Ausgabe 2 >2018

40 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 2018 Auch die präventive Einnahme von Aspi- rin zur Blutverdünnung, um Gerinnsel in den Arterien zu verhindern, zeigt beim weiblichen Geschlecht eine geringere Wirkung. „Die genaue Ursache hierfür ist nicht bekannt. Vermutet wird, dass die Gerinnungsprozesse bei Frauen etwas anders als bei Männern ablaufen“, sagt er. Wird Aspirin allerdings nach einem Herzinfarkt eingenommen, wirkt es bei beiden Geschlechtern gleichermaßen. Die klassischen Risikofaktoren für eine Herzerkrankung unterscheiden sich bei Frauen und Männern nicht: Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoff- wechselstörung und Diabetes schädigen die Herzkranzgefäße nachweislich. „Viele Frauen haben vor Brustkrebs die meiste Angst, vergessen aber, dass die koronare Herzerkrankung viel häufiger vorkommt als Brustkrebserkrankungen“, sagt Leschke.Denn Frauen sind durch weitere Risikofaktoren wie Stress, Erschöpfung, seelische und psychosoziale Belastung gefährdet. Zu viel Stress für das weibliche Herz Enorme seelische Belastungen, wie der Tod des Partners, Scheidungen oder Trennungen, können bei Frauen zum Takotsubo-Syndrom (TTS) führen. „Die Symptome deuten zunächst auf einen klassischen Herzinfarkt hin, doch im EKG und bei der Katheteruntersuchung zeigt sich ein anderes Bild“, sagt Professor Leschke. Das Takotsubo-Syndrom hat seinen Namen von einem Tonkrug der Japaner, mit dem traditionell Tintenfische gefangen werden. Denn bei der Stress- Kardiomyopathie verändert sich die Form der linken Herzkammer: sie beult sich ballonartig aus; wie bei einem Tonkrug. „Das Takotsubo-Syndrom ist auch als Broken-Heart-Syndrom bekannt. Diese Benennung verweist auf die psychoso­ zialen Gründe für die Auslösung dieser Erkrankung“, sagt Professor Leschke. Durch große seelische Belastungen schüttet der Körper exzessiv Stresshor- mone sogenannte Katecholamine aus. Dieser Überschuss führt zu einer Mikro- zirkulationsstörung in den kleinen Herz- gefäßen. „Der Herzmuskel erleidet einen Sauerstoffmangel durch die Durchblu- tungsstörung der kleinen Herzkranzge- fäße, wodurch die typische ballonartige Ausweitung und Störung der Herzmus- keltätigkeit auftritt. Die Verkrampfungen, auch Spasmen genannt, bilden sich meist nach fünf bis zehn Tagen wieder zurück. In der Akutphase ist die Sterblichkeit der Patientinnen allerdings erhöht, da die Spasmen zu Rhythmusstörungen führen und zu Schlaganfällen durch Embolien. Da sich meist auch die individuelle Anfäl- ligkeit für Stress nicht verbessert, sind die Patientinnen nach neueren Befunden gefährdet, erneut an dem Takotsubo- Syndrom zu erkranken. Übrigens kann auch ein schönes und freudiges Ereignis wie eine Hochzeit Stress für das Herz bedeuten. Mediziner sprechen dann vom Happy-Heart- Syndrom – es kommt allerdings weitaus seltener vor. Immunsystem Auch die Immunsysteme von Frauen und Männern unterschieden sich. „Das erworbene Immunsystem von Frauen ist aktiver als das von Männern“, sagt Pro- fessor Dr. Michael Geißler, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Onkologie/Hämatologie, Gast- roenterologie und Infektiologie am Klini- kum Esslingen. Auf dem X-Chromosom sind die Gene angelegt, die für eine Akti- vierung des Immunsystems zuständig sind. Und Frauen haben nun mal zwei X-Chromosomen, während Männer ein X- und ein Y-Chromosom besitzen. Da das weibliche erworbene Immunsys- tem aktiver ist, wirken Impfungen bei Frauen deutlich besser, da das Immun- system mehr Antikörper bildet – auch noch im hohen Alter. Allerdings haben sie auch häufiger mit Nebenwirkungen wie Abgeschlagenheit, Schmerzen an der Ein- stichstelle und Fieber zu kämpfen. Das aktivere Immunsystem hat aber auch Nachteile: 80 Prozent der Patienten mit Autoimmunerkrankungen sind Frauen. „Wenn das Immunsystem einmal fehl­ geleitet ist und sich gegen den eigenen Körper richtet, dann ist die Behandlung deutlich schwieriger als bei Männern mit einer Autoimmunerkrankung“, sagt Pro-

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