zu finden. des Arztes erfolgte kurze Zeit später und dieser lud den Patienten nach Esslingen ein, machte ihm Hoffnung auf eine andere Lösung als eine Versteifung. Bandscheibenvorfall – keine Alterskrankheit Dr. Gergely Bodon ist seit 14 Jahren als Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Esslingen tätig und spezialisiert auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen. Bandscheibenvorfälle gehören zu den häufigsten Diagnosen, bei denen der Leitende Arzt für Wirbelsäulenchirurgie gefragt ist. 23 Bandscheiben hat die Wirbelsäule. Sie halten die Wirbel auseinander. Eine geleeartige Flüssigkeit in den Scheiben federt die Bewegungen ab. Doch durch Bandscheibendegeneration kann es passieren, dass die Flüssigkeit austritt und dann auf den sogenannten Spinalnerv trifft. Dies löst dann die Beschwerden aus. Dr. Bodon räumt auf mit dem Vorurteil, dass ein Bandscheibenvorfall immer die Folge von Alter und chronischer Überlastung sei: „Die Vorstellung, dass die Bandscheibe mit dem Alter automatisch Höhe verliert, ist überholt. Wir wissen heute, dass Bandscheibenvorfälle eine Erkrankung sind, die auch junge gesunde Menschen treffen kann.“ So wie Ferdinando Biscotti. Ein Ersatzteil für die kaputte Bandscheibe Dieser ist begeistert vom Esslinger Spezialisten. Nicht nur wegen dessen Fachkenntnissen. „Ich habe sofort einen Draht zu ihm gehabt. Er ist sehr interessiert an seinen Patientinnen und Patienten“, sagt der Hedelfinger. Mut machte ihm auch die Empfehlung des Experten für seine Rückenprobleme. Dr. Bodon sah die Möglichkeit statt einer Versteifung des Wirbels eine Bandscheiben-Prothese einzusetzen. Diese sogenannte Endoprothese ist ein Implantat, das die kaputte Bandscheibe ersetzt. Der Vorteil: Der Kern des Metallteils ist beweglich und flexibel. So ist auch >>> „ Wir können circa 30 verschiedene OPs anbieten. Das ist weit mehr als es viel größere Kliniken haben.” Dank des Einsatzes einer „ErsatzBandscheibe“ kann Ferdinando Biscotti bald wieder zurück auf den Fußballplatz.

8 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 In den vergangenen 15 Jahren habe sich in den OP-Sälen sehr viel verändert, betont der Chirurg. „Wir machen heute nur noch selten große Schnitte, sondern operieren bevorzugt minimal-invasiv und arbeiten viel mit Mikroskop oder Endoskop sowie Navigationsgerät.“ Dank der Unterstützung des Fördervereins proklinikum konnte kürzlich ein neues Gerät zur Durchführung dieser minimal-invasiven OPs angeschafft werden. Dabei mache man mehrere kleine Schnitte, über die dann die Instrumente, zum Beispiel eine Fräse eingeführt werden. Navigiert wird über den Monitor. „Anders als noch vor einigen Jahren werden die Patientinnen und Patienten dabei weniger den Röntgenstrahlen ausgesetzt“, betont der Experte einen Vorteil. >>> Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. Gergely Bodon Leitender Arzt Wirbelsäulenchirurgie Telefon 0711 3103-2651 unfallchir@klinikum-esslingen.de Sportpraxis Esslingen Dr. Michael Ulmer Berliner Straße 4 Esslingen Telefon 0711 353300 mail@sortpraxis-esslingen.de OP als letzte Möglichkeit Doch ist eine OP immer notwendig? „Nein“, betont der Experte. „Von zehn Erkrankten, die zu uns zur Untersuchung kommen, wird einer operiert“. Allen anderen empfehle man zunächst eine konservative Behandlung mit Schmerzmitteln und Physiotherapie. „Eine Operation ist das letzte Mittel“, sagt Dr. Bodon. Drei Indikationen sprechen laut dem Arzt unbedingt für eine OP: „Unerträgliche Schmerzen, wenn die Blase beeinträchtigt ist und wenn eine Querschnittslähmung vorliegt oder droht.“ Innovative Methoden Relativ neu sind auch OPs, die nicht durch den Rücken, sondern in Seitenlage oder von vorne durch den Bauch durchgeführt werden. „XALif“ und „Single position lateral“ heißen diese OP-Methoden im Fachjargon, bei denen Dr. Bodon zu den Pionieren in Deutschland gehört. „Dabei hat man als Operateur einen besseren Blick auf die komplette Wirbelsäule und braucht keinen großen Schnitt“, sagt der Chirurg. Diese Methoden verkürzten auch die OP-Zeit, weil das Umlagern der Patienten aus der Bauchlage in die Seitenlage entfalle. Besonders hilfreich seien diese Methoden zum Beispiel bei übergewichtigen Menschen. Natürlich gibt es auch andere Erkrankungen der Wirbelsäule, die die Esslinger Spezialisten behandeln. Zum Beispiel Osteoporose, die vor allem ältere Frauen betrifft. Dabei nimmt die Knochendichte ab und es kommt häufig schon bei kleinen Bewegungen zu Brüchen in der Wirbelsäule, der Hüfte oder dem Handgelenk. Dr. Bodon verordnet seinen Patientinnen die Einnahme von Vitamin D – wichtig für den Knochenaufbau – sowie moderate Bewegung. Sowieso: Bewegung hält der Orthopäde für absolut wichtig – egal welches Krankheitsbild jemand aufweist. Vor allem Spaziergänge und Schwimmen seien gut für den Erhalt von Knochen und Muskeln, mit zunehmendem Alter aber auch Krafttraining. Auf Bewegung freut sich auch Ferdinando Biscotti. Zwar kann er im Moment noch nicht auf den Fußballplatz. „Ich muss erst noch meine Muskeln aufbauen.