Ausgabe 2 >2021
2 | 2021 Esslinger Gesundheitsmagazin 25 Momentaufnahme auf der Intensivstation des Klinikum Esslingen: Auf dem Flur herrscht reges Treiben. Es riecht nach Desinfektionsmittel. In den Zimmern leuchten Überwachungsmonitore. Eine Pflegefachkraft überprüft ein Beat- mungsgerät. Pünktlich um 8.45 Uhr beginnt das ABS-Team die Visite. Der Chefarzt der Kardiologie, der Leiter der Intensivstation, der Infektiologe, der Mikrobiologe und der Apotheker bespre- chen vor jedem Zimmer den aktuellen Zustand des Patienten. Der Stationsarzt präsentiert den Patienten, beschreibt kurz dessen Krankengeschichte, seine Diagnose, die Vorerkrankungen, die Medikamente, die er einnimmt und seinen aktuellen klinischen Zustand. Sie betrachten Befunde und besprechen die weiteren Maßnahmen. Ihr Fokus liegt auf der Antibiotika-Therapie: Benötigt der Patient weiterhin ein Antibiotikum? Welches genau eignet sich? Wie wirkt es auf Leber und Niere? Wie sehen die Ent- zündungswerte im Verlauf aus? Welche Dosierung über welche Dauer empfiehlt sich? Hat die bisherige Therapie eine Besserung bewirkt oder eine Verschlech- terung? Welche Therapieoptionen gibt es noch? Kann man von einem breit auf ein gezielt wirkendes Antibiotikum wechseln? Müssen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten beachtet werden, zum Beispiel bei einer Patien- tin, die chronisch an Rheuma leidet und bereits dauerhaft starke Medikamente einnimmt. Der Mikrobiologe weist auf die Resistenztestungen hin, die sehr ernst genommen und immer wieder aktualisiert werden müssen, da sich die Keime ständig verändern. Der Apotheker empfiehlt die spezifische Dosierung für jeden Patienten individuell . Dabei beachtet er dessen Größe, Gewicht und die Vorerkrankungen. Dies alles geschieht in wenigen Minuten. Dann bet r i t t das Team das Zimmer und bespricht die Lage mit dem Patienten, so aufmunternd und motivierend wie möglich. haus den rationalen Einsatz von Antibio- tika auf die Fahne geschrieben“, so Tho- mas Benjamin Ortlieb. Der Assistenzarzt hält die Fäden des ABS-Programms am Klinikum Esslingen zusammen. Seine Stelle ist zu 50 Prozent für zwei Jahre vom Förderverein proklinikum bezu- schusst, der auch die Ausbildung der ABS-Experten unterstützt. Das ABS-Programm am Klinikum Esslin- gen basiert auf vier Säulen: Erstens dem ABS-Team, zweitens dem fortlaufenden Prüfen der Verbrauchsdaten von Antibio- tika und der Resistenzlage, drittens der ABS-Visite und viertens den hausinternen Leitlinien, die ständig aktualisiert werden. Die Leitlinien sollen Sicherheit und Rückendeckung geben, beispielsweise bei einer Blasenentzündung ohne Beschwer- den auf Antibiotika zu verzichten. Das ABS-Team Das ABS-Team besteht aus aktuell 14 Personen aus unterschiedlichen Fach bereichen wie Chirurgie, Innere Medizin, Anästhesie, Intensivmedizin, Zentrale Notaufnahme, Apotheke und Mikrobio logie. Vier davon sind ABS-Spezialisten, einer davon ist Dr. Wöhrle: „Wir haben uns in fünf Kursen über zwei Jahre hin- weg aktuelles Spezialwissen zu Antibio- tika und dem ABS-Programm angeeignet.“ Ist das ABS-Team aufgestellt, trifft es sich regelmäßig und prüft die Antibiotika verordnungen. „In sogenannten Punkt- Prävalenz-Analysen prüfen wir, welche Patienten mit welcher Erkrankung welche Antibiotika bekommen“, erklärt Christian Philipp Jüttner, Leiter der Krankenhaus- apotheke. Am häufigsten sind Atemwegs- und Harnwegsinfektionen. Dabei achten die ABS-Beauftragten auf jedes Detail: Ist das Antibiotikum richtig angeordnet? In welcher Dosierung? Zu welchen Zeiten? Ist die Indikation vermerkt? Ist angegeben, ob es intravenös oder oral verabreicht wird? Ist die Dauer dokumentiert Professor Dr. Henning Wege Dr. Armin Wöhrle Christian Philipp Jüttner >>> Die wöchentliche interdisziplinäre ABS-Visite Thomas Benjamin Ortlieb
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NTQxOTA=