Ausgabe 2 >2023

2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 45 „ Wenn möglich kaufen wir regionale, saisonale und fair gehandelte Lebensmittel.“ Am Donnerstag gibt es Mini-Schweinehaxe in Biersoße mit Sauerkraut und Ofenkartoffeln. Oder Paprikaschote, gefüllt mit Feta und Champignons, dazu Kräutersoße, Couscous und Blattsalat. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Esslinger Pflegeheime Obertor, Pliensauvorstadt und Berkheim können jeden Tag zwischen zwei Hauptgängen wählen. Dazu gibt es Suppe und Dessert. „Neben den zwei Dreigänge-Menüs bieten wir auch Speisen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen an: Bewohnerinnen und Bewohner mit Schluckbeschwerden können passierte Kost wählen. Für Menschen mit Unverträglichkeiten oder Erkrankungen wie Diabetes bereiten wir nach Absprache mit Pflege und Hauswirtschaft extra Speisen vor. Dadurch, dass die Küche im Haus ist, können wir gut auf individuelle Bedürfnisse eingehen“, berichtet Márta Diessner, Küchenleitung in den Städtischen Pflegeheimen Esslingen. Gekocht werden die Mahlzeiten in der Zentralküche im Haus am Obertor. Das Team besteht aus 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Küchenleitung, Köche, Beiköche und Küchenhilfen. Außerdem berät Márta Diessner als Diätassistentin zu Ernährungstherapien. Rund 400 Mahlzeiten bereitet das Küchenteam täglich zu – im Cook & Chill-Verfahren: Die Mahlzeiten werden in der Zentralküche vorgekocht und dann innerhalb von 90 Minuten auf drei bis ein Grad gekühlt. Auf den Wohnbereichen regenerieren die hauswirtschaftlichen Kräfte die Mahlzeiten wieder. Das Cook & Chill-Verfahren gilt als besonders nährstoffschonend und hygienisch. Überhaupt gelten in so einer Großküche strengste Hygienevorgaben. „Wir werden regelmäßig durch das Gesundheitsamt überprüft. Da wir nach DIN ISO zertifiziert sind, unterziehen wir uns zusätzlich noch weiteren, freiwilligen Kontrollen. Alle, die mit der Zubereitung oder Ausgabe von Speisen zu tun haben, müssen ein Gesundheitszeugnis vorlegen und jährliche Hygieneschulungen absolvieren.“ Um auch räumlich optimale Hygienebedingungen zu schaffen, wurde die Großküche im Jahr 2014 für 1,4 Millionen Euro umgebaut: Produktions- und Spülküche sind seitdem strikt getrennt. Qualitätsküche Eine eigene Küche, das ist in Pflegeheimen heute keine Selbstverständlichkeit. In Esslingen gibt es aber noch mehr Außergewöhnliches: „Eine unserer täglich angebotenen Menülinien ist von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zertifiziert“, berichtet Márta Diessner. Der „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung mit Essen auf Rädern und in Senioreneinrichtungen“ steht für ein besonders gesundheitsförderndes, aber auch genussvolles Verpflegungskonzept. Auch Nachhaltigkeitsaspekte stehen bei der Zertifizierung im Fokus: „Wenn möglich kaufen wir regionale, saisonale und fair gehandelte Lebensmittel. Und wir versuchen Lebensmittelabfälle zu vermeiden.“ Nur wenige Heime können das DGE-Qualitätssiegel vorweisen. „Wir haben 2021 an einem Modellprojekt des Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg teilgenommen, Schulungen besucht, Checklisten erarbeitet und danach erfolgreich die Erstzertifizierung durchlaufen. Die Qualitätsstandards werden bei Audits regelmäßig erneut überprüft“, so Diessner. Essen hält Leib und Seele zusammen Eine ausgewogene und vollwertige Ernährung trägt wesentlich dazu bei, Gesundheit und Lebensqualität im Alter zu erhalten. „Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, viel Gemüse und Obst, täglich frische Milchprodukte sowie gelegentlich Fisch sollten auf dem Speiseplan stehen. Fett- und zuckerreiche Lebensmittel gilt es dagegen zu vermeiden“, erklärt Diessner. Beim Essen geht es aber um viel mehr als „nur“ Nährstoffzufuhr. Essen hat auch mit Lebensfreude zu tun. Traditionelle Mahlzeiten wecken schöne Erinnerungen, können für ein Gefühl von Geborgenheit sorgen. „Wir kochen für die Generation vor uns. Ältere Menschen haben oft andere Vorlieben und Essgewohnheiten wie wir Jüngeren. Das berücksichtigen wir bei der Gestaltung des Speiseplans“, erzählt Márta Diessner. „Bei uns gibt es neben dem DGE-zertifizierten Menü jeden Tag ein gutbürgerliches Gericht. Auch da achten wir auf Qualität. Wir setzen viele regionale und saisonale Produkte ein und verzichten möglichst auf Fertigwaren. Spätzle schaben wir von Hand, Maultaschenfüllungen bereiten wir selbst zu. Solche Klassiker kommen bei den Bewohnern dann auch besonders gut an.“ Was noch gut ankommt: „Regelmäßig veranstalten wir kulinarische Abende. Dieses Jahr steht die Reihe unter dem Motto Kulinarische Reise“, so Diessner. „Wir hatten einen kroatischen Abend mit Cevapcici und Co, auch einen französischen und einen afrikanischen Abend gab es. Unser Küchenteam ist sehr international aufgestellt, da konnte jeder seine Erfahrung und Kreativität einbringen. Die Abende sind also für Bewohner und Küchenteam ein Highlight!“ Die Bewohnerinnen und Bewohner haben übrigens Mitspracherecht beim Thema Essen: Regelmäßig tagt ein Küchenausschuss, bei dem sie Feedback geben und Wünsche äußern können. Altersgerechte Mahlzeiten Beim Kochen achten Diessner und ihr Team auf altersbedingte Besonderheiten: „Im Alter stumpfen die Geschmacksknospen ab und werden weniger. Wir setzen daher auf Gewürze und Kräuter, um den Geschmack des Essens zu intensivieren.“ Thilo Naujoks >>> Márta Diessner

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