“ Dafür geht er demnächst in eine vierwöchige Reha. Danach, so seine Hoffnung, „kann ich wieder arbeiten und mit dem Kicken beginnen.“ gwn Herr Dr. Ulmer, was sind die häufigsten Probleme an der Wirbelsäule, die Sie sehen? Wir haben viele Patienten mit Überlastungsschäden an der Wirbelsäule. Diese äußern sich in der akuten Phase durch Schmerzen, zum Beispiel einem Hexenschuss, bei dem die Schmerzen bis in das Bein ausstrahlen. Wie definieren Sie Überlastungsschäden? Das sind zum einen häufig Überlastungen durch bestimmte Sportarten wie Geräteturnen. Das kann schon im Kindes- und Jugendalter zu Schäden an der Wirbelsäule führen. Dann gibt es aber auch Beschwerden durch Fehlhaltungen. Können Sie ein Beispiel nennen? Wenn zum Beispiel jemand immer gebückt am Schreibtisch sitzt, kann das mit der Zeit zu Bandscheibenschäden führen. Es gibt aber auch angeborene Fehlhaltungen, zum Beispiel die Skoliose, eine Krümmung der Wirbelsäule. Was empfehlen Sie da? Früher hat man Skoliose mit dem Tragen eines Korsetts behandelt. Das ist heute schwieriger geworden. Die Bereitschaft, ein solches Korsett zu tragen, ist gesunken. Wir behandeln das überwiegend mit Physiotherapie. Wichtig ist in jedem Fall, dass Haltungsschäden so früh wie möglich angegangen werden, sonst kommt es im Erwachsenenalter zu größeren Problemen und Schmerzen. Das beste Beispiel ist die Hüftgelenksdysplasie bei Babys, die man ja sofort mit einer Spreizhose behandelt. So kann in vielen Fällen eine frühzeitige Arthroseentwicklung des Hüftgelenks im Erwachsenenalter vermieden werden. Geräteturnen empfehlen Sie nicht für die Wirbelsäule. Welcher Sport aber ist gut? Schwimmen und Walken sind sehr gut für die Wirbelsäule. Das Gespräch führte Gerlinde Wicke-Naber Arzt-Interview: Schwimmen und Walken gut für die Wirbelsäule Dr. Michael Ulmer betreibt zusammen mit seiner Kollegin Ulrike Bartsch-Schmid die Sportpraxis Esslingen. Spezialisiert ist das Team auf die Behandlung und Operation von Schulter- und Knieverletzungen. Doch täglich kommen auch viele Patientinnen und Patienten mit Wirbelsäulenproblemen zur Behandlung.

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 9 Die Endoprothetik, das Einsetzen künstlicher Gelenke, hat am Klinikum Esslingen schon lange einen hohen Stellenwert. Über 250 Operationen werden in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie jedes Jahr durchgeführt – alle von speziell in der Endoprothetik ausgebildeten Operateuren. „Neben den über 200 Erstimplantationen pro Jahr an Hüfte und Knie führen wir auch zunehmend Revisionsoperationen durch. Bei deutschlandweit jährlich etwa 350.000 endoprothetischen Versorgungen an Hüft- und Kniegelenk bleiben mit der Zeit Probleme wie Lockerungen oder Materialverschleiß nicht aus“, sagt Professor Dr. Peter Richter, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, dem das Endoprothetikzentrum angehört. Bewährt hat sich über Jahre die intensive Vorbereitung der Patientinnen und Patienten im Rahmen der Informationsveranstaltungen, die jeden zweiten Monat dienstags um 16.30 Uhr im Forum des Klinikums stattfinden. Hier werden viele Fragen beantwortet, Unsicherheiten und Ängste abgebaut und genau erklärt, wie die Operation abläuft. Termine › 27.5.2025 Prothetik des Kniegelenkes Oberarzt Ihsan Hikal › 16.7.2025 Prothetik des Hüftgelenkes Leitender Oberarzt Dr. Valentin Hubertus › 16.9.2025 Prothetik des Kniegelenkes Chefarzt Professor Dr. Peter H. Richter › 12.11.2025 Prothetik des Hüftgelenkes Oberarzt Ihsan Hikal Gut informiert über Gelenkersatz an Knie und Hüfte Endoprothetikzentrum Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Zertifiziertes Endoprothetikzentrum / Regionales Taumazentrum Prof. Dr. Peter H. Richter Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Hauptoperateur des Endoprothetikzentrums Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie spezielle Unfallchirurgie Dr. Valentin Hubertus Leitender Oberarzt und Chefarztvertreter Hauptoperateur des Endoprothetikzentrums Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie spezielle Unfallchirurgie Ihsan Hikal Oberarzt und Zentrumsleitung Hauptoperateur des Endoprothetikzentrums Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Spezielle orthopädische Chirurgie

10 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 Handchirurgie: Kleine Schnitte – große Wirkung Schnell ist es passiert: Beim Snowboarden oder Inlineskaten nicht aufgepasst und schon hat man sich die Hand gebrochen. In diesen Fällen sind Dr. Florian Fröhlich und sein Team vom Klinikum Esslingen zuständig: Sie operieren nicht nur Brüche, sondern auch Arthrosen oder Tumore in der Hand.

