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22 Esslinger Gesundheitsmagazin

2 2015

Aktuelle Entwicklungen – Checkpoint Hemmer

Eine weitere Entdeckung brachte die Immuntherapie schließlich

weiter. Die Forscher fanden heraus, dass es bei der Regulation

des Immunsystems und den Befehlen an die Killerzellen neben

dem Signal „Gas geben“ auch eine effektive „Bremse“ gibt. Das

Immunsystem und seine Killerzellen sind bei ihrem Kampf gegen

Bakterien, Viren und in Einzelfällen gegen Tumoren nur kurz

aktiv, eben nur solange, bis der „Feind“ besiegt ist. Danach

schwächt sich die Reaktion wieder ab. Auch diese molekularen

Bremsen auf den Killerzellen konnten identifiziert werden. Sie

werden Checkpoints (Kontrollpunkte) genannt. Den Tumorzellen

gelingt es, vereinfacht ausgedrückt, die Checkpoint-Bremsen

der Killerzellen zu betätigen und sich vor den Killerzellen zu ver-

stecken.

Für die „Kommunikation“ zwischen Killerzellen und Tumorzellen

sind an diesen Checkpointen-Bremsen ganz bestimmte Eiweiß-

Moleküle im Spiel. Dazu zwei Beispiele, die derzeit im wissen-

schaftlichen Interesse stehen: Wenn eine Killerzelle mit ihrem

Eiweiß PD-1 an einer Tumorzelle andocken will, antwortet die

Tumorzelle mit dem passenden Eiweiß PD-L1. Diese Verbindung

aber sorgt dafür, dass die Killerzelle ausgebremst wird und die

Tumorzelle so nicht angreifen kann. Viele Krebszellen bilden das

Eiweiß PD-L1 in großen Mengen, so dass Killerzellen den Tumor

zwar erkennen, aber sogleich abgeschaltet werden. Ein anderes

Eiweiß mit der Bezeichnung CTLA-4 blockiert das wichtige Co-

Stimulationssignal 2, das der Killerzelle vorgibt „Gas zu geben“

und verhindert so, dass die Killerzelle voll aktiviert wird.

Mit sogenannten Checkpoint-Hemmern wird nun versucht, das

Immunsystem zu befähigen, wirksamer gegen Tumorzellen vor-

zugehen. Die neuen Checkpoint-Hemmer schalten die Brems-

und Kontrolleiweiße auf den Killerzellen aus. Dadurch gibt das

Immunsystem weiter Gas und kann erfolgreich gegen verschie-

dene Arten von Krebs vorgehen. Inzwischen wurde ein Antikör-

per mit der Bezeichnung Ipilimumab für die Hemmung von

CTLA-4 klinisch getestet.

In einer Studie konnte mit dem Antikörper Ipilimumab bei etwa

jedem fünften von Hautkrebs betroffenen Patienten das Tumor-

wachstum über mehrere Jahre gebremst werden. Unklar ist

jedoch, warum 80 Prozent der behandelten Patienten nicht auf

diese bremsenlösende Immuntherapie ansprechen. Zudem lei-

„Einige Viren, wie zum Beispiel

Herpesviren, zerstören ihre

Wirtszellen während der Virus-

vermehrung.“

den die Patienten durch die überschießende Immunreaktion

regelmäßig unter schweren Nebenwirkungen mit chronischen

Darm- oder Hautentzündungen bis hin zu lebensbedrohlichem

Multiorganversagen. Denn das Immunsystem kann sehr aggres-

siv reagieren, wenn ein Medikament wichtige Kontrollmecha-

nismen außer Kraft setzt.

Aktuell scheint daher die Hemmung der Verbindung des Eiweiß-

paares PD-1 und PD-L1 der vielversprechendere immunthera-

peutische Ansatz zu sein, um die Bremse des Immunsystems

gegen Tumoren zu lösen. Eingesetzt wird dazu z.B. der Antikör-

per Nivolumab, der an der Killerzelle am PD-1-Eiweiß andockt

und so die Verbindung mit dem PD-L1-Eiweiß auf der Tumorzelle

verhindert. Die Killerzelle wird so nicht ausgebremst und kann

auf die Tumorzelle losgehen. Soweit die Theorie.

Tatsächlich zeigt der PD-1-Hemmer Nivolumab bei 32 Prozent

der Hautkrebspatienten Wirkung. Im Vergleich zu 11 Prozent der

Patienten, die von einer herkömmlichen Chemotherapie profi-

tieren. Erfreulicherweise scheint mit der neuen Immuntherapie

die Nebenwirkungsrate sogar im Vergleich zur Chemotherapie

deutlich geringer zu sein. Neben Nivolumab ist mit Pembroli-

zumab ein weiterer PD-1-Hemmer in Deutschland zugelassen,

der sich in einer vergleichenden Studie beim fortgeschrittenen

Melanom als wirkungsvoll erwiesen hat. Zahlreiche weitere neue

Medikamente, die gegen PD-1 oder PD-L1 gerichtet sind, befin-

den sich in klinischer Entwicklung.

Immuntherapie mit aggressiven Viren

Eine weitere Immuntherapie setzt auf den Einsatz aggressiver

Viren. Einige Viren, wie zum Beispiel Herpesviren, zerstören ihre

Wirtszellen während der Virusvermehrung. Wir kennen dies von

den schmerzhaften Herpesbläschen, etwa an der Lippe. Diesen

Effekt machte man sich zunutze und injizierte die aggressiven

Viren direkt in Tumorknoten. Neben Herpesviren wurden auch

Adenoviren, Masernviren oder Pockenviren für derartige Immun-

therapien verwendet. Erreicht wird damit zweierlei: Zum einen

zerstören die Viren bei ihrer Vermehrung tatsächlich direkt die

Krebszellen, in die sie sich eingenistet haben. Zum anderen

erkennt das Immunsystem die Herpesvirusinfektion und schickt

vermehrt Killerzellen an den Tumorort mit dem sich vermehren-

den Virus. Inzwischen gibt es ein neues, genetisch verändertes

Herpesvirus, das T-VEC genannt wird. Dieses Herpesvirus ist

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