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Esslinger Gesundheitsmagazin
2 2013
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Pflegekassen zugelassenen Einrichtungen
anwenden müssen – genauso wie die
sechs weiteren Expertenstandards zum
Ernährungsmanagement, zum Umgang
mit chronischenWunden, zur Vorbeugung
gegen Druckgeschwüre, zur Kontinenz
förderung und zum Entlassmanagement.
Die Standards, die auch für Krankenhäu
ser und in der ambulanten, häuslichen
Krankenpflege gelten, wurden seit dem
Jahr 2000 nach und nach mit wissen
schaftlichen Methoden erarbeitet, dann
in ausgewählten Einrichtungen erprobt
und schließlich verbindlich eingeführt. Die
Standards werden außerdem regelmäßig
überprüft und überarbeitet. So gibt es
zum ersten Expertenstandard, dem zur
Dekubitusprophylaxe, also der Vorbeu
gung gegen Druckgeschwüre, inzwischen
die dritte Auflage.
Alle arbeiten nach den
gleichen Standards
„Die Expertenstandards tragen zu einer
Professionalisierung in der Pflege bei und
sorgen für Qualität“, ist Thilo Naujoks
überzeugt. „Sie im pflegerischen Alltag
umzusetzen, dafür zu sorgen, dass alle
auch danach arbeiten, ist allerdings eine
Herausforderung.“ Bei der Dekubituspro
phylaxe aber scheint sie im Pflegeheim
Obertor gelungen. Pflegedienstleiter
Schuster jedenfalls kann sich nicht erin
nern, wann einer der Bewohnerinnen und
Bewohner das letzte Mal ein Druckge
schwür entwickelt hat. Bei allen Stan
dards geht es darum, Bewohner mit ent
sprechendem Risiko zu erkennen und
dann Maßnahmen zu ergreifen, das Risiko
zu verringern. Voraussetzung dafür ist,
dass dieMitarbeiter entsprechend geschult
sind und geeignete Hilfsmittel zur Verfü
gung stehen. Außerdem werden auch die
Bewohner und ihre Angehörigen entspre
chend beraten.
Und so beginnt auch die Sturzprophylaxe
in den Städtischen Pflegeheimen nicht
erst mit dem Training im Fitnessraum.
„Für jede Bewohnerin und jeden Bewoh
ner ermitteln wir zunächst das individu
elle Sturzrisiko“, erläutert Silvio Schuster.
Gemeinsammit Bewohnern und Angehö
rigen wird dann überlegt, wie eine weit
gehend uneingeschränkte Mobilität bei
größtmöglicher Sicherheit vor Stürzen
erreicht werden kann. „Dabei werden wir
niemanden zu 100 Prozent vor einem
Sturz bewahren können.“ Viele kommen
gut zurecht, wenn sie konsequent einen
Stock oder Rollator nutzen. Manche
Bewohner sind noch ganz mobil, aber
etwas wackelig auf den Beinen. Denen
helfen Sturzprotektoren, die einen mög
lichen Sturz abfedern und Verletzungen
vermeiden. „Inzwischen sind die Protek
toren so weiterentwickelt, dass sie unter
der Kleidung getragen kaum auffallen.“
Auch ein Gehwagen ist für manche eine
Hilfe, sich noch eine gewisse Mobilität
Nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner im
Pflegeheim sind noch körperlich fit und mobil.
Manchen müssen die Pflegekräfte morgens
aus dem Bett helfen, um sie dann in einen
Sessel oder in den Rollstuhl zu setzen. Da
kann Altenpflege zur schweren körperlichen
Arbeit werden. Seit Mitte der 1980er Jahre
hat sich in der Kranken- und Altenpflege nach
und nach eine Bewegungslehre durchgesetzt,
die einerseits die vorhandenen Möglichkeiten
der Patienten und Pflegeheimbewohner
unterstützt und fördert und andererseits die
körperliche Belastung der Pflegekräfte redu
ziert. MH-Kinaesthetics heißt das Programm,
was als Lehre von der Bewegungswahrneh
mung übersetzt werden kann.
„MH-Kinaesthetics ist kein Werkzeugkasten
voller Tricks oder Vorschriften“, stellt Evelin
Hrncsar klar. „MH-Kinaesthetics sensibilisiert
vielmehr dafür, natürliche Bewegungsabläufe
zu erkennen und dann zu nutzen.“ Die Kran
kenschwester arbeitet seit 24 Jahren im Pfle
geheim Obertor und hat inzwischen alle MH-
Kinaesthetics-Kurse absolviert. Sie ist nun
zertifizierte MH-Kinaesthetics-Anwenderin
und unterstützt ihre Kolleginnen und Kolle
gen dabei, MH-Kinaesthetics in der täglichen
Arbeit immer wieder einzusetzen. „Nehmen
Sie das Aufstehen vom Stuhl“, beginnt sie
gleich mit einem einleuchtenden Beispiel.
„Früher haben wir den Bewohner – manchmal
zu zweit – nach oben gezogen. Das ist
anstrengend und auch für den Bewohner
unangenehm, denn es ist eigentlich eine
unnatürliche Bewegung.“ Viel leichter gehe
es, wenn der Bewohner dabei unterstützt
wird, sich in die richtige Richtung nach vorne
und dann nach oben zu bewegen.
Die Bewohner machen
automatisch mit
Im MH-Kinaesthetics-Grundkurs lernen die
Pflegekräfte deshalb zunächst, eigene Bewe
gungsabläufe wahrzunehmen. Im zweiten
Schritt geht es dann darum, andere in ihren
Bewegungsabläufen zu unterstützen. „Die
Pflegenden erkennen, dass vieles leichter
wird, wenn natürliche Bewegungsabläufe
MH-Kinaesthetics:
Natürliche Bewegungsabläufe helfen im Alltag
Unter Anleitung von Maya Süß stärkt
Eva Frost ihre Beinmuskeln auf dem
Vibrationstrainer