Ausgabe 2 >2020
Das neuartige Corona-Virus kann die Lunge so massiv schädigen, dass die Patienten beatmet werden müs- sen. So erging es dem 68-jährigen Necati Hacibekiroglu. Das Team der Esslinger Intensivstation brachte vollen Einsatz, um sein Leben zu retten – und hatte Erfolg. 10 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2020 Aufatmen Corona überwunden „Ich dachte zuerst, die Grippe hätte mich mal wieder erwischt“, erzählt Necati Hacibekiroglu. Im März bekommt der 68-Jährige Husten und hohes Fieber. Tag für Tag fühlt er sich schwächer. „Ich konnte kaum noch alleine laufen“, erinnert er sich. Die Ehe- frau verwöhnt ihn mit seinen Lieblingsgerichten, damit er wieder zu Kräften kommt. „Aber das Essen schmeckte nach nichts“, so Hacibekiroglu. Geschmacks- und Geruchsverlust sind typische Zeichen für eine Infektion mit dem Corona-Virus. „Wir waren alle sehr beunruhigt“, sagt Dr. Murat Balak, der Sohn. Auf Drängen seiner Kinder lässt Hacibekiroglu sich schließlich ins Klinikum Esslingen fahren. „Dort hatte man einen extra Ein- gang für Corona-Verdachtsfälle eingerichtet. Mein Vater wurde dann gleich isoliert und auf das Virus getestet.“ Zwei Tage später die Gewissheit: Necati Hacibekiroglu ist an Covid-19 erkrankt. Während Hacibekiroglu im Klinikum Esslingen versorgt wird, arbeiten weltweit Forscher und Ärzte mit Hochdruck daran, Daten und Informationen über das neue Virus zusammenzutra- gen: Was richtet Covid-19 im Körper an? Warum erkranken man- che Patienten nur leicht, während andere mit dem Tod ringen? Stück für Stück setzt sich ein Puzzle zusammen – auch wenn bis heute immer noch mehr Fragen offen als geklärt sind. Was man inzwischen weiß: „Covid-19 kann sich in vielfältiger Weise im Körper manifestieren. Die Lunge ist das Organ, welches in der Regel am stärksten betroffen ist“, so Dr. Martin Faehling, Leitender Arzt der Pneumologie am Klinikum Esslingen. Dr. Guido Johannes Marquardt, Leitender Oberarzt in der Klinik für Anäs- thesiologie und operative Intensivmedizin, hat Netaci Hacibe- kiroglu auf der Intensivstation behandelt und fügt hinzu: „Das Virus löst bei einigen Patienten eine schwere Form der Pneu- monie aus, die im schlimmsten Fall zu Lungenversagen und Tod führen kann.“ Derzeit (Stand August 2020) wird angenommen, dass etwa 14 Prozent der Erkrankten einen schwereren und etwa 5 Prozent einen kritischen Krankheitsverlauf zeigen. Bei den Patienten, die eine schwere Pneumonie entwickeln, verschlech- tert sich der Zustand meist in der zweiten Woche. Im Koma Am 10. Tag seiner Erkrankung wird Necati Hacibekiroglu auf die Intensivstation verlegt. Mittags geht es ihm noch gut, er tele foniert mit seinem Sohn, hofft, das Krankenhaus bald verlassen zu können. Wenige Stunden später leidet er plötzlich an schwerer Atemnot. Der 68-Jährige muss intubiert und künstlich beatmet werden. Als würde jemand sechs Wochen lang das Leerzeichen auf der Tastatur gedrückt halten: Ab dem Abend, an dem die Atemnot einsetzt, bekommt Necati Hacibekiroglu nicht mehr mit, was mit ihm passiert. „Meine Erinnerung ist wie ausgelöscht“, sagt er heute. Seiner Familie dagegen haben sich die sechs Wochen, in denen der Vater im Wachkoma liegt, ins Gedächtnis gebrannt. „Es war eine extrem schwere Zeit“, erinnert sich sein Sohn Dr. Balak. „Wir waren in ständiger Sorge. Wegen der Ansteckungsgefahr durfte keiner aus der Familie zu meinem Vater. Gleichzeitig waren wir täglich
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NTQxOTA=