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1 2017

Esslinger Gesundheitsmagazin 21

300.000

bis 400.000

Herzinfarkte kommen jährlich

in Deutschland vor.

Deshalb gilt es, bei einem Herzinfarkt Zeit zu gewinnen: „Je

rascher man die Durchblutung normalisiert, umso mehr Herz-

muskelgewebe kann gerettet werden. Schon nach zehn bis 15

Minuten gehen die ersten Herzmuskelzellen zugrunde. Wird ein

Patient innerhalb von 20 Minuten versorgt, kann die Schädigung

eventuell sogar rückgängig gemacht werden, so dass kein Scha-

den am Herzmuskel auftritt“, erläutert Professor Leschke.

„Besteht der Verdacht auf einen Herzinfarkt, sollte man immer

einen Notarzt rufen“, sagt auch Dr. Norbert Smetak, niederge-

lassener Kardiologe in Kirchheim und Bundesvorsitzender des

Bundes niedergelassener Kardiologen. „Denn nur in der Klinik

kann eine sichere Diagnose gestellt werden. Bis der Notarzt

kommt ist es ganz wichtig, die Patienten zu beruhigen.“ Weiter-

hin raten beide Kardiologen, wenn es zu einem Herzstillstand

gekommen ist, zur Herzdruckmassage und, wenn vorhanden,

zum Einsatz eines Defibrillators, wie sie in vielen öffentlichen

Gebäuden hängen. Die sind auch für Laien einfach zu bedienen.

Herzinfarkt am frühen Morgen

Die Anzeichen für einen Herzinfarkt sind vielfältig. Typische

Symptome eines Herzinfarktes sind laut Professor Leschke plötz-

lich einsetzende, länger als fünf Minuten anhaltende, starke

Schmerzen hinter dem Brustbein und im Bereich der linken

Brustseite. „Das fühlt sich an wie eine Faust, die auf der Brust

lastet. Alles verkrampft sich und die Schmerzen strahlen in den

linken Halsbereich und den linken Arm aus.“ Das sei bei 80 Pro-

zent der Patienten der Fall. Häufige Begleiterscheinungen sind

kalter Schweiß, Blässe, Übelkeit, Atemnot, Unruhe und Angst.

„Aber der typische Schmerz hinter dem Brustbein kann auch

fehlen und stattdessen treten Schmerzen im Hals- und Kiefer-

bereich, im Rücken oder auch im Oberbauch auf.“

Zudem gibt es sogenannte

stumme Infarkte: „Vor allem

bei Diabetikern treten wegen

ihrer gestörten Schmerzwahr-

nehmung die klassischen

Brustschmerzen oft nicht auf.

Auch bei Frauen fehlen die

klassischen Symptome häufig.

Sie haben eher Luf tnot “,

erläutert der Chefarzt. Das

Tückische: „Herzinfarkte ohne

die klassischen Symptome werden oft verschleppt. Sie werden

dadurch schwerwiegender und die Prognose für die Patienten

schlechter“, erklärt er.

Herzinfarkte treten am häufigsten in den frühen Morgenstun-

den auf, weil durch das Wachwerden vermehrt Stresshormone

ausgeschüttet würden und der Blutdruck ansteigt. Das erhöhe

die Gefahr, dass Ablagerungen in den Gefäßen aufbrechen und

es zu einer sogenannten Plaqueruptur kommt.

Ein klassischer Herzinfarkt sollte laut dem Chefarzt innerhalb

von 90 Minuten in der Klinik durch eine Herzkatheter-Untersu-

chung versorgt sein. In 98 Prozent der Fälle können durch den

Herzkatheter verschlossene Herzkranzgefäße eröffnet werden.

Dabei wird ein kleiner Ballon in das Gefäß eingeführt und an der

verschlossenen Stelle aufgeblasen. Das stellt die Durchblutung

wieder her. Im Anschluss wird ein sogenannter Stent eingesetzt,

um das Gefäß offen zu halten. Große Gerinnsel werden mit

einem speziellen Katheter herausgeholt. „Wir untersuchen

jedoch immer alle zwei Herzkranzgefäße, weil meist nicht nur

das ‚Infarktgefäß‘ eine Schädigung aufweist“, betont der Medi-

ziner. „Wenn in den nicht vom Herzinfarkt betroffenen Herz-

kranzgefäßen ebenfalls höhergradige Stenosen vorliegen, wer-

den diese Gefäßverengungen auch behandelt und aufgeweitet

innerhalb des stationären Aufenthalts.“ Wer durch einen schwe-

ren Infarkt eine Herzschwäche erleidet, bekomme unter

Umständen einen Defibrillator eingepflanzt, da Patienten mit

einer Herzschwäche nach einem Herzinfarkt ein erhöhtes Risiko

eines plötzlichen Herztodes aufweisen. „Nur der Defibrillator

schützt vor einem plötzlichen Herztod, der durch bösartige

Herzrhythmusstörungen ausgelöst wird“, so Professor Leschke.

Ein Herzinfarkt ist kein Todes-

urteil: „Die Überlebensrate

hängt von der Schwere der

Schädigung des Herzmuskels

ab“, er läuter t P r of e s s or

Leschke. Seit 50 Jahren habe

sich die Sterblichkeit deutlich

reduziert. „Früher waren es 40

bis 50 Prozent der Fälle, inzwi-

schen sind es nur noch drei bis

fünf Prozent.“

Häufig deuten sich Herzinfarkte im Vorfeld an: „Vorbote ist oft

eine Angina Pectoris, die sich durch Enge in der Brust bei Belas-

tung zeigt“, sagt Dr. Smetak. Diese Patienten schickt er nach

entsprechenden Untersuchungen wie beispielsweise eines Ultra­

schall des Herzens rasch zu einer Herzkatheter-Untersuchung

in die Klinik. Auch Druck im Rücken oder Übelkeit bei Belastung

können auf einen drohenden Herzinfarkt hinweisen. „Nahezu

jeder zweite Patient hat Anzeichen im Vorfeld. Leider werden

sie oft falsch gedeutet“, sagt Professor Leschke.

War das Verhältnis von Männern und Frauen, die einen Herzin-

farkt erleiden früher laut Professor Leschke etwa zwei zu eins,

sei es heute nahezu ausgeglichen. Wer raucht, einen hohen Blut-

druck oder erhöhten Cholesterinspiegel hat, sich wenig bewegt

und sich ungesund ernährt oder an Diabetes erkrankt ist, der

hat ein hohes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Auch mit

dem Alter steigt die Gefahr, weil die Gefäße weniger elastisch

sind. Das klassische Infarktalter beziffert Professor Leschke mit

50 bis 60 Jahren. „Mein jüngster Patient war aber

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„Besteht der Verdacht

auf einen Herzinfarkt,

sollte man immer einen

Notarzt rufen.“