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2 2015

Esslinger Gesundheitsmagazin 9

technetat, das eine Halbwertzeit von sechs Stunden hat, was

nur eine geringe Strahlendosis bedeutet.“ Die Substanz wird in

die Vene gespritzt, lagert sich im Schilddrüsengewebe an und

nach etwa 10 bis 15 Minuten lässt sich mit einer Gammakamera

das arbeitende Schilddrüsengewebe erkennen. Die sogenannten

heißen Knoten sind sehr aktiv und werden in Szintigramm kräf-

tig rot eingefärbt dargestellt, während kalte Knoten als Bereiche

schwacher oder fehlender Aktivität dargestellt werden. Für die

heißen Knoten ist eine Überfunktion der Schilddrüse typisch,

während die kalten Knoten meist harmlos und ohne Auswirkun-

gen auf die Hormonproduktion sind, mit allerdings einem gerin-

gen Risiko einer Entartung, also der Entwicklung zu einer Krebs-

erkrankung . „Das Ergebnis des Szintigramms entscheidet über

das weitere Vorgehen bei der Behandlung“, sagt Dr. Zimmer.

„Große kalte Knoten werden in der Regel operiert, bei heißen

Knoten kann anstatt der Operation auch die Radiojodtherapie

angewandt werden.“

Schilddrüsenoperation

„Operationen an der Schilddrüse zählen heute zu den häufig

durchgeführten Routineoperationen“, sagt Prof. Dr. Ludger Staib,

Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Kli-

nikum Esslingen. „Pro Jahr führen wir etwa 80 Schilddrüsen-

operationen durch.“ Obwohl Routine, ist bei der Operation im

Halsbereich Erfahrung wichtig. „Speise- und Luftröhre, der Kehl-

kopf, die Stimmbänder und auch wichtige Nervenbahnen liegen

in unmittelbarer Nähe zur Schilddrüse und müssen geschont

werden“, erläutert Prof. Staib. Der Verlauf der Stimmbandnerven

wird deshalb während der Operation mit dem sogenannten Neu-

romonitoring dargestellt und überprüft. Der Nerv wird dazu

elektrisch mit geringen Stromimpulsen stimuliert. Der Impuls

muss dann an der Stimmbandmuskulatur messbar sein. So ist

sichergestellt, dass der Nerv während der Operation geschont

wird. Für einen guten Zugang zur Schilddrüse ist ein etwa sechs

Zentimeter langer Schnitt nötig, den die Chirurgen in aller Regel

in eine Halsfalte legen können. Am Ende der Operation achten

sie auf eine gute und schöne Naht. „Wenn das ordentlich

gemacht wird, ist die Operationsnarbe nach etwa einem Jahr

kaum noch zu sehen.“

Die meisten Schilddrüsenknoten und Zysten sind ungefährlich

und können einfach entfernt werden, genauso wie Schilddrü-

senvergrößerungen, vor allem der Kropf. In der Regel entfernen

die Chirurgen dabei nur einen Teil der Schilddrüse, um die Hor-

monproduktion zum Teil zu erhalten. Dennoch müssen die Pati-

enten anschließend meist Schilddrüsenhormone „substituieren“,

wie die Mediziner sagen, also in Form einer Tablette einnehmen.

„Zudem achten wir darauf, die vier Nebenschilddrüsen möglichst

vollständig zu erhalten, die für die Calciumversorgung des Kör-

pers nötig sind“, erläutert Prof. Staib. Zwei bis vier Tage müssen

die Patienten nach der Operation im Krankenhaus bleiben. Noch

vor der Entlassung wird durch einen HNO-Arzt eine erneute

Stimmbandkontrolle durchgeführt. Schilddrüsenhormon darf

erst eingenommen werden, wenn etwa fünf Tage nach der Ope-

ration der feingewebliche Untersuchungsbefund zeigt, dass eine

gutartige Erkrankung und kein Schilddrüsenkrebs vorgelegen

hatte.

„In Zusammenarbeit mit unserer Nuklearmedizin haben wir uns

auf die Behandlung des Schilddrüsenkarzinoms spezialisiert, so

dass wir viele Patienten auch aus den umliegenden Landkreisen

zugewiesen bekommen“, berichtet Prof. Staib. Die Krebserkran-

kung der Schilddrüse ist relativ selten. Nur etwa ein Prozent aller

Tumorerkrankungen entfällt auf das Schilddrüsenkarzinom, das

oft zufällig entdeckt wird. Bei 5.000 Menschen wird in Deutsch-

land jährlich eine Krebserkrankung der Schilddrüse neu entdeckt

– oft erst während der Operation. „Es ist ein großer Vorteil, dass

wir einen Pathologen mit Schnellschnittdiagnostik im Haus

haben“, sagt Prof Staib. „Der Pathologe prüft im Schnellschnitt

noch während der Operation, ob das Gewebe, das wir entfernt

haben, gutartig oder bösartig ist und ob wir das Tumorgewebe

vollständig entfernt haben.“

„Solange die Krebserkrankung noch keine Absiedelungen, die

sogenannten Metastasen, im Körper gestreut hat, ist die Erkran-

kung heilbar und bedeutet keine verkürzte Lebenserwartung“,

berichtet die Nuklearmedizinerin Dr. Zimmer. Im ersten Schritt

wird die Schilddrüse in einer Operation komplett entfernt. Drei

bis vier Wochen nach der Operation werden die Patienten mit

einer hochdosierten Radiojodtherapie behandelt. Da auch die

Krebszellen der Schilddrüse die Fähigkeit haben Jod zu speichern,

können mit der Therapie noch vorhandene Krebszellen im Kör-

per beseitigt werden.

Radiojodtherapie

Die Radiojodtherapie eignet sich aber nicht nur zur Nachbe-

handlung nach einer Tumoroperation. Auch heiße Schilddrüsen-

knoten oder die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow, die

ebenfalls zu einer Überfunktion führt, oder Schilddrüsenvergrö-

ßerungen können damit schonend behandelt werden. Bereits

seit den 1950er Jahren wird das Verfahren angewandt. Heute

werden in Deutschland pro Jahr rund 60.000 Radiojodtherapien

durchgeführt. Da hier mit radioaktivem, das heißt, strahlendem

Material gearbeitet wird, darf die Therapie aus Strahlenschutz-

gründen nur stationär in speziell dafür ausgerichteten nuklear-

medizinischen Abteilungen, wie im Klinikum Esslingen, durch-

geführt werden. Schwangere und stillende Mütter dürfen nicht

behandelt werden und auch keine Kinder und Jugendliche unter

18 Jahren. „Die Strahlenbelastung ist aber sehr gering, so dass

auch Frauen, die noch einen Kinderwunsch haben, problemlos

behandelt werden können“, berichtet Dr. Zimmer. Vorsichtshal-

ber sollten sie aber drei bis sechs Monate nach der Behandlung

noch verhüten.

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Nach der Radiojodtherapie müssen die Patienten noch

ein paar Tage auf der Station bleiben. MIt dem Geiger-

zähler wird die Strahlung regelmäßig überprüft