38 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 Auch bei Ursula Beutel setzt das Ärzteteam am Klinikum Esslingen zunächst auf Entwässerungsmedikamente. Doch schon wenige Tage später ist sie mit denselben Symptomen wieder in der Klinik. Nach dem dritten Klinikaufenthalt innerhalb weniger Wochen rät Professor Dahme der 94-Jährigen schließlich zum Kathetereingriff. „Auch in sehr hohem Alter kann ein Herzklappeneingriff über Katheter Sinn machen – anders als eine offene Herzoperation, bei der jemand über neunzig eine sehr schlechte Prognose hätte“, erklärt Professor Dahme. „Wir wägen bei einer solchen Entscheidung natürlich genau ab: Ist der Eingriff absolut notwendig? Ist die hochbetagte Patientin oder der Patient in einer guten Verfassung?“ „Reparatur“ per Clip Bei dem Eingriff wird mit einem Katheter ein Clip eingebracht, der die Klappensegel an einer Stelle zusammenrafft – wie mit eine Art Wäscheklammer – und damit verkleinert. Die Klappe kann dann wieder besser schließen. In der Regel wird der circa ein-bis zweistündige Eingriff unter Vollnarkose durchgeführt. Bei Ursula Beutel entscheidet das Katheter-Team sich jedoch für eine Teilnarkose. Trotzdem habe sie während des Eingriffs nichts gespürt, so die Seniorin. „Bevor es los ging, fragte Professor Dahme, ob ich Angst hätte. Ich meinte, ein komisches Gefühl sei es schon. Da sagte er: ‚Sie brauchen keine Angst zu haben – ich passe auf Sie auf.‘ Zu wissen, dass er sich persönlich als Mensch so einsetzt – das war sehr angenehm.“ Lebensqualität zurückerhalten Der Eingriff verläuft hervorragend. Bereits nach zwei Tagen wird Ursula Beutel aus dem Krankenhaus entlassen. „Ein paar Wochen lang fühlte ich mich noch geschwächt. Das lag neben meinem Alter vermutlich auch daran, dass ich vor dem Eingriff stark an Gewicht verloren habe“, berichtet die Seniorin. Heute kann sie – ihrem Alter entsprechend – wieder am Leben teilnehmen. Atemnot hat sie keine mehr. „Die Ärzte haben zu mir gesagt: ‚Wenn Sie nicht so viel Sport in Ihrer Jugend getrieben hätten, hätte ihr Körper das nicht geschafft.‘ Mit 79 Jahren habe ich noch Tennis gespielt. Seit ein paar Jahren bin ich zwar mit Rollator unterwegs, aber ich bleibe so aktiv wie möglich. Auch wenn ich mit 94 Jahren keine Bäume mehr ausreißen kann, war der Eingriff ein Erfolg“, freut sich Ursula Beutel. Vorreiter bei Eingriffen an den Herzklappen Nicht nur die Trikuspidalklappe kann per Katheter „repariert“ werden, sondern auch ihr Gegenstück, die Mitralklappe, die in der linken Herzhälfte zwischen Vorhof und Kammer liegt. Um eine Mitralklappeninsuffizienz zu beheben, werden aus einer großen undichten Öffnung zwei kleine gemacht: „Mit einem Katheter setzt man in der Mitte der Herzklappe einen Clip und heftet dadurch die Segel aneinander. So wird aus der Herzklappe, die eine große Öffnung hat, eine Herzklappe, die zwei kleine Öffnungen hat, die dann wieder schließen können“, beschreibt Professor Dahme das Vorgehen. Mitralklappeninsuffizienz sei oft eine Nebenerscheinung der Herzschwäche und die wiederum könne beispielsweise Folge eines Herzinfarkts, einer Herzmuskelentzündung oder einer Chemotherapie sein, so Professor Dahme. „Durch die schlechte Pumpleistung erweitert sich das Herz und damit auch der Klappenring.“ Mit Professor Dahme, der im April 2023 die Position des Chefarztes der Kardiologe übernahm, hat das Klinikum Esslingen einen ausgewiesenen Experten für minimalinvasive Eingriffe an der Mitralklappe und der Trikuspidalklappe gewonnen. In seiner früheren Position als leitender Oberarzt der Kardiologie am Universitätsklinikum Ulm hat er die Verfahren, die zur Reparatur dieser beiden Klappen heute Standard sind, sogar mitentwickelt. In Esslingen traf der neue Chefarzt auf ein erfahrenes Team: „Die kardiologische Expertise am Klinikum Esslingen ist auf einem Spitzenniveau“, lobt er. „Das Klinikum zeichnet sich durch eine Mischung aus Breite und Spezialisierung aus. Von der Diagnostik in allen Bereichen, über den Herzklappeneingriff bei uns vor Ort im Katheter-Labor decken wir das gesamte kardiologische Spektrum ab.“ Auch für komplexeste Koronarinterventionen, und auch Eingriffe an der Aortenklappe, ist man gerüstet. „Diese Eingriffe dürfen nur an Kliniken durchgeführt werden, die eine Herzchirurgie im Haus haben, die also auch am offenen Herzen operieren können. Daher kooperieren wir mit der Sana Klinik in Stuttgart“, erklärt Professor Dahme: „Die Operation findet in Stuttgart statt, der behandelnde Arzt des Klinikum Esslingen ist dabei und führt den Eingriff durch.“ So sei sichergestellt, dass die Patientin oder der Patient von der Diagnose an über die präoperative Abklärung und den Eingriff bis zur Nachsorge aus einer Hand betreut wird. nw >>> „ Bevor ein Eingriff am Herzen vorgenommen wird, versuchen wir nach Möglichkeit, medikamentös zu behandeln.” Die vier Herzklappen. Oben links die Trikuspidalklappe. Trikuspidalklappe Mitralklappe Aortenklappe Pulmonalklappe
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