Ausgabe 2 >2021

darum, Wissen in die Pflegeheime zu bringen. Denn das ist der Ort, an dem die meisten Menschen heute sterben.“ Wenn Susanne Kränzle von Wissen spricht, meint sie damit keine vorgefertigten Standards oder Richtlinien. Vielmehr sollen die Mitarbeiter in den Pflegeheimen darin unterstützt werden, eigene Prozesse und Ideen zu entwickeln. „Wir fan- gen da nicht bei null an. In den Städtischen Pflegeheimen gab es bereits lange vor unserem Projekt eine gute Hospiz- kultur.“ So bieten die Städtischen Pflegeheime zum Beispiel bereits seit ein paar Jahren das Beratungsangebot „Versorgungs­ planung am Lebensende“ an. In Einzelgesprächen klären speziell geschulte Beraterinnen mit den Bewohnern Fragen rund um das Sterben: Wie soll mit Schmerzen umgegangen werden? Möchte ich Medikamente gegen Angst und Unruhe bekommen? Möchte ich Begleitung durch einen Seelsorger in Anspruch nehmen? Das Gespräch wird in einem Ergebnispro- tokoll fixiert und dem Hausarzt zur Unterschrift vorgelegt. „Das gibt den Bewohnern die Sicherheit, dass ihren Wünschen entsprochen wird. Es stärkt aber auch die Pflegekräfte: Sie wissen, was sich der Bewohner wünscht und können dies gegenüber Angehörigen, Betreuern oder Ärzten kommunizie- ren“, sagt Thilo Naujoks. Ähnlich wie bei der Versorgungsplanung sieht Naujoks auch im Projekt „Beziehungsweise“ einen Nutzen für die Mitarbei- ter: „Sollte nach dem Tod eines Heimbewohners das Gefühl aufkommen, dass der Mensch keinen guten Tod hatte, ist das extrem belastend für eine Pflegekraft. Andersherum gibt es Kraft, wenn man weiß, dass man alles richtig gemacht hat. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir mit dem Projekt die Chance haben, unsere hospizliche Sorgekultur zu festigen und auszubauen.“ Konkrete Ideen nehmen Gestalt an Im November 2020 fanden die ersten fünf Projekt-Workshops statt, geleitet von Susanne Kränzle und Professor Dr. Andreas Heller. 34 Mitarbeiter aus allen fünf Häusern der Städtischen Pflegeheime nahmen teil. „Wir haben mit einem Perspektiv- wechsel angefangen und die Teilnehmer gefragt: Wie würden Sie als Bewohner sich Ihr Pflegeheim wünschen? Außerdem haben wir sie gebeten, uns von eigenen Erfahrungen zu erzäh- len: In welchen Fällen lief eine Sterbebegleitung gut, in wel- chen weniger? “, berichtet Susanne Kränzle. Darauf basierend haben die Mitarbeiter fünf unterschiedliche Themenfelder definiert, die weiterentwickelt werden sollen. „In einem Projekt geht es zum Beispiel um die palliative Mund- pflege“, berichtet Silvio Schuster, Pflegekoordinator der Städti- schen Pflegeheime. „Schwerkranke atmen oft mit offenemMund, das führt zum Austrocknen der Mundschleimhaut, es bilden sich Beläge, Risse und Entzündungen. Palliative Mundpflege hilft, die Beschwerden zu lindern. Erlaubt ist dabei alles, wonach dem Sterbenden ist – vom Eiswürfel lutschen bis Sekttrinken.“ Eine andere Projektgruppe beschäftigte sich mit dem bewuss- ten Abschiednehmen: Welche gemeinsamen Rituale helfen Bewohnern und Mitarbeitern, den Tod eines Mitbewohners zu >>> 46 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021 Dimensionen der Hospiz- und Palliativarbeit „Menschen mit schweren Erkrankungen, bei denen eine Heilung nicht mehr möglich ist, bedürfen einer umfassenden Versorgung, bei der nicht mehr die Heilung und Lebensverlängerung im Vordergrund steht, sondern der bestmögliche Erhalt der Lebensqualität, Nähe, Zuwendung und die Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen. Um den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen Rechnung zu tragen, müssen in jedem Einzelfall die körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Dimensionen berück­ sichtigt werden. Das erfordert vernetztes, multi- professionelles, sektorenübergreifendes Handeln, eine intensive Kommunikation aller an der Betreuung beteiligten Haupt- und Ehrenamtlichen und partnerschaftliche Zusammenarbeit.“ Quelle: Deutscher Hospiz- und Palliativverband e.V. www.dhpv.de

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