1 2015
Esslinger Gesundheitsmagazin 9
Der Typ 2-Diabetes ist dadurch gekennzeichnet, dass das Hor-
mon Insulin nicht mehr ausreichend wirkt. Insulin ist dafür
zuständig, dass der Zucker in die Zellen geschleust wird, wo er
dann zu Energie verarbeitet wird (siehe auch Infokasten auf
Seite 12). Bei Typ 2-Diabetes entwickeln die Körperzellen eine
sogenannte Insulinresistenz. Das bedeutet, dass sie immer
weniger auf Insulin ansprechen, bis sie schließlich unempfind-
lich (=resistent) werden. Das Hormon kann den Zucker dann
nicht mehr in die Zellen schleusen. Infolgedessen steigt der
Blutzuckerspiegel an.
Übergewicht begünstigt diese Entwicklung, da Fettgewebe, ins-
besondere das Fettgewebe am Bauch, Botenstoffe ausschüttet,
die eine Insulinresistenz fördern. Bewegungsmangel verstärkt
vor allem bei Muskelzellen die Insulinresistenz. „Wer also die
genetische Anlage zum Diabetes in sich trägt, bei dem wird die
Krankheit wahrscheinlich deutlich früher ausbrechen, wenn er
gleichzeitig übergewichtig ist und sich zu wenig bewegt“, erklärt
Dr. Gölz. Der Diabetes Typ 2 wurde früher Altersdiabetes
genannt, weil er in der Regel erst im Rentenalter auftrat. „Das
Diagnosealter verschiebt sich jedoch immer mehr nach links“,
so Dr. Gölz. Statistiken zeigen es deutlich: Den höchsten
Zuwachs gibt es in der Altersgruppe der rund 60-Jährigen, also
im Zeitraum noch aktiver Erwerbstätigkeit. Und was früher als
ausgeschlossen galt, kommt heute immer häufiger vor: Sogar
Kinder und Jugendliche erkranken am Typ 2-Diabetes.
„Im frühen Stadium der Erkrankung versucht der Körper
zunächst, die Insulinresistenz zu überwinden, indem er mehr
Insulin ausschüttet“, erklärt Diabetologin Dr. Ursula Kurz vom
Klinikum Esslingen. In dieser Zeit ist der Insulinspiegel im Blut
daher erhöht. „Doch irgendwann erschöpft die Insulinproduk-
tion und es kommt zum massiven Anstieg des Blutzuckers.“ Ist
dieser dauerhaft erhöht, werden langfristig Blutgefäße und Ner-
ven geschädigt. Folgekrankheiten des Diabetes können deshalb
vielfältig sein. Es kann zu Schädigung an Nieren, Augen und
Nerven, aber auch zu Schlaganfall, Herzinfarkt, dem diabeti-
schen Fuß und Erektionsstörungen kommen. „Viele Patienten,
die bei uns mit Herzinfarkt oder Schlaganfall eingeliefert wer-
den, wissen gar nicht, dass sie hohe Blutzuckerwerte haben –
oder sie haben ihren Zucker über Jahre hinweg nicht ernst
genommen“, sagt Dr. Kurz. „Doch Ignorieren heilt den Diabetes
nicht. Gibt man der Erkrankung genug Zeit, kommen die Folgen
auf jeden Fall zum Tragen.“ Frühe Symptome sind vermehrter
Durst, häufiges Wasserlassen, Juckreiz, schlecht heilende Wun-
den, später auch Sehstörungen. „Doch erhöhte Werte tun nicht
weh und werden deshalb häufig nicht ernst genommen.“
Die Veranlagung zu Diabetes Typ 2 ist erblich. Wenn nahe Ver-
wandte (vor allem Eltern oder Geschwister) Typ 2-Diabetiker
sind, beträgt die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eben-
falls zu erkranken, bis zu 60 Prozent. Was kann man also tun?
Vor allem wenn bereits erhöhte Blutzuckerwerte vorliegen?
Bewegung erleichtert die Aufnahme von Zucker
in die Zelle
„Durch einen entsprechenden Lebensstil liegt es in der eigenen
Hand eines jeden Betroffenen, sein persönliches Risiko zu sen-
ken und den Diabetes in den Griff zu bekommen“, sagt Dr. Kurz.
Maßnahme Nummer eins: ein maßvolles, gesundes, abwechs-
lungsreiches Essen. „Es gibt praktisch nichts, was man als Dia-
betiker nicht essen darf“, erklärt die Diabetologin, „die Vorgaben
sind die Gleichen wie für Gesunde.“ Maßnahme Nummer zwei:
Bewegung. Denn Bewegung sorgt dafür, dass der Zucker in den
Muskelzellen verbraucht und die Insulinwirkung verbessert wird.
„Diese zwei Erstmaßnahmen gelten für jedes Stadium der
Erkrankung – ob bei leicht erhöhten Werten oder wenn bereits
Folgeerscheinungen auftreten.“
Um den Patienten eine Lebensstiländerungen zu erleichtern,
bieten alle Diabeteszentren – auch das von Dr. Gölz – Schulun-
gen an, die von Experten, darunter auch Ernährungsberater und
Nordic-Walking-Trainer, geführt werden. „Unsere Gruppenschu-
lungen bestehen aus acht bis zwölf wöchentlichen Sitzungen,
in denen die Patienten zunächst ihre Erkrankung verstehen ler-
nen und dann Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, was sie
dagegen unternehmen können“, so der Facharzt. Ein Bespiel für
ein Schulungsmodul ist „DiSko“. Es bedeutet: „Wie Diabetiker
zum Sport kommen“. Kernstück ist ein geführter halbstündiger
Spaziergang, der in bestehende Schulungsangebote eingebaut
wird. Alle Schulungsteilnehmer können mitmachen, da ein ganz
individuelles Tempo eingehalten wird. Vor und nach dem Spa-
ziergang werden Blutzucker und Puls gemessen. Die meist ein-
drucksvolle Blutzuckersenkung und Pulssteigerung werden
visualisiert und diskutiert. „Patienten in den früheren Stadien
bekommen in der Regel mit Gewichtsreduktion und Bewegung
ihren Diabetes in den Griff“, sagt Dr. Kurz, „wobei Bewegung
nicht bedeutet, Leistungssport zu treiben, sondern hier reicht
täglich ein halbstündiger, zügiger Spaziergang aus.“
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Typ 2:
Körperzellen erkennen das Insulin nicht mehr