2 2016
Esslinger Gesundheitsmagazin 29
700 bis 800
Patienten mit Schaufenster
krankheit werden jährlich im
Klinikum Esslingen
operiert.
Gerne erholen sich die Betroffenen vor einem Schaufenster,
damit der unausweichliche Stopp nicht zu sehr auffällt. Deshalb
nennt man diese Form der PAVK auch „Schaufensterkrankheit“.
Wird sie frühzeitig erkannt, lässt sich die Erkrankung gut behan-
deln. Wird sie erst spät diagnostiziert, hilft oft nur noch eine
Operation.
Auslöser der Schaufensterkrankheit ist eine Arteriosklerose.
Durch Ablagerungen in den Gefäßen entsteht eine Verengung,
der Blutfluss ist eingeschränkt, und es wird zu wenig Sauerstoff
in die Muskeln transportiert. Die Folge sind starke Schmerzen in
den Beinen, die vor allem bei körperlicher Belastung auftreten.
„Die Schmerzen lassen nach, sobald der Patient für eine Weile
stehen bleibt“, erklärt Dr. Rainer Graneis, Allgemeinmediziner in
Ostfildern-Nellingen und Vorsitzender der Kreisärzteschaft Ess-
lingen. Die Schaufensterkrankheit ist nicht selten. Man geht da
von aus, dass etwa jeder vierte Patient über 55 Jahre von der
PAVK betroffen ist, Männer viermal häufiger als Frauen. Dr.
Graneis schätzt, dass fünf Prozent seiner Patienten darunter
leiden.
Als Hauptursache der Schaufensterkrankheit nennt Professor
Dr. Florian Liewald, Chefarzt der Klinik für Gefäß- und Thorax-
chirurgie am Klinikum Esslingen, mit 95 Prozent das Rauchen.
Aber auch Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselerkran-
kungen können Auslöser sein. Dr. Graneis zählt zudem Bewe-
gungsmangel dazu. Diabetiker haben im Vergleich zu Nicht-
Diabetikern ein sechsfach erhöhtes Risiko, an PAVK zu erkranken.
„Kommen mehrere Risikofaktoren zusammen, summiert sich die
Gefahr nicht nur, sondern sie potenziert sich. Das Problem ist
die Summe der Risikofaktoren“, warnt Dr. Graneis. Die Ursache
dafür, dass Männer häufiger von der Schaufensterkrankheit
betroffen sind als Frauen sieht der Allgemeinmediziner unter
anderem darin, dass mehr Männer Raucher sind.
Das Tückische an der Schaufensterkrankheit: Sie beginnt meist
schleichend und verursacht lange Zeit keine Schmerzen. Im ers-
ten Stadium gibt es keine offenkundigen Symptome und keine
Beschwerden. Lediglich durch eine Ultraschalluntersuchung
könne der Arzt Veränderungen im Druck der Fußarterien fest-
stellen, erklärt der Allgemeinmediziner. Durch die Verengung der
Adern sei der Druck niedriger als am Oberarm und manchmal
sogar kaum noch zu spüren. Diese Untersuchung sei jedoch auf-
wändig und könne nur bei Patienten, bei denen ein konkreter
Verdacht bestehe oder die viele Risikofaktoren aufwiesen,
durchgeführt werden. Als generelle Vorsorgeuntersuchung
komme der Ultraschall eher nicht in Betracht. Bei Diabetikern
kann die Untersuchung verfälscht werden, da die Arterien oft
zu sehr verhärtet sind.
Schmerzen im großen Zeh
Meist wird die Schaufensterkrankheit deshalb erst im zweiten
Stadium erkannt. Die Mediziner unterscheiden, ob Betroffene
noch über 200 Meter (Stadium IIa) oder nur noch weniger als
200 Meter (Stadium IIb) Gehstrecke bewältigen können, bevor
sie sich ausruhen müssen. Ist die Krankheit noch weiter fortge-
schritten, tritt in Stadium III vor allem im Liegen und bei Nacht
ein Ruheschmerz auf. „Den spüren die Patienten besonders im
großen Zeh, weil dort die Durchblutung am geringsten ist“,
erklärt Dr. Graneis. „Lassen sie den Fuß aus dem Bett baumeln,
lässt der Schmerz nach.“ Im letzten Stadium kann das Gewebe
absterben und eine sogenannte Nekrose entstehen.
Wird eine Arteriosklerose diagnostiziert, untersuchen die Ärzte
immer auch, ob Veränderungen der Herzkranzgefäße oder der
Halsschlagader vorliegen. Denn die Arteriosklerose betreffe
letztendlich alle arteriellen Gefäße. „Es droht ein Herzinfarkt
oder ein Schlaganfall“, sagt Professor Liewald. Wie hoch die
Gefahr ist, verdeutlicht Dr. Graneis: „70 Prozent der Patienten
in Stadium III sterben an einem Herzinfarkt, zehn Prozent an
einem Schlaganfall.“ Eine frühzeitige Behandlung kann deshalb
lebensrettend sein. Insgesamt geht man davon aus, dass eine
arterielle Verschlusskrankheit die Lebenserwartung durch-
schnittlich um etwa zehn Jahre verringert.
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Alarmzeichen:
schmerzende
Beine




