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2 2015

Esslinger Gesundheitsmagazin 37

Die Wand der Aorta ist aus mehreren Schichten aufgebaut und

sehr elastisch. Wenn diese Elastizität, die in der Regel ein Leben

lang bestehen bleibt, verloren geht, kann das zu einer Aussa-

ckung, dem sogenannten Aortenaneurysma führen. Im

schlimmsten Fall weitet sich die Aortenwand so weit, bis sie

reißt – mit lebensbedrohlichen Folgen. Mit über 90 Prozent ist

ein Aneurysma im Bereich der Bauchaorta die häufigste Form.

Männer sind öfter betroffen als Frauen. „Von einem Aneurysma

spricht man, wenn die Aorta einen Durchmesser von drei Zen-

timetern überschreitet. Dann sollte man diesen Bereich eng

überwachen“, erklärt Professor Dr. Florian Liewald, Chefarzt der

Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie am Klinikum Esslingen.

Meist wird ein Aneurysma eher zufällig entdeckt. Der Patient,

dessen Bauch der Denkendorfer Allgemeinmediziner Dr. Fried-

rich Eiche abtastete, war zu einem normalen Gesundheits-Check

gekommen. Ein auffälliger Puls der Bauchschlagader bewog den

Arzt, sofort eine Ultraschalluntersuchung zu machen. Das

Ergebnis: ein faustgroßes Aneurysma, das dann im Klinikum

Esslingen operiert wurde. „Dass ein Aneurysma durch Ertasten

entdeckt wird, ist eher die Ausnahme. Häufiger erkennt man es

bei einem Routine-Ultraschall des Bauches“, erklärt Dr. Eiche.

„Deshalb schaue ich mir immer auch die Aorta an.“ Natürlich

könne man nicht jeden Patienten routinemäßig per Ultraschall

untersuchen. „Das ist in der Gebührenordnung nicht vorgese-

hen.“ Er versuche jedoch, bei möglichst allen seinen Patienten

wenigstens einmal einen Ultraschall des Bauchraums zu machen.

Bei auffälligen Laborwerten, Diabetes, Bluthochdruck und

Gefäßerkrankungen aber sei ein Ultraschall auf jeden Fall ange-

bracht.

Nicht immer schickt der Hausarzt Patienten mit einem Aneu-

rysma sofort in die Klinik. Dr. Eiche hat eine ganze Reihe Pati-

enten, bei denen er alle drei bis sechs Monate per Ultraschall

das Aneurysma beobachtet. Andere Behandlungsmöglichkeiten

gebe es vor einer OP nicht.

Mit über 80 Prozent ist die Arteriosklerose die häufigste Ursa-

che für ein Aneurysma, erläutert Professor Liewald. Auch kann

eine entsprechende Veranlagung angeboren sein. Oft sind bei

einem Aneurysma der Baucharterie auch Bein- oder Brustarte-

rien beteiligt, weshalb diese Bereiche dann ebenfalls untersucht

werden müssten, so der Gefäßchirurg.

Er nennt die Risikofaktoren für Aneurysmen: „Wer über 60 Jahre

alt ist, Raucher, Bluthochdruckpatient und bei dem in der Fami-

lie das Krankheitsbild bereits aufgetreten ist, hat ein deutlich

erhöhtes Risiko.“ Auch der geschulte Blick des erfahrenen Haus-

arztes kann Risiken erkennen. „Manchen Menschen kann man

schon beim Betreten des Sprechzimmers die Gesundheitsrisiken

ansehen“, sagt Dr. Eiche. Aufgabe des Hausarztes sei es, seine

Patienten zu gesundheitsbewusstem Verhalten und zur Vermei-

dung von Risiken zu animieren. Das Rauchen aufzugeben,

Gewicht zu reduzieren und regelmäßig Sport zu treiben gehören

dazu. Das wirke vor allem gut gegen den bedrohlichen Bluthoch-

druck. Ist ein Aneurysma bereits vorhanden, kann ein Patient

selbst wenig tun, sind sich die beiden Mediziner einig.

Professor Liewald berichtet, dass Aneurysmen einen Durch-

messer von bis zu sechs Zentimetern erreichen können, ohne

Beschwerden zu bereiten. Nur selten treten Schmerzen im

Bauchbereich oder im Rücken auf. „Das macht die Diagnose

so schwierig“, erklärt er. Ab einem Durchmesser von 4,5 bis

fünf Zentimetern sei eine Operation angebracht. „Wenn das

Aneurysma schnell wächst oder Beschwerden macht, aber

auch früher“, betont der Arzt.

Zwei Methoden stehen dem Chirurgen zur Verfügung: Bei der

offenchirurgischen Operation wird der Bauch geöffnet und an

die Stelle des Aneurysmas eine Gefäßprothese implantiert. Bei

einem endovasculären Eingriff mit Katheter werden an den Leis-

ten des Patienten die Gefäße geöffnet und über die Blutbahn

die Prothese an die entsprechende Stelle vorgeschoben. Rund

100 Patientinnen und Patienten werden im Klinikum Esslingen

Aufnahme eines Bauch­

aortenaneurysmas nach

der Operation, bei der

ein Stent gelegt wurde

jährlich wegen eines Aneurysmas operiert. Bei 20 Prozent wird

die offene Operation angewandt. „Sie hat den Vorteil, dass damit

das Aneurysma zu 100 Prozent ausgeschaltet ist“, erklärt Pro-

fessor Liewald. Allerdings sei sie für den Patienten belastender.

Er muss länger im Krankenhaus bleiben, und es besteht die

Gefahr von Verwachsungen oder Narbenbrüchen. Auch die

Genesung dauert länger. Seit rund 15 Jahren wird routinemäßig

auch endovaskulär und damit für die Patienten schonender

behandelt. „Das führt seltener zu Komplikationen. Die Patien-

ten müssen nicht immer auf die Intensivstation und können

meist noch am gleichen Tag aufstehen“, so Professor Liewald.

Der Nachteil: „In seltenen Fällen ist das Aneurysma nicht voll-

ständig ausgeschaltet.“ Diese Methode sei zudem nicht bei allen

Patienten möglich – etwa, wenn das Aneurysma zu nahe an

den Nierenarterien liege oder die Zugangswege nicht ideal

seien. Weil immer die Gefahr bestehe, dass sich an anderer

Stelle Aneurysmen bilden, rät Professor Liewald nach der OP

zu einer regelmäßigen Kontrolle durch Ultraschall oder Com-

putertomografie.

Gerade weil Aneurysmen nur schwer anders zu diagnostizieren

sind, wäre nach Meinung von Professor Liewald und Dr. Eiche

ein regelmäßiges Ultraschall-Screening für Menschen ab 60

Jahren die beste Vorsorge: „Eine Ultraschalluntersuchung kann

schnell Klarheit über den Zustand der Gefäße bringen und den

Patienten kann sicher geholfen werden, ohne dass sie zu einem

Notfall werden“, betont der Chefarzt. Während in Deutschland

ein entsprechendes Präventionsprogramm noch diskutiert

werde, sei dies in den USA und Großbritannien schon umgesetzt.

urh