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 11 Dr. Florian Fröhlich Platten oder Schrauben eingesetzt Bei der OP von Brüchen werden Drähte, Schrauben oder Platten aus Titan in die Hand implantiert. „Nach drei bis sechs Monaten, können diese dann in einer weiteren OP wieder entfernt werden,“ sagt der Arzt. „Nur die Kahnbeinschrauben nicht. Diese werden in den Knochen versenkt und verbleiben für immer da drin.“ Abnutzungserscheinungen und Erkrankungen Etwa die Hälfte der Eingriffe, die Dr. Florian Fröhlich durchführt, beziehen sich auf degenerative Erkrankungen (Abnutzungserscheinungen) in der Hand. Verbreitet vor allem bei älteren Frauen sei die Rhiz-Arthrose im Daumen. Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Ungeschicklichkeit seien die Folge. 40 Prozent aller Frauen über 75 Jahren litten an einer solchen Arthrose. „Nicht immer musss diese aber operiert werden“, beruhigt der Experte. Ältere Männer hingegen litten häufiger am Morbus Dupuytren. Dabei bilden sich Knoten und Stränge in der Handinnenfläche, was dazu führt, dass die Betroffenen ihre Hand nicht mehr strecken können. Mit einer OP kann der Chirurg diese Knoten und Stränge entfernen. Bei Überlastung kann es auch zum sogenannten Schnappfinger kommen – einer Entzündung und Verdickung eines sogenannten Ringbandes an einer Beugesehne der Hand. Als Folge kann der Finger nicht mehr richtig gestreckt werden. Wenn eine konservative Therapie nicht anschlägt, kann ein solcher Schnappfinger operativ behandelt werden. Der Eingriff ist nur kurz, nach fünf Minuten ist alles vorbei und die Patientin oder der Patient kann nach Hause. Immer freitags ist OP-Tag in der Handchirurgie des Klinikum Esslingen: Dann steht Dr. Florian Fröhlich den gesamten Tag im OP-Saal und operiert Kahnbeinbrüche, Schnappfinger und Sehnenscheidenentzündungen. Die allermeisten Operationen erfolgen ambulant und dauern weniger als zwei Stunden, häufig nur wenige Minuten. Dr. Florian Fröhlich ist seit 2015 als Arzt an der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Klinikums Esslingen tätig. Angefangen hat er dort als Assistenzarzt, seine Facharztausbildung als Unfallchirurg absolviert und sich anschließend noch zum Handchirurgen fortgebildet. Unter der Woche operiert er mit dem Team der Orthopädie und Unfallchirurgie Beinbrüche und andere Unfallverletzungen, der Freitag ist für die Handchirurgie reserviert. Denn Dr. Fröhlich ist der einzige Spezialist in diesem Fachgebiet am Klinikum Esslingen. „Es ist eine interessante und dankbare Aufgabe“, berichtet der Experte über sein Spezialgebiet. „Die Handchirurgie ist sehr vielfältig und umfasst verschiedene Fachgebiete: die Unfallchirurgie, Elemente aus der plastischen Chirurgie und auch aus der Neuro- und Gefäßchirurgie.“ Und die Eingriffe verliefen überwiegend positiv und erfolgreich. „Wir können den Patienten mit einer kleinen OP helfen. Und dafür sind sie dankbar.“ Sechs bis zehn Eingriffe pro Woche Pro Woche führt der Experte sechs bis zehn Handoperationen durch. „Etwa 50 Prozent der Eingriffe beziehen sich auf Verletzungen“, sagt Dr. Florian Fröhlich. Sehr verbreitet seien bei jüngeren aktiven Menschen Brüche des Kahnbeins, das die erste und zweite Handwurzelreihe verbindet. Im Winter kämen Patientinnen und Patienten nach Ausflügen auf die Snowboardpiste, im Sommer nach Stürzen beim Skateboard- oder Inlinerfahren. Skifahrerinnen und Skifahrer hingegen zögen sich häufig einen Skidaumen zu. „Das passiert, wenn der Daumen im Skistock hängen bleibt“, erklärt der Experte. Aber das sei gut zu operieren. Sehr häufig seien auch Arbeitsunfälle – in Werkstätten mit Maschinen oder auch zuhause im Haushalt. „Beim Gemüse schneiden wird aus Versehen die Sehne oder der Nerv eines Fingers durchtrennt“, nennt Dr. Fröhlich einen typischen Fall. „Die allermeisten Verletzungen bei Arbeitsunfällen betreffen die Hände“, sagt der Experte. 27 Knochen befinden sich in einer Hand, hinzu kommen noch Elle und Speiche. An allen Knochen kann es zu Brüchen kommen, außerdem gibt es Verletzungen an den Sehnen, Bändern und Nerven. Auch Tumore können sich in der Hand bilden, die der Chirurg dann operativ entfernt. >>> „ Die Handchirurgie ist sehr vielfältig und umfasst verschiedene Fachgebiete: die Unfallchirurgie, Elemente aus der plastischen Chirurgie und auch aus der Neuro- und Gefäßchirurgie.” Viele Eingriffe werden ambulant durchgeführt, so dass die Patienten direkt nach der OP nach Hause können.

