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2 2015

Esslinger Gesundheitsmagazin 45

Keine zwei Wochen nach der Eröffnung

ist die Kinder- und Jugendpsychiatrische

Klinik voll belegt. „Alle drei Stationen mit

24 Plätzen sind am Netz, die Tagesklinik

mit sechs Plätzen ist belegt und auch die

Notfallversorgung für den Landkreis Ess-

lingen haben wir seit dem 1. August über-

nommen“, berichtet Dr. Gunter Joas,

Chefarzt der Klinik. Bislang hatte sich die

Stuttgarter Kinder- und Jugendpsychiat-

rie um Kinder und Jugendliche in akuten

seelischen Krisen aus dem Kreis Esslingen

gekümmert. Inzwischen gibt es in Esslin-

gen bereits Wartezeiten auf einen stati-

onären Behandlungsplatz. „Vieles können

wir über unsere psychiatrische Institut-

sambulanz (PIA) abfangen.“ Sie ist oft

erste Anlaufstelle für die Kinder und ihre

Eltern. Die Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter hier kümmern sich um eine umfas-

sende Diagnostik, bieten ausführliche

Beratung und klären, wie es weitergehen

kann. „In Krisensituationen können wir die

Kinder und Jugendlichen auch für einige

Tage stationär aufnehmen, um die akute

Not zu lindern und gemeinsam zu über-

legen, wie es weitergeht“, sagt Dr. Joas.

Vielen ist mit dieser akuten Behandlung

und anschließend einer weiteren ambu-

lanten Versorgung in der PIA oder bei

einem niedergelassenen Therapeuten

schon geholfen. Manche Kinder und

Jugendliche aber benötigen eine länger-

dauernde stationäre Behandlung. „Und da

haben wir in Deutschland immer noch zu

wenig Behandlungsplätze für den auch

noch zunehmenden Bedarf.“ Baden-

Württemberg rangiert zudem im Ver-

gleich zu anderen Bundesländern bei der

Zahl der stationären Behandlungsplätze

in der Kinder- und Jugendpsychiatrie am

Ende der Statistik. Nur 3,29 Plätze je

10.000 Einwohner gab es 2013 im Land.

Vor allem die ostdeutschen Bundesländer

sind besser versorgt. Spitzenreiter Sach-

sen-Anhalt verfügte über 11,03, Thüringen

über 9,95 und Mecklenburg-Vorpommern

über 8,16 Plätze je 10.000 Einwohner.

Aber auch in Schleswig-Holstein gab es

immerhin 5,46 und in Hessen 5,26 Plätze.

Nicht zuletzt mit dem neuen Angebot im

Klinikum Esslingen hat sich die Situation

gegenüber diesen Zahlen aus 2013 etwas

verbessert, ausreichend ist sie – wie die

langen Wartezeiten zeigen – noch nicht.

Freundliche Stationen

Hinzu kommt, dass psychische Probleme

und Auffälligkeiten schon bei Erwachse-

nen und erste recht bei Kindern immer

noch weitgehend tabuisiert sind. Und so

„fremdeln viele Menschen auch noch mit

der Kinder- und Jugendpsychiatrie“, wie

Dr. Joas es ausdrückt. „Besucher, vor

allem aber auch Eltern sind überrascht,

wie hell und freundlich, wie wohnlich und

familiär es bei uns aussieht und auf den

Stationen zugeht.“ Das wohnliche Umfeld

trage in hohemMaße zur „Entdramatisie-

rung“ bei, es gebe weniger stationären

Stress und auch die Zahl der Zwischen-

fälle und der Aggressivität gehe zurück

– um bis zu 50 Prozent wie vergleichende

Erfahrungen aus Tübingen gerade gezeigt

haben. Die drei Stationen der Esslinger

Kinder- und Jugendpsychiatrie sind nicht

nach Erkrankungen unterteilt, sondern

nach dem Alter der Patienten. KES (Kin-

derstation Esslingen) heißt die Station für

die sechs- bis zehnjährigen Kinder.

Jugendliche im Alter von elf bis 15 Jahren

werden auf der JES (Jugendstation Ess-

lingen) 1 und Heranwachsende zwischen

15 und 18 Jahren auf der JES 2 behandelt.

Seelische Krisen entstehen oft aus akuten

Belastungsreaktionen, die zu einer „emo-

tionalen Instabilität“ führen, berichtet Dr.

Joas. Das können Reaktionen auf eine

Trennung sein, „wenn zum Beispiel der

Freund oder die Freundin plötzlich und

unverständlich über Whats App Schluss

gemacht hat.“ Manche Jugendlichen

reagieren darauf mit Selbstverletzungen

oder auch suizidalen Handlungen.

Symptome

Oft sind es ganz banale Anzeichen, die auf

eine seelische Störung der Kinder und

Jugendlichen hindeuten. Ungewöhnliches

Rückzugsverhalten oder eine Änderung

des Freundeskreises und in den Außen-

kontakten können erste Anzeichen sein.

Auch Stimmungsschwankungen, die über

die pubertätsüblichen Aufs und Abs hin-

ausgehen. Dabei ist immer zu berücksich-

tigen, dass Jugendliche sich oft sehr

ambivalent verhalten. Einerseits fordern:

„Lass mich in Ruhe“ und gleichzeitig kla-

gen: „Keiner kümmert sich um mich“.

Einige Kinder und Jugendlichen kommen

mit dem Rettungswagen in die Klinik,

andere werden von besorgten Eltern

gebracht. Aber es gibt auch die, die selbst

in die Ambulanz kommen, weil sie nicht

mehr weiter wissen. Für solche akuten

Fälle stehen die Notfallplätze zur Verfü-

gung. Zwei bis drei Tage bleiben die Kinder

und Jugendlichen auf der Station. Be-

wusst haben Dr. Joas und sein Team die

Notfallplätze in den normalen Stations-

betrieb eingestreut, um eine Stigmatisie-

rung der Betroffenen zu vermeiden.

Da nur selten gleich ein Behandlungsplatz

für eine längerdauernde stationäre The-

rapie zur Verfügung steht, werden die

Jugendliche nach zwei bis drei

Seelische Krisen können Kinder genauso

wie Erwachsene treffen. Oft ist dann

professionelle Hilfe nötig

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