Ausgabe 2 >2020
2 | 2020 Esslinger Gesundheitsmagazin 23 >>> Professor Dr. Ludger Staib ausgebildete Pflegefachkraft, die für das Management der OP-Instrumente zuständig ist sowie ein Chirurg, der die Bewegungen des Roboters über- wacht und mit weiteren Instrumenten assistiert. Und wo ist Professor Staib, der den Roboter steuert? Er steht nicht am OP- Tisch, sondern sitzt etwas abseits. Mit einer Steuerkonsole in der Hand und einer Polarisationsbrille auf dem Kopf blickt er auf einen hochauflösenden 3D-Monitor. „Früher musste der Chirurg bei Bauchoperationen einen großen Schnitt setzen, um freie Sicht auf die Organe zu bekommen. Heute erfolgt die Visualisierung mithilfe von Kamera technik“, erklärt er. Der Vorteil: Per Videoübertragung sieht der Chirurg viel mehr als mit bloßem Auge. „Ich kann am Monitor zum Beispiel Details heran- zoomen oder mit der Kamera Bereiche ansteuern, die ich mit bloßem Auge bisher nicht einsehen konnte“, sagt Pro- fessor Staib. Die Kamera lenkt er beim Senhance-System per Eye-Tracking: Beugt der Chirurg sich vor, zoomt die Kamera heran, bewegt er den Kopf, ändert sich auch die Blickrichtung der Kamera im Bauchinneren. Doch wie gelangt die Kamera überhaupt ins Bauchinnere und die Videobilder aus dem Bauchinneren auf den Monitor? Über einen circa einen Zentimeter langen Schnitt in der Bauchdecke und ein soge- nanntes Port-System wird ein dünnes Spezialinstrument eingeführ t, ein Video-Endoskop. Es ist ausgerüstet mit einer hochauflösenden 3D-Kamera. Über weitere 5 mm- und 12 mm-Ports werden Miniatur-OP-Werkzeuge ein geführt: Faßzangen, Scheren oder ein Ultraschallmesser, mit dem eine gewebe schonende, präzise Gewebepräparation möglich ist. Schonende OP-Technik Ganz neu ist dieses Prinzip nicht, unter dem Stichwort „minimalinvasive Chir urgie“ werden schon seit den 1980er Jahren kameraunterstützte endosko pische Eingriffe durchgeführt. Für den Patienten bringt ein solcher minimal invasiver Eingriff viele Vorteile: Die klei- neren Schnitte schonen das Gewebe und senken das Infektionsrisiko. Der Heilungsprozess verläuft schneller und die Patienten haben nach der OP weni- ger Schmerzen als bei einem offenen Eingriff. Außerdem bilden sich weniger Narben. Minimalinvasive Eingriffe sind daher heute in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken, allerdings sind sie nicht jederzeit, an jedem Ort und in jeder Situation anwendbar. Präzise Instrumentenführung und hohe Sicherheitsstandards Neu bei einem roboter-assistierten minimalinvasiven Eingriff ist, dass der Chirurg die Operationsinstrumente nicht mehr direkt bedient, sondern stattdes- sen über eine Steuer-Konsole die Robo- terarme lenkt. Der Roboterarm führt die Kamera und die Instrumente mitunter ruhiger und exakter als die Hand des Menschen. „Die Muskeln der menschlichen Hand zittern auch bei gesunden Menschen stets ein wenig. Diesen sogenannten Tremor filtert der Roboter heraus. Wir können also mithilfe des Roboters viel filigranere Präparations- und kon stantere Halte-Arbeiten ausführen.“ erläutert Professor Staib. „OP-Roboter sind Tele manipulatoren. Sie arbeiten nicht eigenständig, sondern führen in Echtzeit aus, was der Chirurg an der Steuer- Konsole vorgibt.” Das heißt aber nicht, dass der Mensch im OP überflüssig wird. Im Gegenteil. Er bleibt der „Kopf“ der Operation. Der Chirurg bringt seinen Erfahrungsschatz und sein Wissen ein, analysiert die Videobilder und lenkt den Eingriff ent- sprechend. Dabei gibt er zu keinem Zeit- punkt die Kontrolle aus der Hand. Der Chirurg regelt jeden Ablauf ganz genau: In welcher Geschwindigkeit die Instru- mente sich bewegen, wie tief ein Schnitt gesetzt wird oder wo eine Naht ange- bracht wird. Dass der Roboter nicht nur sehen, sondern auch fühlen kann, ist dabei ein wichtiger Sicherheitsfaktor: „Mithilfe von Sensoren registriert der Roboter, wie stark der Widerstand ist, auf den ein OP-Instrument stößt. Je stärker der Widerstand, desto mehr Kraft muss ich anwenden, um die Steuerkonsole zu bedienen“, schildert Professor Staib. Das System ist außerdem mit zahlrei- chen Sicherheitsmechanismen ausgerüs- tet. Zum Beispiel bewegen die Roboter- arme sich grundsätzlich nur, wenn der Chirurg gleichzeitig beide Hände an den Griffen der Konsole und den Fuß auf dem „Gaspedal“ hat. Per Notaus-Knopf kann er das System, falls es einmal nötig sein sollte, zum sofortigen Stillstand bringen. Teamwork Mensch-Maschine „Ein gewisses handwerkliches Geschick und Feingefühl braucht es natürlich, um einen OP-Roboter zu steuern. Aber wenn man ausreichend Erfahrung in der minimalinvasiven Chirurgie mitbringt, ist die Technik gut erlernbar“, sagt Pro- fessor. Staib. Damit die sechs Esslinger Chirurgen, die den Roboter bedienen, ihr Werkzeug optimal beherrschen, haben sie vor ihrer ersten roboter-assistierten OP ein umfangreiches Training
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