12 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 Infektionen nicht ungefährlich Wesentlich komplizierter sind Infektionen an der Hand. „Diese entstehen durch Tierbisse, können aber auch nach einer Verletzung zum Beispiel an Dornen auftreten“, erklärt Dr. Florian Fröhlich. Nach einem solchen Eingriff müssten die Patientinnen und Patienten noch für ein, zwei Tage in der Klinik bleiben, damit beobachtet werden kann, ob die Wunde gut verheilt. Auch eine mögliche Blutvergiftung müssen die Ärztinnen und Ärzte im Auge behalten. Für seine Eingriffe stehen Dr. Fröhlich verschiedene Instrumente zur Verfügung. „Wir arbeiten zumeist mit einer Lupenbrillenvergrößerung oder aber einem OP-Mikroskop“, erklärt der Spezialist. Bei komplizierten Fällen komme auch die Arthroskopie zum Einsatz. „Dann führen wir eine kleine Kamera in die Hand ein“, erklärt der Experte. Damit könne man beispielsweise genau untersuchen, welche Knochen bei einer Arthrose betroffen sind. Nicht immer ist eine OP nötig Operiert wird aber nicht immer. Die Patientinnen und Patienten, die von niedergelassenen Orthopädinnen oder Orthopäden zu Dr. Fröhlich geschickt werden, werden zunächst gründlich untersucht. Zumeist werden Röntgen- oder CT-Bilder gemacht. „Viele Verletzungen behandeln wir konservativ und gipsen sie ein. Und manche Erkrankung kann man auch mit Ruhigstellung >>> Bei der Operation von Brüchen werden Drähte, Schrauben oder Platten aus Titan in die Hand implantiert. und Physiotherapie heilen“, sagt der Experte. Immer mittwochs hat er im Klinikum Esslingen seine Handsprechstunde. Wenn er feststellt, dass eine OP notwendig ist, wird ein Termin gemacht. Operiert wird immer freitags. Um so manche OP zu vermeiden, hat der Chirurg auch noch einen Tipp: „Bei Arbeiten in der Werkstatt oder im Haushalt immer Handschuhe tragen und beim Skaten und Inlinern Protektoren für die Handgelenke nutzen.“ So ließen sich viele Verletzungen vermeiden. gwn Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. Florian Fröhlich Leiter Handchirurgie unfallchir@klinikum-esslingen.de Handsprechstunde: Mittwoch 13 bis 15 Uhr Anmeldung unter Telefon 0711 3103-2652 oder -2651

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 13 Vor 15 Jahren hat das Klinikum Esslingen die Informationsreihe KE im Dialog ins Leben gerufen. Seitdem begeistert sie Menschen aus der Region mit einer Vielzahl an spannenden und informativen Vorträgen und Diskussionen. Zahlreiche Expertinnen und Experten des Klinikum Esslingen haben in den letzten 15 Jahren über die unterschiedlichsten Themen der Medizin und Pflege berichtet. In über 250 Vorträgen hatten bereits mehr als 10.000 Interessierte die Möglichkeit, ihr Verständnis für Erkrankungen und deren Behandlungsmöglichkeiten zu erweitern. Anlässlich des 15-jährigen Bestehens von KE im Dialog wurde ein vielfältiges und abwechslungsreiches Jubiläumsprogramm zusammengestellt. Das Online-Programm erstreckt sich über ein gesamtes Jahr: › 6. Mai 2025 Gebärmutterhalskrebs Screening: Für wen? Ab wannw? Was ist sinnvoll? Dr. Cornelia Kurz, Oberärztin, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe › 20. Mai 2025 Tages-Therapie für Kinder und Jugendliche in der Psychosomatik Katharina Teepe, Oberärztin, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie › 3. Juni 2025 Verklebte Faszien: Ursache von Schmerzen, Behandlungsmöglichkeiten Friederike Hardinghaus, Leitung Therapieabteilung › 8. Juli 2025 Lungenembolie: Neue Behandlungsoptionen mit Kathetertechnik Chefarzt Prof. Dr. Tillman Dahme, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie › 22. Juli 2025 Auffälligkeiten im Blutbild Dr. Birgitta Vogt, Oberärztin, Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Onkologie/ Hämatologie, Gastroenterologie und Infektiologie › 23. September 2025 Schlaganfall: Aktuelle Behandlungsmethoden Chefarzt Prof. Dr. Matthias Reinhard, Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Stroke Unit › 7. Oktober 2025 Die schmerzende Hand: Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten Dr. Florian Fröhlich, Oberarzt, Leiter Handchirurgie, Klinik für Unfallchirurgie › 21. Oktober 2025 Gallensteinleiden: Wann operieren? Chefarzt Prof. Dr. Ludger Staib, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie › 18. November 2025 Krankheitsverarbeitung dank Psychoonkologie Eva Rapp, Psychoonkologin, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie › 2. Dezember 2025 Endlich wieder gut schlafen! Dr. Vera Wienhausen-Wilke, Oberärztin, Leiterin des Schlaflabors, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie 15 Jahre KE im Dialog – Medizin verständlich erklärt Anmeldung für die Online-Veranstaltungen Wir laden Sie herzlich ein, an unseren informativen OnlineVeranstaltungen dienstags um 18.00 Uhr teilzunehmen. Anmeldung über: dialog@klinikum-esslingen.de Rechtzeitig vor der Online- Veranstaltung erhalten Sie einen Einwahl-Link.

14 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 Was hilft bei Endometriose? Schmerzhaft, gutartig, chronisch – so lässt sich die Erkrankung Endometriose beschreiben. Im Vergleich zu vor zehn Jahren, als die Krankheit in der Gesellschaft noch fast unbekannt war, hat sich viel in Sachen Aufklärung getan. Einfach sind Diagnose, Behandlung und das Leben mit Endometriose trotzdem noch nicht.

