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18 Esslinger Gesundheitsmagazin

2 2015

Anhörungstermin warten, mit dem das Asylverfahren überhaupt

erst beginnt – und das kann im Moment sehr lange dauern.

Natürlich erzählten die Flüchtlinge ihren Helfern auch aus ihrem

bisherigen Leben. Und so konnten Mitglieder aus dem Helfer-

kreis dem Geschäftsführer der Städtischen Pflegeheime, Thilo

Naujoks, berichten, dass es in der Flüchtlingsunterkunft drei

Männer mit „medizinischer Vorbildung“ gebe. Idris Mohammed

hatte in Eritrea als Krankenpfleger, Hussein Abdulkadir als Ret-

tungssanitäter gearbeitet und Parvez Akhtar war in Pakistan

viele Jahre in einem Krankenhaus tätig. Schnell war die Idee

geboren, den dreien über ein Praktikum die Möglichkeit zu

geben, die Arbeit in einem deutschen Altenpflegeheim kennen

zu lernen. „Wir haben dann zunächst beim Regierungspräsidium

in Stuttgart angefragt, ob und unter welchen Bedingungen das

möglich ist“, berichtet Thilo Naujoks. Die Antwort war nieder-

schmetternd: Auf keinen Fall dürften die Flüchtlinge eine Arbeit

aufnehmen und auch kein bezahltes Praktikum machen. „Der

Brief endete mit einer Strafandrohung über 5.000 Euro bei

Zuwiderhandlung.“ In Absprache mit dem Ausländeramt war es

schließlich möglich, dass die drei sich als ehrenamtliche Mitar-

beiter einen Eindruck vom Arbeitsplatz Pflegeheim machen

konnten.

Man sollte sich viel mehr darum kümmern, das Potential zu nut-

zen, das in den Menschen steckt und zum Beispiel systematisch

abfragen, welche Ausbildung und welche Berufserfahrungen die

Flüchtlinge mitbringen, meint Thilo Naujoks: „Dass die drei Män-

ner zu uns gefunden haben, ist allein der Initiative des rührigen

Helferkreises aus Esslingen-Zell zu verdanken.“ Der Geschäfts-

führer der Städtischen Pflegeheime macht sich schon länger

Sorgen darum, das für die wachsende Zahl älterer pflegebedürf-

tiger Menschen nicht genügend Pflegekräfte zur Verfügung ste-

hen und engagiert sich in Arbeitsgruppen des Sozialministeriums

und des Landkreises zu dem Thema. So haben die Städtischen

Pflegeheime bereits Erfahrungen mit Pflegekräften aus dem EU-

Ausland gemacht. „Zwei Spanier, die bei uns begonnen haben,

sind in Esslingen allerdings nicht heimisch geworden, die hat es

nach einigen Monaten wieder zurückgezogen in ihre Heimat“,

berichtet er ein Beispiel. „Die Flüchtlinge dagegen sind meist

hochmotiviert, sich bei uns eine neue, dauerhafte Existenz auf-

zubauen.“

Sogar etwas schwäbisch sprechen die drei schon

Und das ist auch der erste Eindruck, den man von Parvez Akhtar,

Idris Mohammed und Hussein Abdulkadir gewinnt. Die drei

haben in kurzer Zeit so gut Deutsch gelernt, dass sie die Sprach-

prüfung A2 ablegen konnten, die ihnen grundlegende Kenntnisse

bescheinigt. „Petra Schappert und ihre Kolleginnen haben uns

dabei sehr geholfen“, erzählt Parvez Akhtar. „Wir haben jeden

Tag bei verschiedenen Lehrern Unterricht gehabt und im Urlaub

hat uns Petra sogar per Skype unterrichtet.“ Selbst einige grund-

legende schwäbische Ausdrücke beherrschen sie bereits.

Warum die Menschen aus Eritrea

und Pakistan fliehen

Eritrea gilt inzwischen als „Nordkorea Afrikas“. Massive Verletzungen

der Menschenrechte wirft der Uno-Menschenrechtsrat dem Regime in

Eritrea vor. Willkürliche Hinrichtungen und systematische Folter sind an

der Tagesordnung. Nach dem Bürgerkrieg und der Abspaltung von Äthi-

opien regiert Staatschef Isayas Afewerki das Land mit Angst und Terror.

Zwangsarbeit, unbefristeter Militärdienst und wahllose Inhaftierungen

sind Alltag für die Menschen in Eritrea. In dieser ausweglosen Lage

machen sich die Menschen auf die Flucht nach Europa. In einem Uno-

Bericht heißt es: „In ihrer Verzweiflung riskieren sie tödliche Fluchtrou-

ten durch Wüsten und Bürgerkriegsländer und den gefährlichen Seeweg

über das Mittelmeer.“

Vor allem die Furcht vor den Taliban treibt auch viele Menschen aus

Pakistan in die Flucht. Seit 2009 haben sich die bewaffneten Ausein-

andersetzungen zwischen der pakistanische Armee und den radikalis-

lamischen Taliban verschärft. Einige Gebiete werden praktisch von den

Taliban kontrolliert, wo sie die Menschen mit Repression und Gewalt

bedrohen. Die Menschenrechtslage ist hier besonders prekär. Aber auch

in den übrigen Gebieten leben die Menschen in ständiger Furcht vor

Terroranschlägen. Zudem zerfällt die staatliche Ordnung immer mehr,

was zu Menschenrechtsverletzungen und Übergriffen durch das Militär

führt.

„Die Flüchtlinge sind

meist hochmotiviert,

sich bei uns eine neue,

dauerhafte Existenz

aufzubauen.“

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