Ausgabe 2 >2018

2 2018 Esslinger Gesundheitsmagazin 19 Die Grenzen für minimalinvasive Operationen wurden in den vergangenen Jahren immer weiter hinausgeschoben. Immer kompliziertere Operationen werden inzwischen minimalinva- siv durchgeführt. „Ob eine minimalinvasive Technik für den Patienten tatsächlich Vorteile bringt, sollte vor der Operation genau geprüft werden“, urteilt Professor Dr. Ludger Staib, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Klinikum Esslingen. Denn neben den oft vollmundig verspro- chenen Vorteilen, hat die minimalinvasive Technik auch Nach- teile. So ist der technische Aufwand höher, was unter anderem zu längeren Operationszeiten führt. Das aber wiederum heißt, dass der Patienten auch länger in Narkose ist. Zudem hat der Operateur weniger direkte Eingriffsmöglichkeiten während der Operation, zum Beispiel im Falle einer Blutung. „Dennoch hat sich die minimalinvasive Operationstechnik für eine ganze Reihe von Eingriffen inzwischen als Standard etabliert, mit ebenso guten Ergebnissen wie eine offene chirurgische Operation“, sagt Professor Staib. Für ihn, der die neue Technik während seiner Ausbildung in Ulm vor über 20 Jahren kennenlernte, war die minimalinvasive Chirurgie eine Revolution in der Chirurgie: „Nicht mehr direkt mit der Hand, sondern quasi von außen über lange Instrumente durch Zugänge (Ports) in der Bauchdecke zu operieren. Das alles unter der Sicht einer mehr oder minder gut geführten Kamera – der Chirurg, der bisher alles fest „im Griff“ hatte, war nun- mehr von der Technik und all ihren Fehlerquellen deutlich abhängiger als bisher. Das ist so, als würde man das erste Mal unter Wasser atmen mit einem Tauchgerät.“ Im Laufe der Jahre wurden die Techniken verfeinert, die Verfahren in wis- senschaftlichen Studien evaluiert, die Fehlerquellen wurden erkannt und ausgeschaltet und Generationen von Chirurgen ausgebildet. Heute sei die Technik aus vielen Bereichen der Bauchchirurgie nicht mehr wegzudenken. Gallenblasenentfernung oder Bruchoperationen nennt Profes- sor Staib als Beispiele, von denen in der Esslinger Klinik heute über 90 Prozent minimalinvasiv operiert werden. Aber auch Blinddarmoperationen und Eingriffe am Dickdarm werden sehr oft mit den schonenden Techniken operiert. „In der bariatri- schen Chirurgie, also Operationen zur Magenverkleinerung bei stark übergewichtigen, adipösen Patienten, ist die minimal­ invasive Technik sogar im Vorteil, weil sich der Operateur nicht erst durch eine dicke Fettschicht arbeiten muss, die immer wieder die Sicht versperrt.“ Die Operationen zur Magenverklei- nerung erfolgen heute im Esslinger Adipositaszentrum nahezu ausschließlich minimalinvasiv und sind gut standardisiert. Insgesamt hat das minimalinvasive Verfahren neben den kosmetischen Aspekten mit nur kleinen unauffälligen Narben weitere Vorteile: Die Patienten haben weniger Schmerzen, erholen sich rascher, können das Krankenhaus schneller ver- lassen und damit auch eher an den Arbeitsplatz zurückkehren. „Die meisten Patienten sind erstaunt, wie wenig sie nach einer Gallenblasenentfernung oder Leistenbruchoperation von den Operationsfolgen spüren.“ Es konnte sogar gemessen werden, dass die Ausschüttung von Schmerzsubstanzen und die sub- jektive Empfindung von Schmerzen bei einer minimalinvasiven Operation deutlich geringer ist als bei der herkömmlichen Gallenblasenentfernung. So hat sich die minimalinvasive Chirurgie dank der immer größeren Erfahrung, mit standardisierten Eingriffen und immer besseren Instrumenten zu einem sehr sicheren Verfahren ent- wickelt. Allerdings setzt die Technik auch einige Übung voraus. Im Klinikum Esslingen wird bereits seit den 1990er Jahren minimalinvasiv operiert, so dass die Ärzte hier über langjährige Erfahrung verfügen. „Allerdings sollten die Ärzte beides beherrschen, die minimal- invasive Technik und die offen chirurgischen Verfahren, denn gelegentlich muss während einer Operation zum offenen Ver- fahren gewechselt werden, weil zum Beispiel Verwachsungen den minimalinvasiven Zugang verhindern oder unerwartete Probleme wie Blutungen oder eine mangelnde Übersichtlich- keit auftreten. Zudem gibt es auch eine ganze Reihe von Aus- schlusskriterien. So wird die minimalinvasive Technik nicht eingesetzt bei hohem Herz-Lungen-Risiko, bei Infektion der Bauchdecke oder Bauchhöhle, bei Gerinnungsstörungen, bei bekannten erheblichen Verwachsungen im Bauch- >>> „Ob eine minimalinvasive Technik für den Patien­ ten tatsächlich Vorteile bringt, sollte vor der Operation genau geprüft werden.“ Chefarzt Professor Dr. Ludger Staib

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