2 2013
Esslinger Gesundheitsmagazin 27
ohne Angst vor Stürzen zu erhalten.
Bewohner, die nachts unruhig sind, kön­
nen mit Niederflurbetten und Matten vor
dem Bett davor bewahrt werden, sich zu
verletzten, wenn sie aus dem Bett fallen.
„Wir versuchen, die Mobilität unserer
Bewohner so weit wie möglich zu erhal­
ten und wenn möglich zu verbessern“,
sagt Thilo Naujoks. „Hochgezogene Bett­
gitter oder im Rollstuhl festgebundene
Bewohner sind da wie alle sonstigen frei­
heitsentziehenden Maßnahmen kontra­
produktiv.“
Ressourcen der Bewohner
nutzen
Was können die Bewohner noch selbst,
wo liegen ihre Ressourcen? Das sind die
wichtigen Fragen für die Pflege, auchwenn
es umMobilität und Bewegung geht. „Wir
denken dabei immer vom Bewohner aus“,
sagt Pflegedienstleiter Schuster. Vor allem
bei Bewohnern, die nicht mehr selbstän­
dig mobil sind, hilft den Pflegekräften
Kinästhetik, die Lehre von der Bewegung.
Etwa 80 Prozent der Pflegekräfte in den
Städtischen Pflegeheimen haben zumin­
dest den Kinästhetik-Grundkurs absol­
viert. Mit der richtigen Unterstützung
können sie so die Bewohner dazu bewe­
gen, etwa beim Aufstehen aus dem Bett
und dem Umsetzen in den Rollstuhl, die
eigenen Möglichkeiten zu nutzen und zu
verbessern (siehe Kasten).
„Der Expertenstandard Sturzprophylaxe
ist im Pflegeheim sicher besonders wich­
tig“, urteilt Silvio Schuster. „Aber natür­
lich haben wir auch die anderen Stan­
dards einschließlich der fortlaufenden
Überarbeitungen in den letzten acht
Jahren Schritt für Schritt umgesetzt.“
Der Standard zum Ernährungsmanage­
ment war der letzte. Hier geht es vor
allem um das rechtzeitige Erkennen von
Mangel- und Unterernährung. Gerade
bei Menschen in der letzten Lebens­
phase beschränken sich die Maßnahmen
dann aber auf natürliche Möglichkeiten,
wie etwa hochkalorische Getränke.
„Künstliche Ernährung über eine Magen­
sonde ist heute bei uns kein Thema mehr.“
Eine eher untergeordnete Rolle in der
Altenpflege spielt der Expertenstandard
Kontinenzförderung und der Standard
Entlassmanagement spielt überhaupt
keine Rolle, denn kaum eine Bewohnerin
oder ein Bewohner wird aus dem Alten­
pflegeheim entlassen.
so
„MH-Kinaesthetics sensibilisiert dafür, natürliche
Bewegungsabläufe zu erkennen und dann zu nutzen.“
genutzt werden und die Bewohner machen
automatisch mit, weil ihnen die Bewegung
angenehmer ist“, sagt Evelin Hrncsar. Seit
2007 werden die Pflegekräfte in den Städti­
schen Pflegeheimen deshalb konsequent in
MH-Kinaesthetics geschult. Inzwischen
haben 80 Prozent den Grundkurs und etwa
40 Prozent auch den Aufbaukurs absolviert.
MH-Kinaesthetics soll aber nicht nur die
Pflege leichter machen, sondern auch die
Bewohnerinnen und Bewohner dabei unter­
stützen, ihre noch vorhandene Mobilität und
Selbständigkeit zu erhalten und wenn mög­
lich zu verbessern. Zusammen mit einer MH-
Kinaesthetics-Trainerin entwickelt Evelin
Hrncsar individuelle Bewegungsmuster für
die Bewohnerinnen und Bewohner. Dabei
kann es um so einfache Dinge gehen wie das
selbständige, sichere Greifen eines Glases
zum Trinken oder eben auch um das Aufste­
hen aus dem Bett. Die Bewegungsmuster
werden dann an die Pflegekräfte des Wohn­
bereiches weitergegeben, so dass alle auf
dem gleichen Informationsstand sind. „Die
immer gleichen Bewegungsabläufe nach
dem festgelegten Muster sorgen dafür,
dass der Bewohner Vertrauen in die eigenen
Fähigkeiten gewinnt und schließlich die
Bewegung angstfrei und schmerzfrei mit
immer weniger Unterstützung selbst aus­
führen kann.“ So kann MH-Kinaesthetics
dazu beitragen, die Selbständigkeit und
damit auch die Lebensqualität der Bewoh­
nerinnen und Bewohner im Pflegeheim zu
verbessern. Gleichzeitig vermeiden die Pfle­
gekräfte selbst belastende Bewegungen und
arbeiten rückenschonend. „Wir wollen alle
noch viele Jahre in der Pflege arbeiten“,
sagt die erfahrene Krankenschwester Evelin
Hrncsar. „Da ist es gut, auch auf die eigene
Gesundheit zu achten und Überlastungen zu
vermeiden.“
„Wir versuchen, die Mobilität unserer Bewoh-
ner so weit wie möglich zu erhalten und wenn
möglich zu verbessern.“
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