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Esslinger Gesundheitsmagazin 9
technetat, das eine Halbwertzeit von sechs Stunden hat, was
nur eine geringe Strahlendosis bedeutet.“ Die Substanz wird in
die Vene gespritzt, lagert sich im Schilddrüsengewebe an und
nach etwa 10 bis 15 Minuten lässt sich mit einer Gammakamera
das arbeitende Schilddrüsengewebe erkennen. Die sogenannten
heißen Knoten sind sehr aktiv und werden in Szintigramm kräf-
tig rot eingefärbt dargestellt, während kalte Knoten als Bereiche
schwacher oder fehlender Aktivität dargestellt werden. Für die
heißen Knoten ist eine Überfunktion der Schilddrüse typisch,
während die kalten Knoten meist harmlos und ohne Auswirkun-
gen auf die Hormonproduktion sind, mit allerdings einem gerin-
gen Risiko einer Entartung, also der Entwicklung zu einer Krebs-
erkrankung . „Das Ergebnis des Szintigramms entscheidet über
das weitere Vorgehen bei der Behandlung“, sagt Dr. Zimmer.
„Große kalte Knoten werden in der Regel operiert, bei heißen
Knoten kann anstatt der Operation auch die Radiojodtherapie
angewandt werden.“
Schilddrüsenoperation
„Operationen an der Schilddrüse zählen heute zu den häufig
durchgeführten Routineoperationen“, sagt Prof. Dr. Ludger Staib,
Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Kli-
nikum Esslingen. „Pro Jahr führen wir etwa 80 Schilddrüsen-
operationen durch.“ Obwohl Routine, ist bei der Operation im
Halsbereich Erfahrung wichtig. „Speise- und Luftröhre, der Kehl-
kopf, die Stimmbänder und auch wichtige Nervenbahnen liegen
in unmittelbarer Nähe zur Schilddrüse und müssen geschont
werden“, erläutert Prof. Staib. Der Verlauf der Stimmbandnerven
wird deshalb während der Operation mit dem sogenannten Neu-
romonitoring dargestellt und überprüft. Der Nerv wird dazu
elektrisch mit geringen Stromimpulsen stimuliert. Der Impuls
muss dann an der Stimmbandmuskulatur messbar sein. So ist
sichergestellt, dass der Nerv während der Operation geschont
wird. Für einen guten Zugang zur Schilddrüse ist ein etwa sechs
Zentimeter langer Schnitt nötig, den die Chirurgen in aller Regel
in eine Halsfalte legen können. Am Ende der Operation achten
sie auf eine gute und schöne Naht. „Wenn das ordentlich
gemacht wird, ist die Operationsnarbe nach etwa einem Jahr
kaum noch zu sehen.“
Die meisten Schilddrüsenknoten und Zysten sind ungefährlich
und können einfach entfernt werden, genauso wie Schilddrü-
senvergrößerungen, vor allem der Kropf. In der Regel entfernen
die Chirurgen dabei nur einen Teil der Schilddrüse, um die Hor-
monproduktion zum Teil zu erhalten. Dennoch müssen die Pati-
enten anschließend meist Schilddrüsenhormone „substituieren“,
wie die Mediziner sagen, also in Form einer Tablette einnehmen.
„Zudem achten wir darauf, die vier Nebenschilddrüsen möglichst
vollständig zu erhalten, die für die Calciumversorgung des Kör-
pers nötig sind“, erläutert Prof. Staib. Zwei bis vier Tage müssen
die Patienten nach der Operation im Krankenhaus bleiben. Noch
vor der Entlassung wird durch einen HNO-Arzt eine erneute
Stimmbandkontrolle durchgeführt. Schilddrüsenhormon darf
erst eingenommen werden, wenn etwa fünf Tage nach der Ope-
ration der feingewebliche Untersuchungsbefund zeigt, dass eine
gutartige Erkrankung und kein Schilddrüsenkrebs vorgelegen
hatte.
„In Zusammenarbeit mit unserer Nuklearmedizin haben wir uns
auf die Behandlung des Schilddrüsenkarzinoms spezialisiert, so
dass wir viele Patienten auch aus den umliegenden Landkreisen
zugewiesen bekommen“, berichtet Prof. Staib. Die Krebserkran-
kung der Schilddrüse ist relativ selten. Nur etwa ein Prozent aller
Tumorerkrankungen entfällt auf das Schilddrüsenkarzinom, das
oft zufällig entdeckt wird. Bei 5.000 Menschen wird in Deutsch-
land jährlich eine Krebserkrankung der Schilddrüse neu entdeckt
– oft erst während der Operation. „Es ist ein großer Vorteil, dass
wir einen Pathologen mit Schnellschnittdiagnostik im Haus
haben“, sagt Prof Staib. „Der Pathologe prüft im Schnellschnitt
noch während der Operation, ob das Gewebe, das wir entfernt
haben, gutartig oder bösartig ist und ob wir das Tumorgewebe
vollständig entfernt haben.“
„Solange die Krebserkrankung noch keine Absiedelungen, die
sogenannten Metastasen, im Körper gestreut hat, ist die Erkran-
kung heilbar und bedeutet keine verkürzte Lebenserwartung“,
berichtet die Nuklearmedizinerin Dr. Zimmer. Im ersten Schritt
wird die Schilddrüse in einer Operation komplett entfernt. Drei
bis vier Wochen nach der Operation werden die Patienten mit
einer hochdosierten Radiojodtherapie behandelt. Da auch die
Krebszellen der Schilddrüse die Fähigkeit haben Jod zu speichern,
können mit der Therapie noch vorhandene Krebszellen im Kör-
per beseitigt werden.
Radiojodtherapie
Die Radiojodtherapie eignet sich aber nicht nur zur Nachbe-
handlung nach einer Tumoroperation. Auch heiße Schilddrüsen-
knoten oder die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow, die
ebenfalls zu einer Überfunktion führt, oder Schilddrüsenvergrö-
ßerungen können damit schonend behandelt werden. Bereits
seit den 1950er Jahren wird das Verfahren angewandt. Heute
werden in Deutschland pro Jahr rund 60.000 Radiojodtherapien
durchgeführt. Da hier mit radioaktivem, das heißt, strahlendem
Material gearbeitet wird, darf die Therapie aus Strahlenschutz-
gründen nur stationär in speziell dafür ausgerichteten nuklear-
medizinischen Abteilungen, wie im Klinikum Esslingen, durch-
geführt werden. Schwangere und stillende Mütter dürfen nicht
behandelt werden und auch keine Kinder und Jugendliche unter
18 Jahren. „Die Strahlenbelastung ist aber sehr gering, so dass
auch Frauen, die noch einen Kinderwunsch haben, problemlos
behandelt werden können“, berichtet Dr. Zimmer. Vorsichtshal-
ber sollten sie aber drei bis sechs Monate nach der Behandlung
noch verhüten.
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Nach der Radiojodtherapie müssen die Patienten noch
ein paar Tage auf der Station bleiben. MIt dem Geiger-
zähler wird die Strahlung regelmäßig überprüft