Ausgabe 2 >2021
Harnwegsinfekte werden häufig von Escherichia-coli-Bakterien verursacht. Nicht immer ist eine Behandlung mit Antibiotika zwingend notwendig. 26 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021 und gibt es eine Verlaufsbeobachtung? Steht nach drei oder fünf Tagen ein Ver- merk in der Kurve, ob die Therapie erfolg- reich ist? Sind die Laborwerte erfasst und die Entzündungswerte berücksichtigt? Wurde Blut abgenommen oder eine Urin- probe eingeschickt, um einen Resistenz- test durchzuführen? Wurde auf das Anti- biogramm reagiert? Jede Patientenakte wird geprüft „Im Oktober haben wir die Verbrauchs daten der gesamten Klinik analysiert, jede Patientenakte angesehen und festgestellt, dass 27 Prozent unserer Patienten eine Antibiotika-Therapie erhielten. Dasselbe wiederholen wir in genau einem Jahr und prüfen, ob das ABS-Programm Wirkung zeigt“, erklärt Dr. Wöhrle. Die ABS-Exper- ten analysieren, wie viele Antibiotika pro Patient über welche Dauer verbraucht und welche Antibiotikaklassen verwendet wurden. „Wir definieren klare Ziele, zum Beispiel weniger Antibiotika mit starken Nebenwirkungen zu verordnen, wie etwa Fluorchinolone, die Durchfälle und neu- rologische Probleme verursachen“, so der Apotheker Jüttner. Zudem stellen sie sicher, dass genug Reserven für schwere Fälle vorrätig sind. Ein weiterer Fokus liegt auf den Resistenz- statistiken: Da Bakterien wahre Über lebenskünstler sind und viele Strategien gegen ihre Widersacher, die Antibiotika, auffahren, ändert sich die Resistenzlage permanent. Die ABS-Experten prüfen, welche Erreger es aktuell gibt, wie resis- tent sie sind und ob es Varianten gibt. Die hausinternen Leitlinien werden dann angepasst. Das ABS-Programm ist eine deutschlandweite Initiative. Anhand all der erhobenen Daten können sich Kranken- häuser mit anderen in gleicher Größe ver- gleichen, um Verbesserungsmöglichkeiten aufzuspüren und Fortschritte zu messen. >>> Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Onkologie/ Hämatologie, Gastroenterologie und Infektiologie Chefarzt Professor Dr. Henning Wege Thomas Benjamin Ortlieb, Assistenzarzt Telefon 0711 3103-2451 t.ortlieb@klinikum-esslingen.de Krankenhausapotheke Christian P. Jüttner, Leiter Krankenhausapotheke Telefon 0711 3103-82060 c.juettner@klinikum-esslingen.de Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie Dr. Armin Wöhrle, Leitender Arzt der Intensivstation Telefon 0711 3103-2401 a.woehrle@klinikum-esslingen.de Ausgeklügelter hausinterner Leitfaden „Sehr stolz sind wir hier im Klinikum Esslingen auf unseren gerade druckfrisch erschienenen Antiinfektiva-Leitfaden, den wir mit viel Herzblut erstellt haben“, so Intensivmediziner Wöhrle. Der Leitfaden gibt Ärzten Sicherheit, zurückhaltender bei der Antibiotikaverordnung zu sein und sich auch mal gegen Antibiotika zu entschei- den. „Hat eine Patientin zum Beispiel einen Harnwegsinfekt, aber keine Symptome, dann benötigt sie auch kein Antibiotikum“, sagt Professor Wege. „Oder etwa bei der Wundrose, dem Erysipel, muss kein breit wirksames Antibiotikum angeordnet wer- den: Hier genügt Penicillin. Ganz anders bei der Spondylodiszitis, einer bakteriellen Entzündung der Bandscheibe, oder einer Protheseninfektion. Da sind frühzeitig stark wirksame Antibiotika definitiv notwendig.“ Der Leitfaden dient auch als Basis für Schulungen der Ärzte und Pflegefach- kräfte im Klinikum Esslingen, um das Bewusstsein und das Verhalten nachhal- tig zu ändern. Auch für Patienten sind Informationsveranstaltungen geplant. Programm mit großer Wirkung Auf die Frage, wie man die Wirksamkeit des ABS-Programms messen kann, antwortet Dr. Wöhrle: „Dass das ABS-Programm greift, sehen wir in der Patientenakte, an den Laborwerten, den Befunden der Mikrobiologie und natürlich vor allem an den Patienten. Sie werden schneller gesund, werden weniger belastet und können früher entlassen werden. Die Zahl der Resistenzen sinkt und wir können sicher- stellen, dass für Patienten mit schweren Erkrankungen noch genügend wirksame Antibiotika zur Verfügung stehen.“ ast „ Oft werden Antibiotika zu früh, zu lange und nicht zielgerichtet eingesetzt, mit schwer wiegenden Folgen.”
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NTQxOTA=