Ausgabe 2 >2018

2 2018 Esslinger Gesundheitsmagazin 35 Die Diagnose der Erkrankung ist sehr komplex. Die Symptome Husten, Fieber, Gewichtsverlust, Müdigkeit und Abge- schlagenheit sind sehr unspezifisch und passen auf verschiedene Krankheiten. „Tuberkulose ist eine langsam voran- schreitende Krankheit. Die Patienten werden nicht plötzlich krank“, sagt Dr. Martin Faehling, Leiter der Pneumologie am Klinikum Esslingen. Und so tasten sich die Pneumologen bei ihrer Diagnose Schritt für Schritt voran. Ein Röntgenbild gibt Aufschluss, ob sich in der Lunge sogenannte Läsionen gebildet haben. Läsionen sind Veränderungen an der Struktur eines Organs. „Ein Bluttest kann auch Aufschluss geben, ob das Immun- system Kontakt zum Erreger hatte“, sagt Dr. Faehling. Das heißt aber nicht, dass der Patient an Tuberkulose leidet und für andere ansteckend ist. Erst die Analyse des ausgehusteten Schleims erbringt den Nachweis Tuberkulose. Isolation für den Patienten Wird die Tuberkulose diagnostiziert, muss das zuständige Gesundheitsamt infor- miert werden. Denn die Infektionskrank- heit ist in Deutschland melde- und behandlungspflichtig. Für die Therapie gibt es strenge Vorgaben in den Stan- dardleitlinien. Der Patient muss solange isoliert werden, bis er keine Erreger mehr ausscheidet. „Das kann vier bis sechs Wochen dauern, aber auch mehr als sechs Monate“, sagt Dr. Kramberg. Regel- mäßige Untersuchungen des Auswurfs dienen der Kontrolle des Therapieerfolgs. Zur Behandlung werden verschiedene Antibiotika in unterschiedlicher Dauer eingesetzt. „Die Medikamente werden in der Regel gut vertragen. Kontrolliert werden müssen nur die Augen regelmä- ßig“, sagt Dr. Kramberg. Die psychische Einer von ihnen ist Dr. Sebastian Kram- berg. Er ist Facharzt für Pneumologie und arbeitet in der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Klini- kum Esslingen. „Wir haben nach wie vor immer wieder Patienten mit Tuberkulose auf der Station“, sagt er. In der Regel müssen die Patienten sechs bis acht Wochen im Klinikum Esslingen bleiben, bei schweren Fällen sogar sechs Monate oder länger. Die Zahl der Patienten mit einer behand- lungsbedürftigen Tuberkulose hat sich in Deutschland durch die Migration in den Jahren 2015 und 2016 erhöht. Das bestä- tigen auch die Zahlen des Robert-Koch- Instituts für Infektionskrankheiten, das nach dem Entdecker der Tuberkulosebak- terien, Robert Koch, benannt wurde. Obwohl es zu mehr Tuberkulosefällen gekommen ist, hat sich das Risiko für den gesunden Bürger allerdings nicht erhöht, betont Dr. Kramberg. Grippeviren oder Noro-Virus seien deutlich ansteckender. „Die Tuberkulose wird durch Tröpfchen- infektion übertragen. Die Infektion erfolgt leichter an Orten, in denen viele Menschen eng zusammenleben. Wie zum Beispiel in den Flüchtlingsunterkünften.“ Hinzu kommen weitere Bedingungen, die die Gefahr einer Ansteckung erhöhen: Stress und ein schon geschwächtes Immunsystem. Bei älteren Patienten kann es durch wei- tere Erkrankungen oder die Einnahme von Kortison zu einer Reaktivierung der Tuberkulose kommen. Infiziert haben sie sich während oder nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Infektion ist aber nicht ausgebrochen, sondern hat „geschlafen“. Mediziner sprechen von einer latenten Tuberkulose. 2016 war bei 40 Prozent der verstorbenen HIV- Patienten Tuberkulose die Todesursache >>> Belastung durch die Isolation sei für die Patienten weitaus belastender als die Antibiotikatherapie. Entlassen werden die Patienten, wenn sie als nicht mehr ansteckend eingestuft werden. Die medikamentöse Behandlung muss noch mehrere Monate lang fortge- setzt werden und gilt dann als abge- schlossen. Von Heilung sprechen die Ärzte nicht. „Es bleibt ein schlafendes Erregerreservoir zurück. Bei Stress oder einem geschwächten Immunsystem kann die Tuberkulose erneut ausbrechen“, sagt Dr. Faehling. Nicht behandelt führt die Infektions- krankheit zum Tod. Neben der Lunge befallen die Bakterien auch die Knochen, die Nieren, das Zentrale Nervensystem und die Lymphknoten. Die meisten in Deutschland dokumentierten Fälle betreffen allerdings die Lungentuber­ kulose. Resistente Stämme Ein immer größeres Problem bei der Behandlung sind die antibiotikaresis– tenten Bakterienstämme. Multiresistente Stämme haben sich unter anderem in Osteuropa gebildet. Durch die oftmals schlechte politische und wirtschaftliche Lage wurden Tuberkulosepatienten nicht umfänglich mit allen Antibiotika behan- delt, sondern oft nur mit einem. So konn- ten die Bakterien Resistenzen bilden und sprechen nicht mehr auf die Standard– behandlung mit vier verschiedenen Anti- biotika an. Bei einem resistenten Stammmüssen die Ärzte auf die sogenannten Reserveanti- biotika zurückgreifen. „Die Behandlung ist für den Patienten noch Dr. Sebastian Kramberg Dr. Martin Faehling

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