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1 2017

Esslinger Gesundheitsmagazin 37

Folge von Demenz, Parkinson oder

Schlaganfällen auf. „Einteilen kann man

die Aphasie in vier Typen, die sich in der

Schwere unterscheiden. Bei einer amnes-

tischen Aphasie liegen Wortfindungsstö-

rungen vor. Bei der Broca-Aphasie kämpft

der Patient schon mit erheblicheren

Schwierigkeiten. Er muss sich zum Bei-

spiel mächtig anstrengen beim Sprechen“,

erklärt die Logopädin. Zu den beiden

schwersten Formen der Aphasie gehören

die Wernicke-Aphasie mit einem erheb-

lich gestörten Sprachverständnis und die

globale Aphasie. Sie macht Kommunika-

tion nur sehr schwer möglich.

Um aber genau zu wissen, an welcher

Form der Aphasie der Patient leidet, gibt

es verschiedene Testmöglichkeiten. „Ich

benutze als Test dazu oft die ACL (Apha-

sie-Check-Liste)“, sagt Andrea Dauben-

berger. Dabei prüft sie die Sprach- und

Merkfähigkeiten des Erkrankten. „Der

Patient muss zum Beispiel Reihen spre-

chen. Wir schauen also, ob er dieWochen-

tage korrekt aufzählen kann. Es wird aber

auch untersucht, ob der Patient in der

Lage ist, laut vorzulesen, nach Diktat zu

schreiben oder Gegenstände und Körper-

teile zu benennen.“ Auch Handlungswei-

sen wie „Klopfen Sie auf den Tisch“, wer-

den abgefragt. „Die ACL gibt uns eine

Orientierung, welche sprachlichen Defi-

zite bestehen. Davon hängt dann ab, wel-

che Therapie wir wählen und vor allem,

welche Ziele wir erreichen wollen“, sagt

Andrea Daubenberger. Die gesamte The-

rapie erfolgt grundsätzlich in enger

Abstimmung mit den Familien. „Die Ange-

hörigen wissen am besten, was dem

Betroffenen wichtig ist. Wenn sich ein

Patient vor seiner Erkrankung vor allem

durch Sprache definiert hat, beispiels-

weise Lehrer oder Journalist war, werden

Therapieziele anders gesteckt als bei

einem Patienten, der in seinem Beruf und

im Alltag weniger mit Sprache zu tun

hatte“, erklärt sie weiter. Generell gilt: Je

früher eine Therapie begonnen werden

kann, desto höher liegen die Chancen auf

Erfolg.

„Je früher eine Therapie

begonnen werden kann,

desto höher liegen die

Chancen auf Erfolg.“

Daher findet man die Logopädin mit

ihrem Team heute auch vor allem in der

Neurologischen Abteilung. Aber auch

Patienten in anderen Abteilungen können

die Unterstützung des Logopädie-Teams

in Anspruch nehmen. „Pro Tag behandeln

wir im Durchschnitt 20 bis 25 Patienten.

Es hängt natürlich immer davon ab, wie

viele Menschen gerade auf den Stationen

sind“, erklärt sie. Aber nicht nur Menschen

mit neurologischen Erkrankungen bedür-

fen Frau Daubenbergers Hilfe. „Gerade

wenn ein Patient durch eine Tumorerkran-

kung am Kehlkopf beeinträchtigt ist,

braucht er logopädische Unterstützung.

Hier können häufig Dysphagien oder

Stimmstörungen vorliegen, die wir thera-

pieren müssen“, weiß sie.

fw

Andrea Daubenberger

Vom „Sprachheilkundler“

zum Logopäden

Ob eine Sprachtherapie erfolgreich ist,

hängt aber auch vom Schweregrad der

Erkrankung ab. „Manchen Patienten kann

man durchaus kleinere „Hausaufgaben“

geben. Gerade wenn ein Patient an einer

Sprechstörung (Dysarthrie) leidet, kann

er in der Regel Übungen zur Mund- und

Zungenmotorik selbstständig machen.“

Beispiele für Dysarthrien können extrem

verlangsamtes oder leises Sprechen, aber

auch das Verschlucken oder Umdrehen

von Lauten, sein.

Bevor Patienten aus der Klinik entlassen

werden, erhalten sie und ihre Angehöri-

gen Übungsmaterialien. „Häufig gehen

die Erkrankten im Anschluss direkt in eine

Reha. Dort werden sie weiter von Logo-

päden betreut. Es gibt aber auch die Mög-

lichkeit, sich nach der Entlassung logopä-

disch weiterhin durch das Klinikum

versorgen zu lassen.“ Entweder können

die Patienten in die logopädische Ambu-

lanz kommen oder aber sie lassen sich an

eine der eigenständigen Praxen in Esslin-

gen und Umgebung verweisen.

Der Beruf des Logopäden war in den letz-

ten 100 Jahren vielen Wandlungen unter-

zogen. Ist er inzwischen in weiten Teilen

akademisiert, war er zur Lehrzeit von

Andrea Daubenberger in einer dreijähri-

gen Ausbildung zu erlernen. Ende des 19.

Jahrhunderts wurden erstmals soge-

nannte „Sprachheilkundler“ in mehrtägi-

gen Schulungen ausgebildet. Berufsziel

war es, Kinder die an einer Sprachstörung

litten, zu therapieren. Anfang des 20.

Jahrhundert schuf der österreichische

Mediziner Emil Fröschels den Begriff der

Logopädie, die Sprachheilkunde wurde ab

dann Teil des Studiums der Psychologie.

„Seit den 80er Jahren ist die Logopädie,

wie wir sie heute kennen, Teil der Neuro-

logie. Bis dahin war Sprachtherapie vor

allem im Bereich der Inneren Medizin

angesiedelt“, so ordnet Andrea Dauben-

berger ihren Beruf in einen historischen

Kontext ein.

Gewusst?

Sprach­

fähigkeiten

Das Wernicke-Areal ist Teil des

oberen Schläfenlappens. Ist es

geschädigt, sind Störungen der

Sprachrezeptoren die Folge.

Seinen Namen hat das Wernicke-

Areal vom deutschen Arzt Carl

Wernicke. Der erforschte 1874

Verluste der Sprachfähigkeit.

Therapieabteilung Logopädie

Teamleiterin Andrea Daubenberger

Telefon 0711 3103-2491

a.daubenberger@klinikum-esslingen.de

Broca

Wernicke