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 15 Dr. Saskia Matias y Papenberg „Kann es sein, dass ich Endometriose habe?“ Diese Frage hört Dr. Saskia Matias y Papenberg, niedergelassene Gynäkologin in Esslingen inzwischen häufig in ihrer Praxis. „Die Patientinnen sind heute viel besser informiert über die Krankheit als noch vor wenigen Jahren“, sagt sie, „das macht die Beratung oft einfacher.“ Dennoch werden noch immer viele Endometriose-Erkrankungen nicht diagnostiziert. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 8 bis15 Prozent aller Mädchen und Frauen weltweit von Endometriose betroffen sind – das sind in Deutschland circa zwei Millionen Frauen. Jährlich kommen rund 40.000 Neuerkrankungen in Deutschland hinzu. Was ist Endometriose? „Bei Endometriose wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut stark ähnelt, außerhalb der Gebärmutter. Es siedelt sich zum Beispiel an den Eierstöcken, im Bauch- und Beckenraum, am Darm oder Bauchfell an“, so erklärt Dr. Karin Pethke, Oberärztin und Leiterin des Endometriose-Zentrums am Klinikum Esslingen, ihren Patientinnen die Erkrankung. Das EndometrioseGewebe kann prinzipiell an jeder Stelle des Bauchraums wachsen, in wenigen Fällen auch außerhalb, zum Beispiel in der Lunge. Diese sogenannten Endometriose-Herde bauen abhängig vom Hormonspiegel die Schleimhaut auf und stoßen sie zyklisch wieder ab – ähnlich dem Prozess in der Gebärmutter. Dadurch können sehr unterschiedliche Beschwerden, unter anderem starke Schmerzen auftreten. Vielfältige Schmerzen Die starken Schmerzen, das Symptom, unter dem die meisten Frauen mit Endometriose leiden, können sehr unterschiedlich in ihrer Ausprägung sein. Die Schmerzen treten insbesondere im Bauchraum, beim Wasserlassen, beim Stuhlgang oder beim Geschlechtsverkehr auf. Aber auch für Schmerzen im Schulterbereich oder im unteren Rücken kann Endometriose der Auslöser sein. „Oftmals sind die Schmerzen zyklusabhängig. Das hängt mit der Hormon-Stimulation der Endometriose-Herde zusammen“, sagt Dr. Karin Pethke. „Es gibt aber auch Frauen, die ausgedehnte Endometriose-Herde haben und keine Schmerzen. Die Beschwerden sind also nicht unbedingt von der Ausdehnung der Läsionen abhängig, warum das so ist, weiß man nicht.“ Diese Unterschiedlichkeit und Varianz der Schmerzen beobachtet auch Ivonne van der Lee, Gründerin der Selbsthilfegruppe „Endo-Ladies“. „Teilweise ist der Alltag für die Frauen schwer bewältigbar, denn verschreibungsfreie Schmerzmittel in normaler Dosierung reichen oft nicht mehr aus, um die Schmerzen zu lindern.“ Langer Weg der Diagnostik Die Herausforderung bei der Diagnosestellung besteht einerseits darin, dass verschiedene Erkrankungen Schmerzen im Bauchraum verursachen können, und andererseits darin, dass die Symptome der Endometriose vielfältig und oft schwer zu fassen sind. Nach der ausführlichen Anamnese der Patientinnen schließt sich eine gründliche Untersuchung an, auch per Ultraschall. Oberflächliche Herde auf dem Bauchfell sind im Ultraschall meistens nicht sichtbar. Tief ins Gewebe eingedrungene Endometriose-Herde, Zysten am Eierstock – auch Schokoladenzysten genannt – sowie Endometriose-Herde in der Gebärmutterwand sind jedoch in der Regel sehr gut mittels Ultraschall darstellbar. „Eine gesicherte Diagnose gibt es letztendlich nur über die Untersuchung einer Gewebeprobe, die bei einer Bauchspiegelung im Krankenhaus entnommen wird“, sagt Dr. Matias y Papenberg. „Deshalb kann ich als niedergelassene Ärztin zunächst nur den Verdacht auf eine Endometriose feststellen.“ Eine Therapie, die den Patientinnen hilft und die Symptome lindert oder verhindert, kann aber dennoch begonnen werden – der Verdachtsfall reicht aus. Speicheltest für Selbstzahler Seit wenigen Jahren gibt es einen Speicheltest, mit dem festgestellt werden kann, ob eine Endometriose vorliegt. In Deutschland ist dieser Test noch keine Kassenleistung und der Preis pro Test liegt bei bis zu 800 Euro. „Der Test könnte bei Frauen, die schon einen langen Leidensweg hinter sich haben, eine Ergänzung bei der Diagnosestellung werden. Insbesondere psychologisch kann es helfen, wenn man gesichert weiß, mit was man es zu tun hat“, glaubt Ivonne van der Lee. Professor Dr. Alexander Hein, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, und und sein Team setzen den Test aktuell nicht ein: „Für die erfolgreiche Behandlung der Erkrankung ist es für uns nicht entscheidend, ob eine gesicherte Diagnose vorliegt. Dr. Karin Pethke Prof. Dr. Alexander Hein >>> „ Für die erfolgreiche Behandlung der Erkrankung ist es für uns nicht entscheidend, ob eine gesicherte Diagnose vorliegt.”

16 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 >>> Viel wichtiger ist, ob wir den Frauen helfen können und die Schmerzen behoben oder gelindert werden“, sagt Professor Hein. Medikamentöse Therapie „Mittel der ersten Wahl für die Therapie von Endometriose ist eine Hormon-Therapie“, erklärt Dr. Matias y Papenberg. Die Gabe von Gestagenen zielt auf Endometriose-Herde ab, die hormonell gesteuert im monatlichen Zyklus die Schleimhaut aufbauen, ebenso wie in der Gebärmutter. Die Hormone sollen den Aufbau der Schleimhaut und ihre Abblutung am Zyklusende verhindern, damit wird die Aktivität der Endometriose-Herde eingestellt. „Tatsächlich bemerke ich bei vielen Frauen, dass sie einer HormonTherapie gegenüber sehr skeptisch eingestellt sind“, erläutert die Gynäkologin. Ähnliches beobachtet auch Dr. Karin Pethke am EndometrioseZentrum der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. „Nach ausführlicher Anamnese und umfassender Sonographie (Ultraschall) besprechen wir mit den Patientinnen gemeinsam die Diagnose“, erklärt die Oberärztin die Abläufe. Auch in der Klinik setzt man auf die Hormon-Therapie, oft begleitet von Schmerzmedikamenten. „Wir erklären den Patientinnen die Vorteile einer hormonellen Therapie und versuchen, die Bedenken zu nehmen.“ „Gerade durch die enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Frauenärztinnen und Frauenärzten verläuft die gemeinsame Behandlung dieser Patientinnen an einem EndometrioseZentrum besonders erfolgreich“, sagt Dr. Pethke. Durch diese koordinierte Betreuung können wir vielen Patientinnen helfen und ihre starken Schmerzen besser unter Kontrolle bringen“, ergänzt Professor Hein. Operative Therapie „Wenn eine hormonelle Therapie nicht anschlägt, oder wir bei der Ultraschall-Untersuchung große Endometriose-Herde entdecken, auf die bestimmte Schmerzen, zum Beispiel beim Wasserlassen, zurückzuführen sind, dann kommt eine Operation als Therapieoption ins Spiel“, sagt Dr. Karin Pethke. Bei einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) unter Vollnarkose werden die Endometriose-Herde entfernt. „Eine solche Behandlung sollte man gut abwägen und unbedingt in einem zertifizierten Zentrum durchführen lassen“, empfiehlt Ivonne van der Lee. „Dort sind die Ärztinnen und Ärzte erfahren, da sich dort jährlich viele Endometriose-Patientinnen vorstellen.