Ausgabe 2 >2022

2 | 2022 Esslinger Gesundheitsmagazin 7 „Ich habe ein Riesenglück, dass die Medizin sowas kann“, sagt Margot D. Die 73-Jährige kommt gerade aus dem Freibad. Dort zieht sie regelmäßig ihre Bahnen. Auch sonst führt sie ein aktives Leben. Möglich ist das, weil Ärztinnen und Ärzte im Klinikum Esslingen zwei ihrer Herzklappen repariert haben. Aortenklappe, Mitralklappe, Trikuspidalklappe, Pulmonalklappe. Jeder Mensch hat vier Herzklappen. Sie sorgen mit dafür, dass unser Blutkreislauf „rund läuft“. Damit alle unsere Organe mit Sauerstoff und Energie versorgt werden, pumpt der Herzmuskel ständig Blut durch den Körper. Sauerstoffreiches Blut fließt von der linken Herzhälfte in die Arterien. Sauerstoffarmes Blut wird über die Venen zurück in die rechte Herzhälfte transportiert. Von dort aus strömt es weiter in die Lunge, wo es wieder mit „Frischluft“ angereichert wird. Die Herzklappen sind in diesem Kreislauf die Ventile. Sie gewährleisten, dass das Blut in die richtige Richtung strömt. Defektes Ventil Ist eines der Ventile defekt, kann das schwerwiegende Folgen haben. „Man unter scheidet zwei Arten von Herzklappenfehlern. Sie können einzeln oder in Kombination auftreten“, erklärt PD Dr. Martin Arnold, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Klinikum Esslingen. „Eine Verengung oder Stenose führt dazu, dass das Blut sich vor der Klappe staut. Bei einer Klappeninsuffizienz dagegen schließt die Klappe nicht mehr richtig, Blut fließt in die falsche Richtung.“ Um den Fehler auszugleichen, muss der Herzmuskel stärker arbeiten – eine Überlastung, die auf Dauer zu einer Herzschwäche und unbehandelt zum Herzversagen führen kann. Margot D. fällt im Coronasommer 2020 erstmals auf, dass etwas nicht stimmt: „Ich war nicht hundertprozentig fit. Beim Treppensteigen kam ich schnell aus der Puste. Aber während der Pandemie ging man ja nicht so gerne zum Arzt.“ Anfang 2022 fühlt sie sich richtig krank: „Ich war total erschöpft und meine Beine sind angeschwollen.“ Typische Symptome für einen schweren Herzklappenfehler. Betroffene klagen auch oft über Atemnot und Husten, ein Engegefühl und Schmerzen in der Brust oder sie haben Ohnmachtsanfälle. Welche Beschwerden auftreten, hängt davon ab, welche der vier Herzklappen betroffen ist. Schonender Kathetereingriff Margot D. leidet an einer Mitralklappeninsuffizienz. Der Klappenfehler ist so schwer, dass er operativ behoben werden muss. Ein Eingriff am offenen Herz scheidet aus, das Herz ist zu geschwächt. Trotzdem kann PD Dr. Arnold der Patientin helfen – mit einem kathetergestützten Verfahren. Bei einem Kathetereingriff muss die Ärztin oder der Arzt nicht den Brustkorb öffnen, um an das Herz zu gelangen. Stattdessen punktiert man eine Leistenvene und schiebt von dort einen Katheter, einen biegsamen Schlauch, vor zum Herzen. An der Spitze des Katheters befinden sich spezielle Instrumente, mit deren Hilfe quasi „von Innen“ operiert wird. Das geschieht unter Ultraschall- und Röntgenkontrolle, ein Monitor zeigt Bilder des Herzens. „Der Eingriff ist sehr schonend. Es entsteht keine Operationswunde, damit fällt die Wundheilungszeit komplett weg. Außerdem können wir am schlagenden Herzen und ohne Vollnarkose operieren, also ersparen wir der Lunge und dem Herz die Belastungen einer künstlichen Beatmung“, so PD Dr. Arnold. Eine kathetergestützte Herzklappenoperation erfordert viel Expertise und Fingerspitzengefühl. PD Dr. Arnold bringt beides mit: Er operierte knapp 20 Jahre lang am Universitätsklinikum Erlangen und leitete dort als Oberarzt zuletzt das inter ventionelle Herzklappenprogramm und den Bereich Rhythmologie. 2022 wechselte er ans Klinikum Esslingen. Hier traf der neue Chefarzt auf eine erfahrene Mannschaft: Pro Jahr werden in Esslingen rund 70 kathetergestützte Herzklappenrekonstruktionen durchgeführt. Beteiligt sind Fachleute PD Dr. Martin Arnold >>> „ Kathetereingriffe sind sehr schonend. Es entsteht keine Operationswunde, damit fällt die Wundheilungszeit komplett weg.“ An einem Tag rund 100.000 Mal öffnen und schließen sich die Herzklappen.

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