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1 2017

Esslinger Gesundheitsmagazin 13

Klinik für Anästhesiologie und

operative Intensivmedizin

PD Dr. Ulrich Bissinger

Telefon 0711 3103-3001

Telefax 0711 3103-3011

anesthesie@klinikum-esslingen.de

PD Dr. Ulrich Bissinger

selbst, wenn er sich fit und funktionsfähig

fühlt. Aber das täuscht!

Neben der Vollnarkose gibt es noch Regi-

onalanästhesien. Sie werden häufig ange-

wendet, wenn ein Patient zum Beispiel an

den Extremitäten operiert werden muss.

Auch in der Geburtshilfe spielen sie eine

wichtige Rolle. Eine Form ist die Spinal-

anästhesie. Bei dem 1899 von August Bier

entwickelten Betäubungsverfahren wer-

den Lokalanästhetika im Bereich der Wir-

belsäule in die Rückenmarksflüssigkeit

(Liquor) injiziert. Dadurch werden Teile

der Rückenmarksnerven betäubt. Der

Patient bleibt bei vollem Bewusstsein.

„Gerade bei Lokal- und Regionalanästhe-

sien haben wir manchmal den Fall, dass

ein Patient sagt, das Schmerzmittel wirke

nicht. Das kann in seltenen Fällen vor-

kommen, wenn etwa bei schwierigen

anatomischen Verhältnissen die Injektion

des Lokalanästhetikums Probleme berei-

tet. Eine nicht ausreichende Teilnarkose

kann aber jederzeit und sofort in eine

Vollnarkose überführt werden, so dass der

Patient keine Schmerzen erdulden muss.“,

erklärt Dr. Bissinger. Ein anderes rücken-

marknahes Verfahren ist die Epiduralan-

ästhesie. Sie wird ebenfalls häufig in der

Geburtshilfe verwendet. Im Gegensatz

zur Spinalanästhesie wird dabei über eine

Nadel ein Schmerzkatheter (Peridural­

katheter) in die Wirbelsäule eingeführt,

über den ein Lokalanästhetikum zuge-

führt wird, das Schmerzfreiheit bewirkt.

Dem spanischen Militärarzt Fidel Pagés

Miravé gelang 1921 erstmals ein solcher

Eingriff. Spätestens seit dieser Zeit sind

rückenmarksnahe Anästhesien in der ope-

rativen Medizin ein wichtiger Standard.

Anästhesisten auch in der

chronischen Schmerztherapie

Nicht nur bei Operationen sind Anäs­

thetika und Schmerzmittel nicht mehr

wegzudenken. Die Zahl chronischer

Schmerzpatienten steigt jährlich an. In

Deutschland sind knapp vier Millionen

Menschen von dauerhaften Schmerzen

betroffen. Auch ihnen hilft Dr. Bissinger

weiter. „Patienten mit chronischen

Schmerzen werden von uns unter ande-

rem nach dem Stufenschema der WHO

(Weltgesundheitsorganisation) behan-

delt. Das sieht vor, je nach Schmerzskala

opioide und nicht opioide Medikamente,

aber auch Antidepressiva zu kombinie-

ren. Massagen und Physiotherapien

können die Therapie unterstützen. Diese

Mischung aus Medikamenten und wei-

teren Maßnahmen hilft, die Schmerz-

therapie wesentlich zu verbessern und

„Wenn das Kind Zuhause schon

gut auf die Narkose und den

Eingriff vorbereitet wurde,

verläuft in der Regel auch die

Narkoseeinleitung ohne Probleme.“

einer Suchterkrankung von Patienten

vorzubeugen“, sagt Dr. Bissinger. „Die

Schmerzmittel sind häufig sehr stark. Es

besteht die Gefahr, dass chronische

Schmerzpatienten medikamenten­

abhängig werden. Daher wenden wir ein

multimodales, also ein mehrstufiges

Konzept an, das den Patienten davor

schützen soll“, erläutert er weiter. Er rät

aber generell Patienten, die an chroni-

schen Schmerzen leiden, trotz allem in

Bewegung zu bleiben und sich sportlich

zu betätigen, denn auch dadurch kön-

nen Schmerzen vermindert werden. Seit

März 2017 wird nach Beschluss der

Bundesregierung auch Cannabis für die

Schmerztherapie erlaubt. „Wenn alle

bisherigen Medikationen und Therapien

beim Patienten nicht den gewünschten

Effekt erzielen, können Patienten darauf

hoffen, durch Cannabis Linderung zu

erlangen“, sagt er abschließend.

fw

Dr. Bissinger verabreicht dem Patienten eine Narkose