“ Bei den meisten Frauen nehmen die Beschwerden durch eine Operation ab. „Damit ist die Therapie aber nicht beendet und die Endometriose noch nicht geheilt“, erklärt Dr. Karin Pethke. „Endometriose ist eine chronische Erkrankung und bedarf deshalb oftmals einer fortlaufenden Behandlung. Nach der Operation folgt in der Regel eine hormonelle Therapie, um ein Wiederauftreten der Erkrankung und der Beschwerden zu verhindern.“ Komplementäre Ansätze Neben der medizinischen Behandlung spielt der psychologische Aspekt bei Endometriose eine große Rolle. Ansätze, die die Lebensweise in den Blick nehmen, wie Ernährungsumstellung, Stressreduktion oder Bewegung, können helfen, das generelle Wohlbefinden zu verbessern, Symptome zu reduzieren und die Schmerzen zu verringern. Unerfüllter Kinderwunsch Häufig führt Endometriose zu unerfülltem Kinderwunsch. Bei 40 bis 50 Prozent der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, liegt eine Endometriose vor. „Für diese Frauen gibt es aber eine gute Prognose: Die meisten von ihnen können nach einer hormonellen oder operativen Therapie schwanger werden“, sagt Dr. Karin Pethke. „Wichtig ist, dass die Patientinnen erst ganz kurz vor dem Zeitpunkt, zu dem sie schwanger werden möchten, die Hormone absetzen und nicht schon Monate vorher“, so Pethke. „Sonst haben die Endometriose-Herde zu viel Zeit, sich wieder aufzubauen und das ist oft konträr zum Schwanger werden.“ Auch die operative Entfernung des Endometriose-Gewebes hat oft positiven Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Um den Kinderwunsch zu erfüllen, arbeitet das EndometrioseZentrum am Klinikum Esslingen deshalb frühzeitig mit Kinderwunsch-Zentren zusammen. Endometriose-Zentrum Esslingen Für die Zertifizierung als EndometrioseZentrum sind vor allem eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Behandlungsqualität, sowie eine hohe Anzahl an behandelten Patientinnen von Bedeutung. Im Januar 2025 wurde die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe erneut erfolgreich durch die Europäische Endometriose-Liga und die Stiftung EndometrioseForschung rezertifiziert. Ein entscheidendes Kriterium dabei ist die interdisziplinäre Vernetzung verschiedener Fachrichtungen, um eine bestmögliche Versorgung der Patientinnen zu gewährleisten. Auch die Fallzahlen unterstreichen die Expertise des Klinikums Esslingen: Jährlich werden hier rund 400 Patientinnen mit Endometriose behandelt und etwa 150 operative Eingriffe im Zusammenhang mit der Erkrankung durchgeführt. Professor Dr. Alexander Hein Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. Karin Pethke Leiterin des Endometriose-Zentrums Endometriose-Sprechstunde Dienstags 8.00 Uhr – 16.00 Uhr Anmeldung Telefon 0711 3103-3056 frauenklinik@klinikum-esslingen.de

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 17 Aufklärung ist wichtig Auch heute noch beträgt die Zeit von Symptombeginn zur Diagnose laut Endometriose Vereinigung durchschnittlich siebeneinhalb Jahre. Das hat mehrere Gründe, einer ist: „Viele Frauen denken immer noch, dass Schmerzen bei der Menstruation normal sind und halten das so lange aus, wie es irgendwie geht“, sagt Professor Hein. Aber es besteht Hoffnung auf Besserung. „Ich denke die Dauer bis zur Diagnose wird sich in den nächsten Jahren verkürzen, denn das Thema ‚Schmerzen rund um die Menstruation‘ wird zum Glück immer mehr enttabuisiert. Junge Frauen sprechen offener über das Thema, auch außerhalb des Familienkreises und bekommen so mehr mit, wie es sein kann und sollte“, sagt Dr. Karin Pethke. Diese jungen Frauen akzeptieren dann keine regelmäßigen starken Schmerzen mehr. Dass es immer mehr informierte Patientinnen gibt, daran haben auch Selbsthilfegruppen, wie die „Endo-Ladies“ einen großen Anteil. Ivonne van der Lee ist die Gründerin und Leiterin der Gruppe, die inzwischen fast 2.000 Mitglieder hat und im gesamten deutschsprachigen Raum aktiv ist. „Endometriose ist die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung. Umso wichtiger ist es, dass wir darüber informieren und aufklären“, sagt Ivonne van der Lee, die selbst vor über 10 Jahren an Endometriose erkrankt ist. Inzwischen kann sie wieder völlig beschwerdefrei und ohne Dauermedikation leben. Ihr ist es wichtig, auch junge Menschen zu sensibilisieren. „Wir haben immer mehr junge Frauen in unserer Selbsthilfegruppe. Betroffene Teenager informieren sich schon mit dem Start der Menstruation und können so viel schneller eine passende Therapie erhalten.“ Selbsthilfegruppen als wichtige Stütze Psychologische Unterstützung ist neben der Aufklärung ein Ziel der Selbsthilfegruppe Endo-Ladies: „Wir bieten in unseren WhatsApp-Gruppen einen geschützten Raum zum Austausch unter Betroffenen. Es kann so ungemein entlastend sein, wenn man merkt, man ist mit seinen Schmerzen und Schwierigkeiten nicht allein“, sagt Ivonne van der Lee. Neben dem digitalen Austausch organisiert sie Gruppentreffen in der Region Stuttgart und immer wieder Infoveranstaltungen zusammen mit spezialisierten Ärztinnen und Ärzten – online oder live. Die Selbsthilfegruppe lädt gemeinsam mit dem Endometriose-Zentrum am Klinikum Esslingen zum großen Endometriose-Symposium am 22. Mai 2025 ein. Die Veranstaltung bietet Impulsvorträge, Fragerunden und die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch. rf Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Prof. Dr. Alexander Hein Chefarzt Dr. Karin Pethke Oberärztin Leiterin des Endometriose-Zentrums Telefon 0711 3103-3056 frauenklinik@klinikum-esslingen.de Frauenarztpraxis Dr. Saskia Matias y Papenberg Telefon 0711 36576161 info@myp-praxis.de Selbsthilfegruppe Endo-Ladies Ivonne van der Lee Gründerin und Leiterin E-Mail: info@ endoladies.de Alle Termine und weitere Infos unter: www.endo-ladies.de und auf Instagram und Facebook „ Endometriose ist die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung. Umso wichtiger ist es, dass wir darüber informieren und aufklären.” Bei Endometriose wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut stark ähnelt, außerhalb der Gebärmutter. Es siedelt sich zum Beispiel an den Eierstöcken an.

