Ausgabe 2 >2021
36 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021 Winzige Finger berühren Britta Brenners Hand, als sie sie auf den Bauch des Frühchens im Inkubator legt. Die 38-Jährige ist die neue Oberärztin der Neonatologie am Klinikum Esslingen. Sechs Monate lang wurde sie von ihrem Vorgänger Klaus Niet- hammer eingearbeitet, bevor dieser im Mai in den Ruhestand gegangen ist. „Eine große Umstellung für mich, denn die Klinik war für mich 36 Jahre lang Arbeit und Leidenschaft zugleich“, sagt der 66-Jährige. „Die Neonatologie habe ich 1987 als Assis- tenzarzt erstmals betreten, 1993 wurde ich Oberarzt.“ Insbesondere hat sich Niethammer für die familienzentrierte Betreuung seiner Station eingesetzt. „Wir haben inzwischen Zimmer, in denen Mutter und Kind gemeinsam liegen können“, sagt Niethammer. „Je mehr die Eltern eingebunden sind, desto schneller können die Frühgeborenen, die beatmet werden müs- sen, selbständig atmen.“ Auch während der Lockdown-Phase konnten Eltern immer zu zweit zu ihren Babys, so Brenner. „Durch die vielen Testungen hatten wir hier nie einen Corona-Fall.“ Eltern können in der Esslinger Neonatologie solange sie am Tag möchten bei ihrem Baby sein, werden in das Visitengeschehen und die Versorgung eingebunden. Känguru-Pflege „Wir haben in Esslingen einst als eine der Ersten mit der soge- nannten Känguru-Pflege angefangen, die heute gang und gäbe Die Esslinger Neonatologie hat eine neue Oberärztin: Britta Brenner löst ihren langjährigen Vorgänger Klaus Niet hammer ab. Letzterer hat auf der Station bahnbrechende Entwicklungen etabliert und entscheidend zum guten Ruf der Esslinger Kinderstation beigetragen. Behandlungsmethode Familienfreundlichkeit ist“, sagt Niethammer. Der frühe, stundenlange, direkte Haut- kontakt zur Mutter ist entscheidend. Erstmals wurde das in Kliniken in Ecuador entdeckt, wo es an Inkubatoren gefehlt hat. Die Frühgeborenen wurden den Müttern direkt auf den nackten Bauch gelegt und umwickelt. „Man hat gesehen, dass die Babys dann eher am Leben bleiben“, sagt Niethammer. „Warum sollten wir diese Erkenntnis nicht nutzen?“ Sobald die Frühchen stabil sind, können sie in der Esslinger Klinik über Stunden auf der Brust ihrer Mutter liegen. „Es zeichnet die Esslinger Klinik aus, medizinische Erkenntnisse rasch umzusetzen, noch bevor sie Standard sind“, sagt Nietham- mer. So habe er 1994 nach dem Vortrag einer Wiener Ärztin veranlasst, dass den Frühgeborenen zunächst Zeit gegeben wird, sich vom Leben im Mutterleib auf „draußen“ umzustellen. Viele Frühgeborene nehmen dann die Atmung ganz von selbst auf, so Niethammer. Zuvor war es üblich, möglichst rasch eine Beat- mung zu veranlassen. „Heute ist es Standard, erstmal abzuwar- ten.“ Auch die damals neue Methode, den überlebenswichtigen Surfactant-Stoff mit einer dünnen Sonde zuzuführen anstatt mit großen Schläuchen, hat Niethammer bereits 2013 einge- führt, als das noch nicht selbstverständlich war. Es wundert also nicht, dass der Esslinger Neonatologie ein guter Ruf vorauseilt – auch ins Olgahospital in Stuttgart. Hier war die
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