

fahren angewandt, um die Erreger zu identifizieren. „Bei Bakte-
rien macht man sich ihre Stoffwechseleigenschaften zu Nutze“,
erklärt Dr. Jürgen Maier, Hygieneexperte im Labor Enders. Dazu
gibt man eine Probe der Bakterien auf verschiedene Nährlösun-
gen. Im Labor spricht man von einer „Bunten Reihe“. Routine
mäßig werden so circa 15 bis 20 verschiedene Antibiotika getes-
tet. Sofern keine dieser Substanzen wirksam ist, werden weitere
Reservesubstanzen getestet. Auf diese Weise kann festgestellt
werden, welche Antibiotika gegen diese spezielle Infektion wirk-
sam sind und welche nicht. „Diese Informationen lassen wir den
Ärzten zukommen, die die Behandlung daraufhin entsprechend
anpassen“, sagt er. Wird ein falsches Antibiotikum oder eine fal-
sche Dosierung gewählt, so können leichter Resistenzen entste-
hen. Dies führt zur Entstehung von Problemkeimen wie
z. B. den MRGN (multiresistente gramnegative Keime). Hierzu
gehören auch bestimmte E.-Coli-Bakterien, die normalerweise
im Darm jedes Menschen vorkommen und dort harmlos sind.
Sofern sie aber in Wunden geraten, können sie dort schwere Ent-
zündungen hervorrufen.
Weltweit gibt es Probleme mit den sogenannten Antibiotikare-
sistenzen. Einige Bakterienstämme sind gegen eine Vielzahl von
Antibiotika resistent und können nur noch mit den sogenannten
Reserve-Antibiotika behandelt werden. „Sie sind die letzte
Reserve und müssen sehr überlegt eingesetzt werden“, betont
Professor Braun. Sie sind wie eine Rückversicherung und können
die letzte Rettung für einen Patienten sein. Er empfiehlt, generell
im Umgang mit Antibiotika zurückhaltend zu sein, um die Bildung
weiterer Resistenzen nicht zu befördern. Zudem helfen Antibio-
tika auch nicht immer - wie zum Beispiel bei einer Erkältung, die
durch Viren verursacht wird.
Lernfähiges Immunsystem
Erkältungskrankheiten und auch die Grippe werden durch Viren
hervorgerufen. „Rhinoviren mit circa 90 verschiedenen Virus-
stämmen lösen unter anderem Schnupfen aus“, sagt Professor
Braun. Viren sind keine Lebewesen, im Gegensatz zu Bakterien,
sondern komplexe chemische Moleküle. Sie bestehen nur aus
einem Kapsid und einer Hülle, die das Erbgut umgibt. Um sich
vermehren zu können, benötigen Viren Wirtszellen. Und genau
wie bei den Bakterien, machen sich die Experten im Labor diese
Eigenschaft des Virus zu Nutze, um es zu identifizieren. „Das
Erbgut der Viren wird in einer Polymerasen-Kettenreaktion ver-
mehrt und untersucht“, sagt Dr. Maier. Dies dauert nur einige
Stunden. Alternativ kann man eine Antikörperbestimmung vor-
nehmen. Dazu wird dem Patienten Blut abgenommen und auf
Antikörper untersucht. Diese Antikörper sind eine Reaktion des
Immunsystems auf den Erreger. „Diese Bestimmung
2 kg
Bakterien befinden sich
im Darm, mit deren Hilfe
unter anderem Nahrungsmittel
verdaut werden.
Die meisten von ihnen sind mit dem bloßen Auge nicht sicht-
bar – Erreger wie Viren, Bakterien oder Pilze. Einzig manche
Insekten wie Zecken oder Mücken geben sich als Überträger
von Krankheiten zu erkennen. Dabei sind die verschiedenen
Mikroorganismen nicht grundsätzlich schlecht, wie Professor
Rüdiger Braun, Leiter des Labor Enders am Klinikum Esslingen,
zu bedenken gibt: „Gerade Bakterien haben ein schlechtes
Image, dabei sind sie für uns Menschen überlebenswichtig.“ Im
Darm befinden sich so zum Beispiel zwei Kilogramm Bakterien,
mit deren Hilfe Nahrungsmittel verdaut werden, der Schlaf-
Wach-Rhythmus geregelt oder die Synthese von Vitaminen
gesteuert wird. Auch in der Umwelt spielen Bakterien eine
wichtige Rolle, um die Funktion des Ökosystems aufrecht zu
erhalten.
Wirklich gefährlich werden viele Bakterien und andere Erreger
erst, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Denn bei gesun-
den Menschen ist es für Viren, Parasiten, Pilze und Bakterien
schwieriger, eine Infektion auszulösen. „Gefährdet sind daher
besonders Senioren, kleine Kinder und immunsupprimierte
Patienten zum Beispiel durch eine chronische Erkrankung oder
durch eine Chemotherapie“, sagt Professor Braun. Für sie kann
eine einfache Erkältung, wie sie meist durch Viren hervorgeru-
fen wird, schnell sehr gefährlich werden.
Um eine Infektion richtig behandeln zu können, muss zunächst
herausgefunden werden, um welchen Erreger es sich handelt.
Im Labor Enders werden dazu verschiedene komplexe Testver-
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Esslinger Gesundheitsmagazin 7
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„Gefährdet sind besonders Senioren,
kleine Kinder und immunsupprimierte
Patienten.“