Ausgabe 2 >2025

24 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Neue Therapie: Gerinnsel wird abgesaugt Erst seit einigen Jahren gibt es eine ganz neue Therapiemöglichkeit: Die Thrombektomie oder Katheter-Therapie. Dabei wird durch die Leiste oder den Arm – ähnlich wie bei einer Behandlung nach einem Herzinfarkt – ein Katheter in die Blutgefäße eingeführt und bis zum Gerinnsel im Gehirn vorgeschoben. Dabei wird in der Regel ein Stent, also ein dünnes Drahtgeflecht welches eigentlich zur Aufweitung von Gefäßverengungen eingesetzt wird, in das Gerinnsel vorgeschoben. Der Stent verhakt sich im Gerinnsel und wird dann zusammen mit dem Gerinnsel unter Sog aus dem Gehirngefäß herausgezogen. „Hierdurch kann in bis zu 90 Prozent der Fälle eine Wiedereröffnung des verschlossenen Hirngefäßes erzielt werden“, so PD Dr. Abramyuk, neuer Leiter der Sektion Neuroradiologie. Noch ist diese neue Therapieform nicht sehr verbreitet. Nur wenige Kliniken verfügen über die entsprechenden Spezialistinnen und Spezialisten und die passende Technik für diesen komplizierten Eingriff. So werden Patientinnen und Patienten, bei denen die Lyse-Therapie nicht wirkt oder angewendet werden kann, häufig in andere Kliniken verlegt, um die Thrombektomie durchzuführen. Dabei geht wertvolle Zeit verloren. Neuer Experte für Thrombektomien Johannes Berger hatte mehrfach Glück. Nicht nur, dass er innerhalb von einer Stunde nach dem Schlaganfall im Krankenhaus war, sondern er landete auch gleich im Klinikum Esslingen. Das Schlaganfallzentrum im Klinikum Esslingen hat seit kurzem mit PD Dr. Andriy Abramyuk einen weiteren Spezialisten für die neue Form der Schlaganfall-Therapie und kann betroffene Patientinnen und Patienten im eigenen Haus behandeln. „Privatdozent Dr. Abramyuk ist einer der absoluten Experten auf diesem Gebiet“, sagt Professor Reinhard. „Mehrere hunderte solcher Thrombektomien hat er in den vergangenen Jahren in der Uniklinik Dresden durchgeführt.“ Seit April gehört er nun zum Team des Klinikum Esslingen. Mit PD Dr. Abramyuk als neuem Sektionsleiter verfügt das Klinikum Esslingen insgesamt über drei Experten, die den komplexen Eingriff durchführen können. PD Dr. Abramyuk stammt aus Lemberg in der Ukraine, wo er auch sein Medizinstudium absolvierte. Nach dem siebenjährigen Allgemeinstudium und der Approbation als Arzt folgte die fünfjährige Ausbildung zum Radiologen. Weitere vier Jahre Ausbildung in Neuroradiologie und eine Weiterbildung in Interventioneller Neuroradiologie an der Uniklinik in Dresden beim renommierten Neuroradiologen Professor Dr. Rüdiger von Kummer schlossen sich an. Berufserfahrungen hat er unter anderem auch am Uniklinikum Gießen und Salzburg gesammelt, bevor er im April 2025 dem Ruf ans Klinikum Esslingen folgte. Eingriff auch bei schweren Verschlüssen möglich Was sind die Vorteile der Katheter-Therapie? „Wir haben ein wesentlich größeres Zeitfenster für den Eingriff“, sagt PD Dr. Abramyuk. So sei die Katheter-Therapie auch in manchen Fällen bis 24 Stunden nach dem Schlaganfall möglich, wenngleich ein möglichst früher Beginn der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Behandlung bleibt. Zudem könne diese Technik auch bei sehr schweren Verschlüssen der Arterie eingesetzt werden, wenn die Lyse nicht wirke. Hohe Erfolgsquote Die Erfolgsquoten nach dem Eingriff sprechen für sich. „Etwa 50 Prozent der Patienten, die mit der Thrombektomie behandelt werden, überleben den Schlaganfall ohne größere bleibende Schäden“, sagt Professor Reinhard. „Das sind doppelt so viele wie bei der Lyse-Behandlung.“ Häufig werden mittlerweile beide Therapien miteinander kombiniert, was die Erfolgsquoten nochmals steigert. Besonders segensreich ist die neue Therapie bei den etwa 15 Prozent der Patientinnen und Patienten mit schweren Verschlüssen der Arterie. „Diese hatten bis vor einigen Jahren so gut wie keine Chance, den Schlaganfall ohne schwere Behinderung zu überstehend, da die Lyse oft nicht angeschlagen hat“, sagt Professor Reinhard. Wie lange dauert ein solcher Eingriff? „Zwischen 20 Minuten und fünf Stunden, je nach Patient, Lage des Blutgerinnsels und dem Grad der Verstopfung“, erklärt Dr. Abramyuk. Meist ist das Gerinnsel aber nach 40 bis 50 Minuten entfernt. Nach dem Eingriff bleiben die Betroffenen für einen Tag auf der Intensivstation. Verläuft alles nach Plan, werden sie dann für drei weitere Tage auf der Stroke Unit überwacht und weiterbehandelt. Auch Johannes Berger wurde mit der Katheter-Methode behandelt. Bei ihm war die Basilaris-Schlagader im Hirnstamm verschlossen, eine der gefährlichsten Stellen für einen Gefäßverschluss im Gehirn, die nicht selten zu einem tödlichen Schlaganfall führt. „Man hat das Gerinnsel abgesaugt“, sagt der Ostfildener. Er selbst hat keinerlei Erinnerungen, weder an den Schlaganfall noch an die schnelle Einlieferung in die Klinik und den operativen Eingriff. „Ich bin erst wieder aufgewacht, als ich nach dem Eingriff auf der Intensivstation im Bett lag.“ Alles verlief glatt. „Ich habe keinerlei motorischen Beeinträchtigungen“, sagt Johannes Berger zufrieden. Einzig mit seinem rechten Auge habe er noch Probleme. „Da habe ich morgens leichte Sehstörungen. Im Laufe des Tages wird das jedoch besser.“ >>> Johannes Berger konnte schon wenige Wochen nach dem Schlaganfall wieder regelmäßige Walkingrunden absolvieren.

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