20 Esslinger Gesundheitsmagazin
2 2016
Geschenktes
Leben
18 Jahre lang lebte Heinz Suhling mit dem Wissen, dass seine Leber
eines Tages streiken würde. Er war an der Autoimmunkrankheit
Primär biliärer Cholangitis (PBC) erkrankt. 2010 erhielt er eine
Spenderleber. Seitdem engagiert sich der heute 70-Jährige, der
in Ostfildern lebt, im gemeinnützigen Patientenselbsthilfeverband
Lebertransplantierte Deutschland e.V. und ist Mitglied im Aktions-
bündnis Organspende des Landes.
Wie wurde Ihre Erkrankung erkannt?
Das war reiner Zufall. Ich hatte keinerlei Beschwerden, wie es ja
bei Lebererkrankungen häufig der Fall ist. Bei einem routinemä-
ßigen Check 1992 war das Blutbild auffällig, es wurden erhöhte
Leberwerte festgestellt und schließlich PBC diagnostiziert. Ich
bekam Medikamente und musste regelmäßig zu Kontrollunter-
suchungen. 18 Jahre lang konnte ich so gut leben. Aber es war
klar, spätestens nach 20 Jahren brauche ich eine neue Leber.
Wann war eine Transplantation
unumgänglich?
Ende 2009 wurden meine Werte immer schlechter. Ich hatte
starken Juckreiz und war ständig müde. Schließlich war klar,
dass die Zeit für eine Transplantation gekommen war. Mein
behandelnder Arzt schickte mich im April 2010 für die nötigen
Untersuchungen ins Transplantationszentrum nach Tübingen.
Dort verschlechterte sichmein Gesundheitszustand rapide, meine
Nieren versagten und ich bekam eine Lungenentzündung. Es
war, als würde mein Körper aufgeben. Anfang Juni erlitt ich einen
Blutsturz und erbrach insgesamt rund 3,5 Liter Blut. Da stand es
dann Spitz auf Knopf und ich wurde auf Platz eins der Warte
liste für eine Spenderleber gesetzt. Nach 14 Tagenwar ein passen
des Organ gefunden. Später erfuhr ich, dass es von einemUnfall-
opfer aus meiner Heimatstadt Hamburg stammte. Welch ein
Glück, dass die Frau einen Organspende-Ausweis bei sich trug!
Wie haben Sie das Warten auf
die neue Leber erlebt?
Daran kann ich mich kaum erinnern. Die meiste Zeit war ich gar
nicht richtig bei mir. Vieles weiß ich nur von meiner Frau. Als
aber mein Arzt kam und mir sagte „Ihre Leber ist in der Luft“,
das war schon ein unglaubliches Glücksgefühl.
Wie leben Sie nach der Transplantation?
Es geht mir sehr gut. Ich musste die ersten Monate ganz beson-
ders aufpassen, dass ich keine Infektion bekam. Das ist auch
heute noch so. Ich nehme täglich fünf Tabletten, die eine Absto-
ßung verhindern sollen, und gehe regelmäßig zur medizinischen
Kontrolle. Außerdem ist natürlich Alkohol tabu. Aber ein alkohol
freies Bier schmeckt auch. Ich wandere, schwimme und fahre
Rad. Sportliche Betätigung ist wichtig. Eigentlich musste ich
mein Leben nicht großartig umstellen.
Wie empfinden Sie Ihr neues Leben?
Es ist ein geschenktes Leben. Es ist mir bewusst, dass jemand
sterben musste, damit ich leben kann. Vieles sehe ich heute ent-
spannter und ich mache keine Kompromisse mehr, die ich früher
vielleicht eingegangen wäre.
Warum engagieren Sie sich
im Selbsthilfeverband?
Ich will darüber aufklären, wie wichtig Organspende und Trans-
plantationen sind. Es gibt viel zu wenige Menschen, die zu einer
Organspende bereit sind. Auch ich habe mich vor meiner Erkran-
kung damit nicht beschäftigt und hatte keinen Organspende-
Ausweis. Aber dieses Stück Papier gibt Sicherheit und entlastet
auch die Angehörigen von der Entscheidung. Viele Bürger sind
gar nicht oder falsch informiert darüber, wann eine Organent-
nahme gemacht wird. Wir halten Vorträge an Schulen, Kliniken,
auf Gesundheitsmessen und im letzten Jahr auf dem Evangeli-
schen Kirchentag in Stuttgart. Außerdem stehe ich als
Ansprechpartner für den Bereich Stuttgart und Esslingen für
Fragen zur Verfügung.
Das Gespräch führte
Ulrike Rapp-Hirrlinger
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