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1 2017

Esslinger Gesundheitsmagazin 11

Formen, die als balancierte Anästhesie

bezeichnet wird. „Insgesamt kombinie-

ren wir Medikamente aus verschiedenen

Wirkstoffgruppen, um den Patienten zu

narkotisieren. Dazu gehören Analgetika

(Schmerzmittel), Hypnotika („Schlaf-

mittel“) und Muskelrelaxantien („mus-

kelerschlaffende Mittel“). Letztere sor-

gen dafür, dass die Skelettmuskulatur

gelähmt wird, was dazu führt, dass der

Patient beatmet werden muss.“

Wie viele Medikamente ein Patient vor

der Operation bekommt, variiert stark

und hängt davon ab, wie viel er wiegt, wie

alt er ist und wie seine Gewohnheiten

sind. „Menschen, die viel Alkohol trinken,

brauchen in der Regel auch eine höhere

Dosis. Das liegt daran, dass ihre Leber

gewohnt ist, Medikamente schneller

abzubauen. Patienten, die hingegen kaum

oder nie Alkohol konsumieren, benötigen

in der Regel weniger Narkosemittel“,

erklärt der Anästhesist. Auch Raucher

haben im Kontext einer Vollnarkose oft-

mals mehr Schwierigkeiten als Nichtrau-

cher. Das hängt damit zusammen, dass

die Atemwege von Rauchern auf Reize

besonders empfindlich reagieren und ver-

mehrt zähen Schleim produzieren. Dies

führt zum einen dazu, dass die Beatmung

dieser Patienten erschwert wird, zum

anderen nach Operationen ein vermehrter

Hustenreiz besteht. „Generell raten wir,

möglichst lange vor einem Eingriff das

Rauchen zu unterlassen, um einen posi-

tiven Effekt auf die Lungenfunktion zu

erzielen. Das ist jedoch leider nur selten

umsetzbar.“

Jährlich werden

8.500

Narkosen unterschiedlicher Art

in Klinikum Esslingen

verabreicht.

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Es ist kaum mehr vorstellbar: Wenn unsere Vorfahren

vor knapp 200 Jahren operiert werden mussten,

kamen meist kräftige Burschen, die sie auf einem

Operationstisch festhielten oder festbanden, ehe der

Chirurg sein Messer zückte. Glück hatte, wer durch

die Schmerzen ohnmächtig wurde und nichts mehr

um sich herum mitbekam. Pech der, der bei vollem

Bewusstsein jeden Schnitt des Arztes spürte. Heute,

180 Jahre später, ist eine wirkungsvolle Anästhesie

selbstverständlich wichtiger Bestandteil der modernen

Medizin.

In Deutschland feierte die moderne Anäs-

thesie am 24. Januar 1847 ihren Geburts-

tag. Die Zahnärzte Heinrich Weikert und

Carl Obenaus aus Leipzig betäubten ihren

Patienten mit einer Äthernarkose. Auch

ihr Kollege in Erlangen, Ferdinand Heyfel-

der, bediente sich am selben Tag dieser

Methode, die erstmals ein Jahr zuvor,

1846, vom Amerikaner William Morton

im Massachusetts General Hospital in

Boston erprobt wurde. Eine schmerzfreie

Operation war aber nicht allen Chirurgen

der damaligen Zeit geheuer. Viele Ärzte

sahen die neue Methode skeptisch. Sie

hatten das Gefühl, ohne die Schmerzens-

schreie des Patienten den Bezug zu ihm

zu verlieren. Heute ist das zum Glück

anders.

Privatdozent Dr. Ulrich Bissinger ist Chef-

arzt der Klinik für Anästhesiologie und

operative Intensivmedizin am Klinikum

Esslingen. Er kennt sich mit allen Fragen

rund um das Thema Narkose aus. Bis

weit in die 1960er Jahre, so erzählt er,

hat sich die Äthernarkose in der

Anästhesie gehalten. Mit einer

Metallmaske, auf die ein mit Äther

beträufeltes Tuch gespannt wurde,

narkotisierten die Anästhesisten den

Patienten. „Die Narkosestadien wur-

den anhand des sogenannten Guedel-

Schemas definiert. Dazu gehörten Pupil-

lenweite, Atmung, Pulsschlag und

Reflexverhalten des Patienten“, erklärt

Dr. Bissinger. Heute verläuft die Narko-

seüberwachung freilich anders. Mit Hilfe

moderner Technik überwachen Dr. Bis-

singer und sein Team Blutdruck, Herzfre-

quenz und Pupillenweite des Patienten.

Auch Äther wird heute nicht mehr ver-

wendet. Das hochexplosive Gemisch hat

im OP nichts mehr verloren. Zu gefährlich

ist die Nutzung.

Dosis und Medikament hängen

vom Körperbau des Patienten ab

Jährlich werden in Esslingen rund 8.500

Narkosen unterschiedlichster Art verab-

reicht. „Wir unterscheiden zwischen Voll-

und Teilnarkose sowie verschiedenen For-

men der Regionalanästhesie. Je nach

Eingriff variieren Medikament, Menge

und Art der Verabreichung.“ Bei Vollnar-

kosen werden Inhalationsanästhetika ein-

gesetzt, also Anästhetika, die über die

Atemluft in den Körper gelangen. Auch

eine intravenöse Narkose ist möglich, bei

der das Anästhetikum direkt ins Blut inji-

ziert wird. Eine häufig durchgeführte

Variante ist eine Mischung aus beiden