Ausgabe 2 >2021

8 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021 Ein Stück Heimat in schweren Zeiten Das Ambulante Therapiezentrum mit 21 Behandlungsplätzen ist wichtiger Bestandteil des Cancer Center Esslingen. Krebspatienten werden dort fachübergreifend nach neuesten wissenschaftlichen Standards medikamentös behandelt. Vor kurzem ist das Zentrum innerhalb des Klinikums umgezogen. Ein Rundgang durch die neuen Räumlichkeiten zeigt: Hier geben alle alles, um die Chemotherapie für Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich darf probesitzen. Ich lasse mich in einem der weichen Relax-Sessel nieder, fahre ihn auf Knopfdruck in Liegeposition und schaue aus dem großen Fenster. Der Blick schweift weit von hier oben im sechs- ten Stock über die Dächer Esslingens, über Wälder bis in den klaren Himmel. Ideal, um sich aus der Realität zu träumen. Ob das den Menschen, die hier normalerweise Platz nehmen, auch gelingt? Ich befinde mich im Ambulanten Thera- piezentrum des Klinikum Esslingen. Rund 150 Krebspatienten erhalten hier jede Woche ihre Chemotherapie. „Diese Men- schen sind in einer Ausnahmesituation. Deswegen ist es uns wichtig, eine ange- nehme Atmosphäre zu schaffen“, sagt Pflegefachkraft Liebetraut Paprotta, Lei- terin des Ambulanten Therapiezentrums. Dass die Patienten während der Therapie so komfortabel sitzen, ist keine Selbst- verständlichkeit: 2.500 Euro kostet ein Sessel. Der Förderverein proklinikum hat 20 Stück gespendet. Und nicht nur das: Mithilfe des Förder- vereins konnten auch spezielle Kühl­ systeme angeschaf f t werden, die die Nebenwirkungen der Chemotherapie lindern. Liebetraud Paprotta erklär t: „Eine spezielle Kühlkappe, die die Kopf- haut herunterkühlt, kann den Haarausfall mindern. Wir haben als einzige Klinik im Landkreis ein solches Kühlsystem hier. Immer zwei Patienten gleichzeitig kön- nen die Kappe gegen eine geringe Gebühr buchen. Außerdem haben wir zwei Hand- Fuß-Kühlgeräte, die helfen, Nervenschä- digungen vorzubeugen.“ Liebetraut Paprotta führt mich weiter durch die Räumlichkeiten. Die Wände sind in warmen Farben gestrichen und mit Mutmachbildern dekoriert. Es gibt einen Balkon und einen Wintergarten, den die Pflegekräfte gerne für Beratungsgesprä- che nutzen. „Wir erklären den Patienten zum Beispiel, was sie zuhause selbst tun können, um Nebenwirkungen zu reduzie- ren.“ Neun der elf Pflegefachkräfte des Ambulanten Therapiezentrums haben eine spezielle onkologische Zusatzausbildung und können auf umfangreiches Fachwis- sen zurückgreifen. „Was auch zählt, ist ein offenes Ohr zu haben und die Sorgen abzufangen. Manchmal braucht es nicht einmal Worte, da reicht es, einfach da zu sein“, sagt Paprotta. Es geht weiter den Flur entlang, vorbei an mehreren Vierer-Zimmern. Am Ende des Gangs liegt ein Einzelzimmer. „Das ist unser Isolierzimmer. Patienten, die einen Keim haben, sondern wir ab, damit sich niemand ansteckt.“ Da eine Chemothera- pie das Immunsystem beeinträchtigt, wird streng auf Hygiene geachtet. Während Corona galten verschärfte Vorschriften. Wir gehen den Flur zurück Richtung Ein- gang. Die Theke mit Getränken und Gebäck ist jetzt, nach 15 Uhr, weggeräumt, die Patienten sind nach Hause gegangen. „Eine ambulante Therapie ist ein großer Zuge- winn an Lebensqualität. Die Patienten müssen nur für die Sitzungen ins Kranken- haus und können den Rest des Tages zuhause ihrem Leben nachgehen“, sagt Liebetraud Paprotta. Eine Chemotherapie wird in sogenannten Zyklen durchgeführt. Behandlungsphasen und Behandlungspausen, in denen der Körper sich regenerieren soll, wechseln sich ab. Im Schnitt werden vier bis sechs Behandlungszyklen durchgeführt. „Das heißt, dass wir hier im Ambulanten Thera­ piezentrum die Leute über einen langen Zei t r aum, manchmal über Monate, begleiten“, sagt Paprotta. „Da entstehen natür lich enge Bindungen zwischen Pflegekräften und Patienten. Und auch zwischen den Patienten bilden sich Freundschaften, man gibt sich gegensei- tig Halt, baut sich auf. Manchmal sagen mir Patienten: Das Therapiezentrum ist wie ein Stück Heimat für mich.“ lj Normalerweise sitzen hier Chemo-Patienten. Liebetraud Paprotta im Relax-Sessel.

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