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Esslinger Gesundheitsmagazin 13
Die Zahlen sind erschreckend: Für 2012 rechnen die Experten
der Deutschen Krebsgesellschaft mit rund 490.000 Krebsneu-
erkrankungen in Deutschland, damit erkranken voraussichtlich
80.000 Menschen mehr an Krebs als noch vor 15 Jahren. Wir
werden immer älter, damit steigt das Krebsrisiko und so erklärt
sich die zunehmende Zahl der Neuerkrankungen. Die unpersön-
liche Statistik aber macht auch Hoffnung: Bei rund zwei Milli-
onen Menschen liegt die Erstdiagnose schon mehr als zehn
Jahre zurück, fast 1,5 Millionen leben bereits fünf Jahre mit dem
Krebs. „In mehr als der Hälfte der Fälle sind wir heute in der
Lage, eine Krebserkrankung zu heilen“, sagt Professor Dr.
Michael Geißler, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medi-
zin im Klinikum Esslingen. „Ist eine vollständige Heilung nicht
möglich, lässt sich der Krebs oft über viele Jahre erfolgreich in
Schach halten.“
Einige Krebsarten lassen sich recht gut im Frühstadium erken-
nen. Die Krankenkassen haben hierfür deshalb Vorsorgeunter-
suchungen in ihren Leistungskatalog aufgenommen. Ab einem
bestimmten Alter kann jeder Versicherte regelmäßige Vorsor-
geuntersuchungen auf Hautkrebs und Darmkrebs, Brust-,
Gebärmutter- und Prostatakrebs in Anspruch nehmen. „Vor
allem das Brustkrebs-Screening bei Frauen hat dazu geführt,
dass wir vermehrt Patientinnen im Frühstadium der Erkrankung
sehen“, berichtet Dr. Henry Simon, Ärztlicher Leiter des Onko-
logischen Zentrums am Paracelsus-Krankenhaus Ruit. „Die
Darmkrebsvorsorge mit einer Darmspiegelung wird dagegen
trotz regelmäßiger Aufklärungskampagnen nicht so angenom-
men, wie es wünschenswert wäre.“
Das „ordnende Gespräch“ nach der Diagnose
Oft ist es zunächst nur ein Verdacht, den der Hausarzt oder ein
niedergelassener Facharzt hegt, weil sich Beschwerden nicht
eindeutig zuordnen lassen. So werden die Patienten nicht selten
mit der Verdachtsdiagnose einer Krebserkrankung zur weiteren
Abklärung in die Klinik überwiesen. Bestätigen die Untersu-
chungsergebnisse die Krebsdiagnose, dann folgt das schwierige
Erstgespräch zur Tumoraufklärung. „Die Patienten haben sich
meist schon vorher Gedanken gemacht und sind nun froh über
die Aufklärung, die Offenheit und das ordnende Gespräch“,
berichtet Dr. Simon. „Viele sind aber auch überrascht, dass es
für ihre Krebserkrankung eine Heilungschance gibt.“
Dennoch ist die Gewissheit, dass ein bösartiger Tumor im Kör-
per wächst, sich eine Krebserkrankung auszubreiten beginnt,
für die Betroffenen ein Schock, der nicht selten das ganze Leben
auf den Kopf stellt. „Wir bieten deshalb jedem Patienten Unter-
stützung und Begleitung durch unsere Psychoonkologen an“,
berichtet Professor Geißler. Die speziell geschulten Psychologen
unterstützen die Patienten bei der Krankheitsbewältigung und
begleiten sie auf Wunsch auch durch die Therapie.
Wie groß die Heilungschancen sind und wie erfolgreich eine
Therapie sein kann, hängt jedoch von einer ganzen Reihe unter-
schiedlicher Faktoren ab. „Krebs ist nicht gleich Krebs“, erklärt
Professor Geißler. Es existieren über 100 unterschiedliche Krebs-
arten. Manche wachsen langsam,
andere bilden sehr schnell
Tochtergeschwüre, die
sogenannten Metas-
tasen. Entschei-
dend ist auch das
Stadium zum
Zeitpunkt der
Erstdiagnose:
Rechtzeitig im
Frühstadium
erkannt sind
die Heilungs-
chanc en b e i
vielen Krebser-
krankungen um
ein Vielfaches besser
als in fortgeschrittenem
Stadium. Zudem existieren
persönliche und individuelle gene-
tische Faktoren, die eine Prognose über den Krank­heitsverlauf
beeinflussen.
Entsprechend kompliziert ist es, die optimale Behandlungsstra-
tegie für die Krebserkrankung des einzelnen Patienten zu ermit-
teln. In sogenannten Tumorboards wird deshalb heute in den
meisten Kliniken die Krebserkrankung jedes Patienten bespro-
chen. Chirurgen und Internisten aus unterschiedlichen Fachdis-
ziplinen, Onkologen, Strahlentherapeuten und Pathologen dis-
kutieren hier gemeinsam aufgrund der Untersuchungsbefunde
und auf der Basis aktueller Forschungsergebnisse die Therapie­
möglichkeiten und geben eine Empfehlung ab. Zudem sind ein-
zelne Kliniken spezialisiert auf die Behandlung bestimmter
Krebsarten und haben dazu spezielle Organzentren gegründet.
Im Landkreis existieren an verschiedenen Standorten beispiels-
weise Brustkrebszentren, Darmkrebszentren, Lungenkrebszen-
tren, Pankreaszentren oder Prostatakrebszentren. Diese Krebs-
arten zählen zu den häufigsten Krebserkrankungen.
Bündelung der Kräfte im OSP
Im Landkreis Esslingen haben sich die Krebsspezialisten aus dem
Klinikum Esslingen, den Kreiskliniken Esslingen, der Filderklinik
und aus der onkologischen Schwerpunktpraxis Wendlingen zum
Onkologischen Schwerpunkt Esslingen (OSP) zusammenge-
schlossen. „Mit dieser Bündelung der Kräfte führen wir die Kom-
petenz im Landkreis zusammen – zum Wohl der Patienten“,
sagte der Esslinger Oberbürgermeister Dr. Jürgen Zieger bei der
Vorstellung des OSP. Besonders deutlich wird das in der gemein-
samen OSP-Tumorkonferenz jeden Montag um 16.00 Uhr. Dann
sitzen in den beteiligten Standorten die Krebsspezialisten vor
großen Monitoren und diskutieren gemeinsam die besonders
schwierigen und komplexen Fälle. Jede Klinik und die Schwer-
punktpraxis haben zuvor Untersuchungsbefunde bereitgestellt,
die in allen Kliniken angezeigt werden. Die behandelnden Ärzte
der drei Kliniken und der Schwerpunktpraxis stellen nacheinan-
der ihre Patienten und deren geplante Behandlung vor. „Die
besonders komplexen Fälle machen etwa 10 bis 15 Prozent
unserer Krebspatienten aus“, sagt Professor Geißler, der auch
ärztlicher Vorstand des OSP ist. Die Therapie für Patienten, bei
denen beispielsweise Speiseröhrenkrebs, spezielle Blutkrebs­
„In mehr als der Hälfte der Fälle
sind wir heute in der Lage, eine
Krebserkrankung zu heilen.“
Zwei
Millionen
Menschen leben
seit zehn Jahren mit ihrer
Krebserkrankung
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