Ausgabe 2 >2021
42 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021 Eine Adipositas-OP kann der entscheidende Schritt in ein neues, gesünderes Leben sein. Sie bedeutet aber auch eine große Umstellung: Die Betroffenen müssen ein Leben lang bewusst essen und auf ausreichend Bewegung achten. „Nur dann ist der Eingrif f nachhaltig er folgreich“, betont Adipositas-Experte Professor Staib. „Wer zurück in alte Verhaltensmuster fällt, zu viel isst und seinen Magen stän- dig überdehnt, nimmt wieder zu.“ Zum Expertenteam am Adipositaszentrum des Klinikum Esslingen gehören daher Ernährungsberater und Psychologen, die die Patienten vor und nach der OP unterstützen. Außerdem rät Professor Staib seinen Patienten, sich bereits vor der OP einer Selbst- hilfegruppe anzuschließen. Das Klinikum Esslingen kooperiert eng mit der „Selbsthilfe- gruppe Adipositas Mittlerer Neckar.“ Ehrenamtlich geleitet wird diese von Claudia Schwarz-Blazek und Susanne Schmidt-Reinisch. Beide haben vor einigen Jahren einen Adipositas-Eingriff durchführen lassen und es so geschafft, ihr Gewicht deutlich zu reduzieren. „Ohne die OP wäre ich vermutlich gestorben“, sagt Susanne Schmidt-Reinisch. „Ich wog 240 Kilogramm und hatte massive gesundheitliche Pro- bleme. Heute geht es mir gut.“ Claudia Schwarz-Blazek erzählt: „Fahrradfahren, Flugreisen – für andere sind solche Dinge selbstverständlich. Für mich war all das aufgrund mei- nes Gewichts lange nicht möglich. Durch den Eingriff kann ich heute wieder am Leben teilhaben.“ Die notwendige Lebensumstellung sei für Menschen, für die Essen eine Sucht ist, jedoch kein einfacher Weg: „Man wird ja nicht am Kopf operiert, sondern am Magen. Auch wir mussten erst einmal lernen, den Kühlschrank zuzumachen. Heute noch müssen wir im Alltag manchmal aufpassen, dass wir nicht in die Essens-Falle treten: Der beiläufige Griff in die Chipstüte ist einmalig keine Katastrophe, darf aber nicht wieder zur Gewohnheit werden. Eine klare Tagesstruktur und ein Ernährungstagebuch helfen.“ Die beiden berichten auch, dass viele den Abnehmprozess als Berg- und Talfahrt erleben. Sie sind erst euphorisch über die deutlich sichtbaren Veränderungen. Später fallen sie in ein Loch, da die Gewichtsreduktion dann langsamer voran- geht. Noch dazu kämpfen Adipöse oft mit seelischen Prob- lemen, sie haben Ausgrenzung und Stigmatisierung erlebt oder aufgrund von Immobilität und Krankheit Partner, Freunde oder Job verloren. „Abnehmen alleine löst diese Probleme nicht“, wissen Schmidt-Reinisch und Schwarz- Blazek. Jedoch lassen sich mit professioneller psychologi- scher Unterstützung individuelle Lösungsansätze erarbeiten. In der Selbsthilfegruppe können die Betroffenen sich eben- falls im geschützten Raum austauschen. „Auf Menschen zu treffen, die in der gleichen Lage sind und einen verstehen, gibt Kraft“, sagen die beiden, die sich regelmäßig zu Adipo- sitas-Themen fortbilden und immer ein Ohr für ihre Grup- penmitglieder haben. „Für uns ist die Gruppe eine Lebens- aufgabe.“ Während der Coronakrise trafen sich die Mitglieder online, inzwischen findet wieder einmal im Monat ein „rea- les“ Meeting in den Räumen des Klinikum Esslingen statt. Gemeinsame Wanderungen und Feste schweißen die Teilneh- mer zusätzlich zusammen, häufig entstehen Freundschaften. Kontakt: www.adipositas-mine.de Lernen, den Kühlschrank zuzumachen lobt Markus Gilg. Nach dem stationären Aufenthalt blieb er weiter mit dem Behandlungsteam in Kontakt. Eine erste post- operative Kontrolle erfolgte gut vier Wochen nach der OP, danach fanden alle drei, sechs und 12 Monate Nachsorgetermine der lebenslang geplanten Nachsorge statt. Neues Leben Nach der OP hat sich für Markus Gilg viel verändert: „Ich habe kein richtiges Hungergefühl mehr. Ich muss nach Plan essen, drei kleine Mahlzeiten am Tag. Klar, dass da das gesellschaft liche Erlebnis Essen flöten geht: Die Jungs hauen sich bei der Grillparty fünf Würste rein, für mich ist nach einer Schluss. Mehr passt nicht rein.“ Das nimmt er gerne in Kauf, dafür, dass er jetzt bei Sport und Spiel wieder mithalten kann. „Sehr vieles fällt durch die Gewichtsreduktion sehr viel leichter.“ Dass er mit der Umstellung seines Lebensstils bisher so gut zurechtkommt, schreibt er auch der Unterstützung zu, die er hatte: „Ich habe mich vor der Operation einer Selbsthilfegruppe ange- schlossen. Der Austausch mit Menschen, die bereits einen Adipo- sitas-Eingriff hinter sich hatten, hat mir enorm geholfen. Ich wusste, was auf mich zukommt und konnte mich vorbereiten.“ Vor ein paar Monaten ist Markus Gilg Vater geworden. Wenn er sein neues Lebensgefühl auf den Punkt bringen will, beschreibt er es so: „Essen ist nicht mehr mein Mittelpunkt. Das sind jetzt mein Sohn und meine Frau.“ lj >>> Kontakt Klinikum Esslingen, Adipositaszentrum Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Chefarzt Professor Dr. Ludger Staib Telefon 0711 3103-2601 viszeralchirurgie@klinikum-esslingen.de
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