Ausgabe 2 >2021

14 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021 >>> Tierwohl und Hygiene sind wichtig Ein Therapiehund sei aber keine Gute-Laune-Maschine, die zu funktionieren habe, betont er: „Der Hund muss Freude an der Arbeit haben. Wenn er unter Stress steht, kann er nicht posi- tiv auf die Patienten einwirken.“ Damit Kodi sich wohlfühlt, müssen sich die Kinder und Jugendlichen an feste Regeln halten: „Kodi darf nicht hochgehoben oder am Kopf gestrei- chelt werden, weil er das nicht mag.“ Außerdem gelte der Grundsatz der Freiwilligkeit: „Streicheleinheiten werden Kodi schnell zu viel. Hat er genug, geht er einfach weg – und das darf er auch.“ Obwohl er kein großer Kuschelfreund ist, springt Kodi aber manchmal über seinen Schatten: „Ein Patient mit einem schweren Krankheitsbild hatte einen sehr schlechten Tag. Kodi legte sich ihm zu Füßen und hat sich ausnahmsweise ausgiebig streicheln lassen.“ Selbstverständlich gilt es, neben den Regeln für das Tierwohl auch wichtige Hygieneregeln zu beachten: Die Hunde müssen regelmäßig zur tierärztlichen Kontrolle, werden entwurmt, gegen Parasiten behandelt und weisen alle wichtigen Impfun- gen auf. Außerdem dürfen sie weder in die Patientenzimmer noch bei den Mahlzeiten dabei sein. Das Pferd als Spiegel der Seele Und wo finden die Sitzungen mit Therapiepferd Bonny statt? „Da steht ein Pferd aufm Flur“ heißt es zwar in einem alten Schlager, jedoch nicht am Klinikum Esslingen. Bonny ist in einem Stall in der Nähe von Reutlingen, inmitten herrlicher Natur, untergebracht. Dort besuchen sie die jungen Patienten. Anders als viele denken, gehe es bei einer pferdegestützten Therapie nicht primär ums Reiten, sondern um die Beziehung und Interaktion zwischen Pferd und Patient, erklärt Bonnys Halterin, Sozialpädagogin Maike Müller. „Pferde leben im Hier und Jetzt und sind sehr sensibel in der Wahrnehmung von Befindlichkeiten. Sie reagieren auf feinste Veränderungen in der Körpersprache.“ Die Tiere seien daher ein guter Spiegel für unseren emotionalen Zustand, erklärt Müller, die seit ihrem sechsten Lebensjahr reitet. Ihre Rolle beschreibt sie als die einer Dolmetscherin: „Ich beobachte, wie der Patient mit dem Tier umgeht, helfe die Reaktionen des Pferdes zu verstehen und reflektiere die Situation gemeinsam mit dem Patienten.“ Mut ist erlernbar Spielerisch können durch das Pferd vielfältige Therapieziele erarbeitet werden: Eine Verbesserung des emotionalen Wohl- befindens, der Selbstwirksamkeit oder der Konzentrations­ fähigkeit, die Reduzierung von Ängsten oder der Erwerb von Durchsetzungsfähigkeit – um nur einige mögliche Ziele zu nennen. „Zu Beginn der Therapie versuche ich, so viel wie möglich über das Kind oder den Jugendlichen herauszufinden. Welche Ressourcen bringt er oder sie mit? An welchen Defi- ziten wollen wir gemeinsam arbeiten? Dann legen wir Thera- pieziele fest und ich stimme mein Programm darauf ab“, erklärt Müller. Anfangs gehe es vor allem um ein Kennenlernen von Pferd und Kind: Kontakt aufnehmen, Streicheln. Später steht auch die Pflege des Tieres, das Herumführen an der Leine und Reiten auf dem Stundenplan. Wie die Hunde Kodi und Bess hat auch Bonny eine spezielle Ausbildung zum Therapiepferd absolviert. Trotzdem hat sie ihren eigenen Kopf behalten: „Bonny ist sehr aufgeschlossen und hat ein ruhiges Naturell. Manchmal muss man aber durchaus auch selbstbewusst ihr gegenüber auftreten“, verrät Müller. Angst vor Pferden, betont sie, sei jedoch kein grundsätzliches Hin­ dernis für die Therapie: „Wenn jemand ängstlich ist, starten wir mit einfachen Aufgaben und steigern uns Schritt für Schritt. Denn Mut ist erlernbar.“ Angebot nur durch Spenden möglich Dr. Joas ist sich sicher: „So gut wie alle Kinder und Jugendlichen, die sich in einer seelischen Notlage befinden, profitieren von einer tiergestützten Therapie: Diejenigen, die Trost brauchen oder unter Depressionen leiden genauso wie traumatisierte oder bindungsgestörte Patienten oder Kinder mit einer Störung des Sozialverhaltens.“, Bedauerlich sei es daher, dass die Behand- lung nicht von der Krankenkasse getragen werde. „Dass wir die tiergestützte Therapie trotzdem als festen Baustein anbieten können, verdanken wir großzügigen Spendern.“ Allen voran engagierte sich der Lions Club Esslingen-Neckar, der mit einer Spende über den Förderverein proklinikum zum Beispiel die Ausbildung der Therapietiere und ihrer Halter finanzierte. lj Kontakt Klinikum Esslingen, Klinik für Kinder- und Jugend­ psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Chefarzt Dr. Gunter Joas Telefon 0711 3103-3201 kjpp@klinikum-esslingen.de Ein gutes Team: Therapiehund Kodi und Marcel Mengoni

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