18 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 Nahezu jeder dritte Mensch in Deutschland leidet unter Bluthochdruck. Bei über 70-Jährigen benötigen sogar drei von vier Menschen eine Therapie gegen Bluthochdruck. Wie diese aussieht und was man selbst unterstützend machen kann, erklären wir in diesem Beitrag. Zu viel Druck ist schädlich

1 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 19 Volkskrankheit Nummer Eins „Oft merken Patienten selbst gar nicht, dass sie einen dauerhaft erhöhten Blutdruck haben, da er sich schleichend entwickelt“, sagt Dr. Michael Augsten, hausärztlicher Internist in Ruit. In seiner Gemeinschaftspraxis behandelt er viele Patientinnen und Patienten, die an der am häufigsten verbreiteten Volkskrankheit in Deutschland leiden. Bis etwa zum 60. Lebensjahr sind häufiger Männer als Frauen betroffen, danach sind es mehr Frauen als Männer, die unter Bluthochdruck leiden. Was ist Bluthochdruck? Blutdruck ist der Druck, den das Blut bei jedem Herzschlag auf die Gefäße ausübt. So wird das Blut aus dem Herzen in die Gefäße gepumpt. Der Blutdruck wird in mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) gemessen – optimal ist ein Blutdruck von 120/80 mmHg. Der erste Wert in der Blutdruckmessung bezeichnet den systolischen Blutdruck, der entsteht, wenn sich das Herz zusammenzieht und Blut in den Körper pumpt. Der zweite Wert steht für den diastolischen Blutdruck, der entsteht, wenn das Herz erschlafft und der Druck in den Gefäßen nachlässt. Bei Patienten mit Hypertonie sind meist beide Werte erhöht, so dass der Blutdruck in Ruhe dauerhaft über den Grenzwerten liegt. Dieser permanent starke Druck wird an die Arterien weitergegeben. „Durch den hohen Druck und damit verbundenen Scherkräften in den Blutgefäßen entstehen Verletzungen in den Blutgefäßen, die zu schweren akuten und chronischen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems führen können“, sagt Professor Tillman Dahme, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Klinikum Esslingen. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der Hypertonie ist daher sehr wichtig. Symptome ernst nehmen Klassische Symptome bei Bluthochdruck sind: Schwindelgefühl, Übelkeit, Luftnot, ein Beklemmungsgefühl oder Druck in der Brust, Schlafstörungen, Müdigkeit, Ohrensausen oder auch Nasenbluten. Da diese Symptome nicht eindeutig sind, besteht immer das Risiko, dass Patientinnen und Patienten die Beschwerden nicht richtig deuten und der Bluthochdruck nicht oder spät erkannt wird. Dann muss die Dosierung der Medikation oft schon relativ hoch angesetzt werden. „Prävention ist bei diesem Thema deshalb besonders wichtig. Das Blutdruckmessen bei allen Check-ups und Vorsorgeuntersuchungen ist auch bei jüngeren Menschen obligatorisch“, sagt Dr. Augsten. „Dabei stellen wir oft einen erhöhten Blutdruck fest, auch wenn die Betroffenen noch keine Symptome spüren.“ Primäre und sekundäre Hypertonie Rund zehn Prozent der Erkrankten haben eine Grunderkrankung, die zu erhöhtem Blutdruck führt – die sekundäre Hypertonie. Chronische Entzündungen, meist gutartige Tumoren der Nebenniere, Nierenerkrankungen, hormonelle Störungen oder das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom (kurzfristige Aussetzer der Atmung im Schlaf) sind Beispiele für Grunderkrankungen, die den Blutdruck steigen lassen. Wenn die Ursache erfolgreich behandelt wird, normalisiert sich meist auch der Blutdruck wieder. Die meisten Erkrankten haben keine organische Ursache für den Bluthochdruck, hier spricht man von primärer Hypertonie. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und oft ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren. Gefährliche Folgeerkrankungen „Wird der primäre Bluthochdruck nicht rechtzeitig behandelt, kann das sehr schwere und akute Erkrankungen zur Folge haben, wie zum Beispiel Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine Herzmuskelschwäche. Auch eine Nierenschwäche bis hin zum Nierenversagen können auftreten“, erklärt Professor Tillman Dahme. Diese Patientinnen und Patienten müssen zwangsläufig in einer Klinik behandelt werden und können auch nach der akuten Phase stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sein. Behandlung mit Medikamenten „Unser größtes Ziel ist es deshalb, diese schweren Erkrankungen mit einer passenden Therapie zu verhindern“, sagt Dr. Michael Augsten. „Wir können dabei auf eine Vielzahl an Medikamenten zurückgreifen und so individuell für jede Patientin und jeden Patienten die passende Therapie finden.“ Bei der Behandlung kommen Medikamente unterschiedlicher Wirkstoffgruppen und unterschiedlicher Wirkmechanismen zum Einsatz, wie zum Beispiel ACE-Hemmer, Sartane, Kalziumantagonisten oder Diuretika. Früher wurden auch häufig Beta-Blocker zur Blutdrucksenkung eingesetzt, jetzt kommen diese hauptsächlich bei Herzinsuffizienz-Patientinnen und -Patienten zum Einsatz. Je nach Ausprägung der Hypertonie greifen Medizinerinnen und Mediziner auf eine Mono- oder Kombinationstherapie zurück – ein oder mehrere Medikamente in Kombination. Blutdruck-Grenzwerte Grenzwerte bei der Blutdruckmessung, die eine Behandlung erforderlich machen: › 140 / 90 mmHg in der Praxis › 135 / 85 mmHg zu Hause › 130 / 80 mmHg als Mittelwert bei der 24-Stunden-Messung Dr. Michael Augsten Prof. Dr. Tillman Dahme >>> „ Wird der primäre Bluthochdruck nicht rechtzeitig behandelt, kann das sehr schwere und akute Erkrankungen zur Folge haben.”

