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Esslinger Gesundheitsmagazin 15
Anfang der 1980er gab es in vielen größeren Kliniken noch keine
neurologischen Fachabteilungen. Nicht nur in Esslingen wurden
Patienten, die mit einer akuten Erkrankung des Nervensystems
ins Krankenhaus eingewiesen wurden, auf ganz unterschiedli-
chen, meist internistischen Stationen behandelt: „Für Schlagan-
fallpatienten gab es damals generell noch keine gesonderte Ver-
sorgung“, berichtet Dr. Sperber aus vergangenen Tagen. Zumeist
wurden Schlaganfallpatienten in der Inneren Medizin versorgt.
Auch Epilepsie- oder Parkinson-Patienten wurden verstreut in
unterschiedlichen Fachdisziplinen behandelt. Von Demenz wurde
kaum gesprochen. Heute sind Schlaganfall, Epillepsie, Multiple
Sklerose, Kopfschmerz- und Schwindel-Erkrankungen ebenso
der Neurologie zugeordnet, wie Nervengewebe zerstörende
Erkrankungen, wie etwa Parkinson oder Demenz.
„Im Verlauf der 80er und 90er Jahre erlebte die Medizin einen
rasanten Auftrieb, neue Fachgebiete entstanden. Innovative
technische Verfahren ermöglichten uns Einblick ins Körperinnere
und das medizinische Fachwissen wuchs“, so Dr. Sperber weiter.
Diagnostik und Therapie wurden mit den bildgebenden Verfah-
ren Computertomographie (CT) und Kernspintomographie (MRT)
revolutioniert; erstere wurde zunehmend schonender und
schneller. „Wenn ich meinen jungen Kollegen heute erzähle, dass
wir Veränderungen des Gehirns früher durch das Einbringen von
Luft in die Hirnkammern untersuchten oder Tumoren und Blu-
tungen im Gehirn durch Ultraschall diagnostizierten, dann
schauen die mich ungläubig an. Heute diagnostizieren wir häu-
fig innerhalb weniger Minuten und ersparen den Patienten so
belastende Untersuchungen.“
Mit den verbesserten diagnostischen Verfahren entstanden
immer mehr neurologische Kliniken in den Krankenhäusern. Die
Neurologen nahmen sich des Schlaganfalles an und entwickel-
ten Konzepte. Auch die Politik erkannte die Zeichen der Zeit und
beschloss ein Schlaganfallprogramm, das in den letzten Jahren
landes- und bundesweit umgesetzt wurde. Nachdem bereits 30
Betten für die noch zu gründende, neurologische Klinik vom Land
für das Esslinger Klinikum vorgesehen waren, wurden dort die
erforderlichen Räumlichkeiten geschaffen und Labors, Untersu-
chungs- und Behandlungsräume eingerichtet. Sukzessive wurde
eine neue Klinik aufgebaut. Im April 1990 war es soweit, dass
die ersten beiden Patientinnen in der Neurologie stationär auf-
genommen und versorgt werden konnten. Eine dieser Patientin-
nen wird noch heute von Dr. Sperber betreut. Die gute Arzt-
Patienten-Beziehung über das Fachgebiet hinaus war dem
Chefarzt immer schon ein Anliegen.
Das neurologische Vierteljahrhundert
Wenige Jahre später, 1995, wurde ein weiterer Meilenstein in
der Geschichte der Klinik gesetzt. Der Geriatrische Schwerpunkt
mit einem spezialisierten Team wurde eingerichtet, um fortan
die breite und aufwendige Verknüpfung von Behandlungs- und
Rehabilitationsangeboten für alte Menschen zu sichern. Physio-
und ergotherapeutische Behandlungen wurden ebenso integ-
riert, wie die Logopädie, die es erst seit 1985 auf Betreiben von
Dr. Sperber am Klinikum gab. Auch die enge Zusammenarbeit
mit dem Sozialdienst ist ein Element des Geriatrischen Schwer-
punktes in Esslingen.
Esslingen bekam vom Land den Zuschlag für einen Regionalen
Schlaganfallschwerpunkt. 2002 wurden in der Klinik für Neuro-
logie zunächst sechs Betten mit dem technischen Aufwand aus-
gestattet, später wurde die Station auf acht Betten erweitert
und soll weiter vergrößert und ausgebaut werden. Seidem ver-
sorgt die Esslinger „Stroke Unit“ alle Schlaganfallpatienten der
Region und ist rund um die Uhr aufnahmebereit. Als erste
Schlaganfallstation Baden-Württembergs wurde sie im Sep-
tember 2009 von der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und
der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe zertifiziert und inzwi-
schen re-zertifiziert. „Darauf sind wir natürlich stolz“, so der
Neurologe.
Nach wie vor stellt der Schlaganfall die dritthäufigste Todesur-
sache dar. Jährlich erleiden circa 260.000 Betroffene einen
gefährlichen Hirninfarkt, der zumeist aufgrund verstopfter Arte-
rien oder Hirnblutungen passiert. „Der sehr schnelle Behand-
lungsbeginn ist entscheidend“, erklärt Dr. Sperber. „In unserer
Stroke Unit überwachen wir die Patienten mehr als 24 Stunden
– bei Bedarf bis zu 72 Stunden – optimal, bis sie auf eine der
anderen Stationen verlegt werden können.“
Da das Esslinger Klinikum eng mit anderen Krankenhäusern
zusammenarbeitet, können die Patienten bei Bedarf notärztlich
schnell und unkompliziert zu Spezialisten gebracht werden. Im
Stuttgarter Katharinenhospital wird beispielsweise die Entfer-
nung gefäßverstopfender Blutgerinnsel mit dem Katheter vor-
genommen. „Patienten, die früher gestorben wären oder
Schwerstpflegefälle, überleben heute oft ohne Folgeschäden. In
den letzten 25 Jahren ist viel passiert“, so Dr. Sperber. Innerhalb
des Esslinger Klinikums bestehen sehr enge Verbindungen zur
Gefäßchirurgie und zur Kardiologie. Dies ermöglicht, dass bei-
spielsweise hochgradige Engstellen der hirnversorgenden Arte-
rien operativ oder durch Stents beseitigt werden können. „Wir
haben in den vergangenen Jahren ein hervorragend kooperie-
rendes Netzwerk geschaffen, zum Wohle der Patienten.“
kl
Klinik für Neurologie und
Neurophysiologie
Chefarzt Dr. W. Sperber
Facharzt für Neurologie
und Psychiatrie,
Psychotherapie,
Klinische Geriatrie
Klinikum Esslingen
Hirschlandstraße 97
73730 Esslingen
Telefon 0711 3103-0
Schlaganfälle rühren von Durchblutungsstörungen im Gehirn her;
hier untersuchen die Ärzte mit Ultraschall, ob die Halsschlagader
verengt ist
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