20 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 | 2025 Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Kardiologie Prof. Dr. Tillman Dahme Chefarzt Telefon 0711 3103-2401 kardiologie@klinikum-esslingen.de Hausarztzentrum Ruit Dr. Michael Augsten Hausärztlicher Internist, Pneumologe augsten@hausarztzentrum-ruit.de Herzklopfen Der Förderverein „Herzklopfen e.V.“ möchte aus privater Initiative die Kardiologische Klinik am Klinikum Esslingen unterstützen. Ziel ist die nachhaltige Information und intensive Motivation von Menschen mit Erkrankungen rund um Herz und Herzkranzgefäße. www.herzklopfen-kardiologie-es.de >>> Unterstützungsprogramme der Krankenkassen Kein oder sehr wenig Alkohol, nicht Rauchen und Stress-Reduktion, sind wichtige Stellschrauben bei der Senkung des Blutdrucks, deren Umsetzung aber oft nicht so leicht ist. Zum Einstieg in eine Lebensstilumstellung bieten alle Krankenkassen hilfreiche und kostenlose Präventionsprogramme an. Auswirkungen von Schlaf Auch die Qualität des Schlafs kann sich auf den Blutdruck auswirken. Wer längerfristig schlecht schläft, hat ein erhöhtes Erkrankungsrisiko – auch für Herzkreislauf-Erkrankungen. Bei LangzeitBlutdruck-Messungen über 24 Stunden, die bei der Diagnose von Bluthochdruck eingesetzt werden, achten Ärztinnen und Ärzte deshalb auch auf den Wert in der Nacht. „Wenn der Blutdruck im Schlaf nicht absinkt, dann sollte man unbedingt hinterfragen, warum das so ist. Es ist wichtig, die primäre Ursache herauszufinden und zu verändern, wie zum Beispiel dauerhafter Stress privat oder im beruflichen Umfeld“, rät Dr. Michael Augsten. Höheres Lebensalter als Risikofaktor Ältere Menschen haben ein stark erhöhtes Risiko an Bluthochdruck zu erkranken. Das hat mehrere Gründe: „Mit zunehmendem Alter nimmt die Elastizität der Blutgefäße ab und das Gefäßsystem kann sich schlechter an Druckschwankungen anpassen. Außerdem nimmt die Ablagerung in den Arterien, die Arteriosklerose, über die Jahre zu und der Widerstand in den Arterien ist erhöht, dadurch muss das Herz stärker pumpen“, erklärt Professor Tillman Dahme. Eine Rolle für die Häufung von Hypertonie im Alter spielt auch die altersbedingte verminderte Nierenfunktion. „All diese Faktoren machen eine regelmäßige Blutdruckkontrolle bei älteren Patienten umso wichtiger“, fasst Professor Tillman Dahme zusammen. rf „Wir erzielen mit der Kombination von zwei Präparaten in niedriger Dosierung oft ein besseres Ergebnis als mit einem Medikament in höherer Dosierung. Die positiven Effekte der Medikamente addieren sich“, erklärt Dr. Michael Augsten. „Deshalb kann es sein, dass Patienten auch schon zu Beginn einer Therapie mehrere Medikamente gleichzeitig verordnet bekommen.“ Wichtig ist: Die Medikamente müssen regelmäßig nach Vorschrift des Arztes oder der Ärztin eingenommen werden, sonst kann die Therapie nicht wirken. Bei regelmäßiger Einnahme sind die Prognosen sehr gut. Risikofaktoren kann jeder selbst minimieren Dauerhafter Bluthochdruck muss in den meisten Fällen mit Medikamenten behandelt werden, aber zusätzlich können Patientinnen und Patienten mithelfen, den Blutdruck zu senken. Ist der Blutdruck nur leicht erhöht, reicht eine Lebensumstellung manchmal sogar aus, um den Blutdruck zu senken. Risikofaktoren für Bluthochdruck sind: Übergewicht, mangelnde Bewegung, Rauchen, salzreiches Essen, Stress und Alkohol. „Ganz wichtig ist, dass die Betroffenen sich darüber bewusstwerden, wie viel sie selbst mit einer Änderung in ihren Lebensgewohnheiten bewirken können“, sagt Professor Tillman Dahme. Dabei sollte man die Ziele nicht direkt zu hoch stecken: „Ich rate meinen Patientinnen und Patienten, in kleinen Schritten anzufangen, sei es der tägliche kleine Spaziergang nach der Arbeit, Treppensteigen statt Aufzug oder Besorgungen zu Fuß, statt mit dem Auto zu machen“, erläutert Dr. Michael Augsten. Kleine Veränderungen lassen sich besser in den Alltag integrieren und dauerhaft umsetzen, dadurch entstehen Erfolgserlebnisse. „Die Veränderungen sollten Spaß machen und keine Radikalkur sein“, rät Dr. Michael Augsten. Bewegung hilft, den Blutdruck zu senken.

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